Klimaschutzjournalismus: Wo sind Perspektive und Kontext?

Es kostet Zeit und Mühe, Hypes zu entzaubern. – Zu der Erkenntnis kann auch kommen, wer sich in die Berichterstattung über Wärmepumpen und Gebäudeenergie vertieft. Es hat in den vergangenen Wochen in Teilen des Journalismus offensichtlich an viel Zeit und Mühe gefehlt. Ein paar Beiträge zur Hype-Entzauberung gab es (Altpapier). Aber maßgeblich bestimmt war die Debatte über das Gebäudeenergiegesetzesvorhaben des Klima- und Wirtschaftsministeriums von blöd-boulevardesken Krampf-Kategorien wie “Habecks Heiz-Hammer”.

Das Gesetz hatte oder hat Schwächen, Lücken – nennen Sie es, wie Sie wollen. Vielleicht hat es sogar eine Menge Schwächen, über die unbedingt zu reden war und ist. Aber die Debatte darüber strotzte und strotzt vor Unredlichkeit. Friederike Haupt schreibt heute im “FAZ”-Leitartikel: “Gefährlich ist (…) nicht der Streit, sondern die Vermeidung des Arguments. Sie verleiht Erregungsgrad und Lautstärke eine Bedeutung, die ihnen nicht zukommt.” Sie belegt ihre Kritik mit Äußerungen aus der CDU (“Heizungswahn”, “Energie-Stasi”). 

Aber ebenso der Rede wert ist die Performance von Medien. Harald Staun hat sie in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” nachgezeichnet und die Unredlichkeit exemplarisch in den Kampagnen von “Bild” und Bootskapitän Gabor Steingart festgestellt,

“der täglich neue Listen von Halbwahrheiten raushaut, ’Die sieben Irrtümer des Robert Habeck”, die ‘sechs Zumutungen, die den Minister und die Wirtschaft (…) aus dem Takt gebracht haben’, ‘fünf Fakten, die Habecks Leuchtkraft schwächen’. Auch andere Medien schenken dem Streit viel mehr Aufmerksamkeit als der kompetenten Aufklärung, als könnte man das politische Kalkül dahinter nicht deutlich erkennen.” 

Wobei es noch keine Erkenntnis ist, dass es im Journalismus diskursive Unredlichkeit gibt. Selbstverständlich gibt es die. Interessant und relevant ist aber, dass so viele darauf einsteigen, als wäre das ein alternativloses Vorgehen. Harald Staun schreibt: 
“(A)uch die, die ihre Kritik ein bisschen eleganter formulieren, behandeln das Thema oft mit journalistischen Reflexen, die angesichts der tatsächlichen Herausforderungen selbst wie Rudimente einer schrottreifen Technologie wirken: Personalisierung und Performance-Kritik, Koalitionsstreit-Ticker und Insider-Tweets vom parteipolitischen Hickhack, Reportagen über problematische Einzelfallschicksale – das sind die dürftigen Genres eines Politjournalismus, dessen chronische Defizite nun fast bizarr wirken.” 

Es ist, als wäre eine KI am Werk: Wenn erstmal eine kritische Masse an Beiträgen erschienen ist, in denen das Wort “Heizhammer” auftaucht, wird es wohl quasi automatisch auch in andere eingerechnet, als handelte es sich um einen ernstzunehmenden Befund aus der Klimawissenschaft. Nochmal Harald Staun:

“Der Preis für die mediale Präsenz von Klimaschutzthemen ist offenbar, dass jede konstruktive Berichterstattung in den Routinen eines Nachrichtenjournalismus aufgerieben wird, der Aktualität und Nähe auch in einem Bereich für die Leitwährung hält, in dem Perspektive und Kontext viel relevanter wären.”

Klaus Raab, Altpapier

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