Schlagwort: Requiem

Für Kenner

Es ist wahrlich begeisternd, wenn eine musikalische Aufführung, ein Konzert einen Journalisten begeistert. Und wenn der sich müht, seine Leser die Begeisterung spüren zu lassen, sie in den Taumel hineinzuziehen. Aber was mache ich mit dem Satz, der Dirigent nehme das Opus sachlich und nicht romantisch in den Griff? Und was mit der Formulierung, ein Lied stehe beispielhaft für großangelegte De- und Crescendi? Und wie decodiere ich den Satz, daß die Sängerin immer absolut kultiviert der kirchenmusikalischen Stimme Vorrang vor jeder Opernattitüde gebe, wenn ich kein ausgewiesener Musikwissenschaftler, wenn ich kein intimer Kenner und gebildeter Liebhaber ernster Musik bin? Was hat der Leiter der Aufführung getan, wenn der Kritiker schreibt, er habe ein Lied im freudigen Portato gestaltet? Und was hat es mit dem warmen flexiblen Ton des Solisten auf sich, der insbesondere im Diskant glänze? Fragen über Fragen. Fragen, die mich als Laien erweisen, als Unkundigen, als Ungebildeten, als vielleicht interessierten, aber keinesfalls ausreichend qualifizierten Lokalzeitungsleser. Der Qualitätsjournalismus schart die Mehrheit um sich, die Connaisseurs. Und ich scheine, mal wieder, einer winzigen Minderheit anzugehören, der Minderheit der musikwissenschaftlich und requiemtheoretisch schlecht gebildeten wermelskirchener Zeitungsleser, der Banausen. Denn die Lokalzeitung schreibt ja für die Mehrheit der Bürger, für den Mainstream, wie man heutzutage sagt, für die vielen Kenner, nicht die wenigen Ahnungslosen.