Natürlich können Zorn und Angst, Sorge und Unmut auch wirkungsmächtige Vektoren demokratischer Veränderung sein. Natürlich braucht es auch politische Emotionen als Quellen der Kritik an sozialer Ungleichheit oder struktureller Misshandlung. Nicht die Affekte selbst sind fragwürdig, sondern wenn Menschen darin unbeweglich werden und in ihnen verharren. Ohne Nachfragen, ohne Analyse, ohne Widerspruch verdichten und verhärten sich diese ungefilterten Emotionen oft zu Ressentiments. Sie entkoppeln sich mehr und mehr von der Außenwelt und speisen sich nur noch aus sich selbst. Es ist diese Wut, die sich bei den Bauernprotesten zeigt, die sich blind und taub zeigt gegen alle inneren oder äußeren Zweifel.
“Das Ressentiment ist das, was keine Erfahrung mehr zu machen versteht”, schreibt die französische Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury in ihrem sensationellen Buch “Hier liegt Bitterkeit begraben”, das Ressentiment ist das, was eine Person oder Gruppe im emotionalen Loop gefangen hält, das Ressentiment wiederholt nur mehr den Zorn, es lädt sich an der eigenen Erregung auf. Das Ressentiment beschädigt nicht nur diejenigen, gegen die es sich richtet, sondern vor allem auch die in ihm gefangen zurückbleiben. Die Bitterkeit ist nicht nur eine, die sich auf das Gemeinwesen auswirkt, sondern auf die Verbitterten selbst. Das Ressentiment beraubt diejenigen, die ihm unterliegen, ihrer Handlungsfähigkeit. Das Ressentiment stellt sich allem, was eine Lösung sein könnte für die realen, drängenden ökonomischen, sozialen, politischen Nöte, in den Weg. “Das ist die Gefahr eines konsequent entfalteten Ressentiments”, schreibt Fleury, “es eignet sich nicht mehr für Verhandlung, Austausch und Schlichtung.”
Carolin Emcke, Schluss mit schlechter Laune, in: Süddeutsche Zeitung vom neunten März Zweitausendundvierundzwanzig