Es geht in dieser grenzenlosen Welt um Kommunikation, um Sprache, Ton und Umgang. Das ist eine zutiefst politische Angelegenheit, weil Kommunikation über den Umgang in einer Gesellschaft entscheidet, weil sie das Klima zwischen Staaten bestimmt, weil sie über die Wahrnehmung, pathetisch gesprochen: über die Wahrheit entscheidet – oder das, was viele Menschen als richtig und wahr empfinden. (…) Enthemmte Kommunikation radikalisiert, sie befördert den Hass, sie reißt Barrieren von Anstand und Würde ein. Weil die Hemmschwelle sinkt, steigt das Bedürfnis nach immer radikalerem Wahnsinn. Nicht zufällig haben gerade jene Populisten Konjunktur, die es nicht so genau mit der Wahrheit halten, die ihre Macht auf der Lüge aufbauen, die möglichst schrill, apokalyptisch und undifferenziert daherreden. (…) Der Terror nutzt die Errungenschaften einer freien Gesellschaft und wendet die Werkzeuge der grenzenlosen Kommunikation gegen ihre Erfinder. Das ist eine bittere Lektion gerade für jene Medien, die wie eine gewaltige Umwälzpumpe für Kommunikation funktionieren und sich den Beinamen sozial geben. Weil es aber nicht sozial sein kann, wenn man als Plattform für Verbrechen und Hass dient, müssen Facebook & Co, müssen all die Chat-Foren und Kommunikationsdienste den Missbrauch ernst nehmen. Datenschutzbestimmungen oder die Rechtslage, gerade bei amerikanischen Firmen mit ihrem speziell ausgeprägten Verständnis von Meinungsfreiheit, sind von höchstem Wert. Ohne Wert ist aber das Argument, man trage als Plattform keine Verantwortung für Inhalte. Verantwortung lässt sich nicht abgeben.
Stefan Kornelius, Terror und Medien. Am Scharnier, in der Süddeutschen Zeitung vom achten August Zweitausendundsechzehn