“Wir sind also wieder einmal zusammengekommen, um Milliarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht: Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken, die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger vor Verlusten schützen sollen. (…) Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbereich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich organisiertes Finanzsystem. Dann müssen Sie aber auch die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investoren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler. (…) Was Sie machen, gigantische private Wettbuden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben, die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzocken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es eng wird, den Steuerzahler kommen und brav für die Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und krankes Modell. (…) Wir wollen nicht die Finanzmärkte beruhigen, und wir wollen auch nicht um das Vertrauen dieser Zockerbande werben, sondern wir wollen die Finanzmärkte entmachten. Wir wollen die Banken als öffentliche Institute so reorganisieren, dass sie endlich wieder das tun, wofür Banken da sind: sichere Sparmöglichkeiten anbieten und Investitionen finanzieren; und sonst gar nichts.” (Sahra Wagenknecht, Die Linke, am neunzehnten Juli in der Sondersitzung des Deutschen Bundestags zu Finanzhilfen für Spanien, zitiert nach Michael Schöfer)
Tag: 27. Juli 2012
Das Entenaus
Das Entenaus fand am siebenundzwanzigsten Juli, statt, heute vor zweiundzwanzig Jahren. In Portugal nämlich wurde der letzte Citroën 2CV gefertigt. (Wie es mit der Ente begonnen hatte, kann man hier nachlesen.) Vorschnellen nostalgisch-romantischen Gefühlen halte ich als ehemaliger Entenfahrer entgegen, daß es mit der Geschwindigkeit des urfranzösischen Gefährts nicht weit her war, mit seinen Bremsen gar nicht, den Sicherungen des Rolldaches aus Tuch ebenfalls nicht, daß die Sitze unbequeme Hängesessel waren. Kurzum: Dem Auto mit den hochklappbaren Seitenfenstern folgten allesamt Karren, die weiß Gott mehr zu bieten hatten als die rote Ente mit zerrissenem Dach. Selbst der Lloyd Sechshundert funktionierte besser als die studentische Traumkutsche. Kein Schaden also das Entenaus für die automobile Kultur von heute. Oder?
Totale Abwesenheit von Moral
Von der “totalen Abwesenheit von Moral” und “skandalösem Verhalten” soll hier die Rede sein. Von der totalen Abwesenheit von Moral sprach nämlich kürzlich ein veritabler EU-Kommissar, der, der für die Märkte in Europa zuständig ist, Michel Barbier aus Frankreich. Nein, nein, keine Bange, es geht nicht schon wieder um die FDP. (Wobei: Auch in diesem Kontext hätte ein EU-Kommissar genug zu tun, um die Marktwirtschaft zu sichern, wie man in dem Beitrag “Staatswirtschaft” nachlesen kann.) Es geht um die Banken in Europa. Wenn Zinsen zu Lasten der Kunden manipuliert werden, wenn mit Wetten auf Staatspleiten Gewinn zu machen versucht wird, wenn auf die Knappheit von Lebensmitteln spekuliert wird, also auf den Hunger von Millionen Menschen, wenn Gewinne den privaten Eignern zukommen, Verluste in Millionen- und Milliardenhöhe aber den Steuerzahlern aufgebürdet werden, wenn Millionen Euro in Bonuszahlungen für Manager investiert werden, obwohl die das Unternehmen gegen die Wand gefahren haben, ja, wenn dies alles die Charakterisierung eines Geschäftsmodells ist, dann muß man wirklich von der totalen Abwesenheit von Moral sprechen. Und man muß umgehend das Geschäftsmodell beseitigen. Die Banken, der gesamte Finanzsektor müssen reorganisiert und schärfer kontrolliert werden. Das Finanzwesen muß der Realwirtschaft dienen. Wie einst. Man komme mir jetzt nicht mit der Globalisierung. Wenn Globalisierung zwingend totale Abwesenheit von Moral bedeutet, dann muß man der Globalisierung politisch Einhalt gebieten, muß man Recht und Gesetze schaffen, national und international, Banken und Finanzunternehmen Grenzen aufweisen, so daß Moral, Anstand, Humanität nicht nur bloße Floskeln bleiben. Banken und Finanzunternehmen befinden sich nicht jenseits von Recht und Gesetz und nicht jenseits von Anstand und Moral. Wenn sie, Bänker und Finanzdienstleister, das nicht mehr wissen, muß man ihnen das wieder beibringen. Man? Wir alle. Wie? Auch durch Wahlen. Durch Proteste. Durch Gegenwehr. Wir dürfen nicht zulassen, daß unsere Kanzlerin von einer “marktkonformen Demokratie” daherschwätzt. Wir brauchen einen demokratiekonformen Markt. Wir brauchen Banken und Finanzdienstleister, die dem Gemeinwohl zumindest nicht schaden, besser: dem Gemeinwohl dienlich sind. Wir brauchen Banken, die der Wirtschaft dienen und den Menschen, die wirtschaftlich tätig sind. Also nicht nur den Eignern von Unternehmen, auch jenen, die den Wohlstand und Reichtum schaffen. Höre ich da jemanden “Sozialismus” schreien? Nein. Das ist alles kein Sozialismus. Das ist wohlverstandene Marktwirtschaft. Das ist bürgerliche Gesellschaft. Mit der totalen Abwesenheit von Moral aber geht auch die bürgerliche Gesellschaft zugrunde.