Monat: Januar 2015

Ein offenes Wort, Herr Weik

“Stadtspitze sieht keinen Grund zum Kondolieren.” Dieser schlanke Satz war gestern in meiner Zeitung zu lesen, dem Wermelskirchener General-Anzeiger. Der Bürgermeister war wohl von der Redaktion befragt worden, ob er angesichts der Attentate von Paris eine öffentliche Gedenkveranstaltung in Wermelskirchen plane, wie es sein Amtskollege in Remscheid bereits getan hatte. Die Hintergründe seien noch weitgehend unklar, befand der Bürgermeister. Das solle man erst einmal abwarten. Das, finde ich, ist nun mehr als befremdlich. Nein, lieber Herr Weik, die Hintergründe sind keineswegs unklar. In unserem Nachbarland gab es eine feige Attacke auf Menschen, auf die Freiheit der Presse und der Meinung, auf die Zivilisation, auf das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und religiöser und anderer Überzeugungen. Vorgeblich im Namen Gottes. Niemand kann Ihnen aufgeben, Herr Weik, eine Gedenkveranstaltung zu organisieren. Aber niemand darf auch mit einer mehr als fragwürdigen Formulierung abgespeist werden. Ob Sie persönlich kondolieren, in Paris oder Loches oder sonstwo, ist Ihre persönliche Angelegenheit. Aber ein erklärendes Wort zu den Vorgängen, zu denen Sie ja befragt worden sind, hätten viele Bürger gewiß gerne von Ihnen vernommen. Ich jedenfalls. Ich möchte hören oder lesen, daß mein Bürgermeister auf der Seite der Attackierten steht, mit ihnen fühlt, beschämt ist und erschrocken angesichts der sinnlosen Gewalt. Ich möchte hören oder lesen, daß der Bürgermeister Position bezieht gegen jene, die hierzulande ausgrenzende Positionen und Forderungen vertreten, gegen jene, die Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft diskriminieren. Ich nehme das alles von Ihnen an. Aber ich erwarte von meinem Bürgermeister auch in solchen Fragen ein deutliches und öffentliches Wort. Was der Bundespräsident für das ganze Land kann und darf, kann und darf der Bürgermeister auch für unsere Stadt. Diese Chance ist vertan. Leider.

Mysterium

Henning Rehse ist ein bekannter Mann. In Wermelskirchen. Weil er heimlicher und unheimlicher Chef der WNK ist, eines konservativen Wahlvereins. Henning Rehse ist ein fleißiger Mann. Jedenfalls, was die Produktion von offenen Briefen an unterschiedliche Empfänger in der örtlichen Stadtverwaltung angeht und Postings in Facebookgruppen mit lokalem Bezug betrifft. Kaum ein Tag vergeht ohne eine weltbewegende, mindest aber den lokalen Kosmos erschütternde Rehsesche Mitteilung. Heute ist eine seiner umstrittenen Mitteilungen aus Facebook, gerafft zwar, aber erkennbar, sogar auf der ersten Lokalseite des Wermelskirchener General-Anzeigers gelandet. Der Anlaß: Bürgermeister Eric Weik wollte nicht dem Beispiel seines Remscheider Amtskollegen folgen und keine öffentliche Gedenkveranstaltung in Wermelskirchen für die Opfer des Angriffes auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo durchführen. So hat er es auf Nachfrage der lokalen Redaktion erklärt. Das kann und muß ein Bürgermeister für sich entscheiden. Nur in Wermelskirchen nicht. Was wäre denn ein Bürgermeisterstatement ohne Rehseschen Senf. Also muß ein Henning Rehse natürlich einen Beitrag in Facebook veröffentlichen. Und so schrumpft er als erstes sämtliche Bekundungen der Betroffenheit angesichts der schändlichen Ereignisse in unserem Nachbarland in seinem Palimpsest flugs zu einem “rituellen Solidaritätsprogramm” und entblödet sich zudem nicht, mal eben eine Grundgesetzänderung zu fordern, mit der Deutschen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden soll, um sie, wohin auch immer, abschieben zu können, wenn sie an terroristischen Aktionen beteiligt sind. Das ganze lange Pamphlet des WNK-Rechtsauslegers wird in der Lokalzeitung auf  zwölf Zeilen eingedampft. Und mit der Überschrift versehen: “Henning Rehse unterstützt Weik” und dem Nachsatz, es handele sich um die private Meinung von Henning Rehse und nicht um die des Fraktionsvorsitzenden der WNK. Für diese Unterstützung wird der Bürgermeister wahrlich dankbar sein. Henning RehIMG_1870ses Grundüberzeugung in seinem persönlichen Kampf gegen den islamistischen Terror, “klare Kante zeigen”, das Grundrecht anständiger Bürger, was immer die auch auszeichnen möge, sei höher zu bewerten als das Grundrecht von Terroristen, wird das Mitglied der Bürgerrechtspartei auf dem Bürgermeistersessel nachgerade entzücken. Nicht jeder Senf ist Unterstützung. Auch nicht, weil er gelb ist. Und schließlich: Warum, bitte schön, hat die Redaktion der lokalen Zeitung nicht die Privatmeinung von beispielsweise Peter Müller, Karin Mustermann, Ulrike Schmitz oder Meinolf Skiskibowski eingeholt zu dieser Position des Bürgermeisters? Ist die Privatmeinung eines Herrn Rehse wirklich wichtiger? Bedeutsamer? Klüger? Besser formuliert? Alles Bullshit. Von wegen private Meinung. Rehse wird zitiert, Rehse wird Platz eingeräumt im Lokalblatt, weil er Wind macht. Als Fraktionsvorsitzender. Das ist, was er kann. Warum die Redaktion allerdings die Rehsesche Streitschrift ohne jede Kommentierung beläßt und auf den bedeutungslosesten Aspekt reduziert, wird ein Mysterium des lokalen Journalismus bleiben.

