Mein Freund Lothar macht gerade Urlaub in Griechenland. Solange wenigstens die Sonne noch scheint im arg gebeutelten Land der Hellenen, ist das sicher eine gute Idee, selbst wenn Deutschland aktuell einen dramatischen Ansehensverlust in der griechischen Öffentlichkeit erfährt, wie heute beispielsweise mal wieder Spiegel-Online schreibt. Geht es bei den europäischen und internationalen Rettungspaketen eigentlich um die griechische Bevölkerung und ihre soziale Lage? Ein Blick in Zeitungen und Nachrichtensendungen lehrt, daß es vor allem um das Wohlergehen des Finanzsektors und die Exportindustrie geht. Man müsse dem hoch verschuldeten Griechenland helfen, weil eine Staatspleite unabsehbare Folgen für den Banken- und Finanzsektor habe. Zudem könne eine Sogwirkung entstehen, dessen Strudel Portugal, Irland, Spanien oder Italien erfassen könnte. Und dieser Schlamassel wäre selbst mit einem noch gewaltigeren Rettungsschirm nicht mehr zu beherrschen. Nur ist die europäische Hilfe an ein derart massives Sparprogramm gekoppelt, das, auf deutsche Verhältnisse übertragen, längst dazu geführt hätte, daß die Merkels und Kauders und Röslers und Brüderles im Orkus der Geschichte verschwunden wären. Die Wirkung, die sich Europa und der IWF vom rigiden Sparkurs versprochen hatten, stellt sich indes nicht ein. Das griechische Inlandsprodukt sinkt weiter dramatisch. Die europäische Hilfe verstärkt die Krise und delegitimiert zudem die griechische Regierung bei der eigenen Bevölkerung. Die konservative Oppositionspartei, die Nea Dimocratia, zeichnet sich dadurch aus, daß sie gar kein Konzept hat zur Bewältigung der Krise. Diese Vereinigung von Tricksern hat seinerzeit als Regierungspartei Daten gefälscht, Statistiken phantasievoll überarbeitet und das Ganze als positive Bilanz nach Europa gemeldet. Die Banken und Versicherungen, die griechische Staatsanleihen halten, sollen jedenfalls gar nicht, bestenfalls völlig freiwillig an den Kosten zur Rettung der griechischen Staatsfinanzen beteiligt werden. Die drei maßgeblichen Ratingagenturen haben schon in Richtung Europa gedroht, daß in einem solchen Fall der Beteiligung der Privaten Griechenland die Bewertung “Default” bekäme, also als “zahlungsunfähig” gebrandmarkt würde. Ratingagenturen, vor allem Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, sind ja vor einigen Jahren öffentlich bekannt geworden, als sie vor und in der Finanzkrise die miesesten Ramschpapiere aus den USA mit den allerhöchsten Noten (AAA) versehen hatten. Nach diesem Versagen dürfen sie jetzt gnadenlos weiter ihre Daumen heben oder senken über das Wohlergehen ganzer Staaten und ihrer Bevölkerungen. Ganz so, als habe es nie eine weltweite Finenzkrise gegeben. Die europäischen Steuerzahler werden also die Staatsschulden Griechenlands begleichen und Banken und Versicherungen sind, mal wieder, aus dem Schneider. Weder mit Merkel, noch mit Sarkozy wird es in Europa eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik geben. Europa leistet sich zwar so etwas wie eine europäische Außenministerin, Lady Ashton – die nun weiß Gott nicht durch bemerkenswerte Initiativen aufgefallen ist -, aber die Idee eines europäischen Finanzministers scheint doch direkt aus dem Brevier des Bösen zu stammen. Ebenso wie die Schaffung von zinsgünstigen Euro-Bonds, also gemeinsamer Anleihen aller EU-Staaten. Europa konfus. Griechenland darf nicht pleitegehen, sagen die einen. Griechenland muß raus aus der Eurozone, die anderen. Finanzielle Hilfe ohne erpresserisches Sparprogramm geht gar nicht, sagen IWF und nationale Regierungen. Private Beteiligung an der Griechenlandhilfe darf auch nicht sein, drohen die Ratingagenturen. Veränderungen an der Konstruktion der EU und die teilweise Aufhebung nationaler Verantwortlichkeiten will ebenfalls niemand. Kein Wunder, daß aus einer Staatsschuldenkrise Griechenlands eine Eurokrise wird, geworden ist.