Seit an Seit

In Frankreich wurden heute Journalisten ermordet und die Pressefreiheit wurde mit Kalaschnikows und Raketenwerfern bedroht, von Killern, gleich welcher Religion. In Dresden waren es am Montag Abend achtzehntausend, die „Lügenpresse“ schrieen und von „Systempresse“ faselten, gleich welcher Religion. Beiden Seiten geht es nicht um Meinungsfreiheit, um Pressefreiheit, um offene Debatten, um unterschiedliche Meinungen, um Streitkultur. Die einen morden und terrorisieren vermeintlich im Namen von Allah, um den Propheten zu rächen, brutal, kaltblütig, gefühllos, unmenschlich; die anderen stänkern und polemisieren simplifizierend fürs vermeintliche Abendland und haben grundlegende christliche Werte preisgegeben, Nächstenliebe, Menschlichkeit. Fremdenhass und Islamfeindlichkeit geben sich die Hand mit Brutalität, Mord geht Seit an Seit mit Xenophobie.

Je Suis Charlie

Welch furchtbarer Tag. Islamisten und Islamhasser liegen sich in den Armen. AfD-Scharfmacher Gauland hat bereits den schäbigen Versuch unternommen, das feige Attentat und die Toten von Charlie Hebdo in Paris zu missbrauchen. Es gibt keine Rechtfertigung für Terrorismus. Und keine für Fremdenhaß und Ausländerfeindlichkeit. Die Scharfmacher auf beiden Seiten brauchen sich gegenseitig10614376_10152488652781831_6826843124187115453_n. Die Islamisten und ihre Haßprediger brauchen die Pegida und ihre Haßprediger. Terrorismus ist unislamisch. Und Pegida unchristlich. Weil sie gegen das Gebot der Nächstenliebe verstößt. Wir müssen jetzt zusammenstehen, um einen gefährlichen religiös motivierten Konflikt in Europa zu verhindern. Wir brauchen keinen Krieg der Kulturen, wie ihn die Hintermänner des Terrorismus und die Gegner des Westens sowie die Falken hierzulande wollen. Antislamische Gruppen wie Pegida sind deren nützliche Idioten, weil sie die Stimmung aufheizen Wenn Islamophobie und Extremismus den Diskurs über den Islam und Migrationspolitik dominieren, wird es gefährlich, für uns alle und unsere Demokratie.