Kategorie: Medien

Sprache, Ton und Umgang

Es geht in dieser grenzenlosen Welt um Kommunikation, um Sprache, Ton und Umgang. Das ist eine zutiefst politische Angelegenheit, weil Kommunikation über den Umgang in einer Gesellschaft entscheidet, weil sie das Klima zwischen Staaten bestimmt, weil sie über die Wahrnehmung, pathetisch gesprochen: über die Wahrheit entscheidet – oder das, was viele Menschen als richtig und wahr empfinden. (…) Enthemmte Kommunikation radikalisiert, sie befördert den Hass, sie reißt Barrieren von Anstand und Würde ein. Weil die Hemmschwelle sinkt, steigt das Bedürfnis nach immer radikalerem Wahnsinn. Nicht zufällig haben gerade jene Populisten Konjunktur, die es nicht so genau mit der Wahrheit halten, die ihre Macht auf der Lüge aufbauen, die möglichst schrill, apokalyptisch und undifferenziert daherreden. (…) Der Terror nutzt die Errungenschaften einer freien Gesellschaft und wendet die Werkzeuge der grenzenlosen Kommunikation gegen ihre Erfinder. Das ist eine bittere Lektion gerade für jene Medien, die wie eine gewaltige Umwälzpumpe für Kommunikation funktionieren und sich den Beinamen sozial geben. Weil es aber nicht sozial sein kann, wenn man als Plattform für Verbrechen und Hass dient, müssen Facebook & Co, müssen all die Chat-Foren und Kommunikationsdienste den Missbrauch ernst nehmen. Datenschutzbestimmungen oder die Rechtslage, gerade bei amerikanischen Firmen mit ihrem speziell ausgeprägten Verständnis von Meinungsfreiheit, sind von höchstem Wert. Ohne Wert ist aber das Argument, man trage als Plattform keine Verantwortung für Inhalte. Verantwortung lässt sich nicht abgeben.

Stefan Kornelius, Terror und Medien. Am Scharnier, in der Süddeutschen Zeitung vom achten August Zweitausendundsechzehn

Verbale Inkontinenz

Nicht alles muss getwittert, auf Facebook geteilt oder einem vermeintlich Vertrauten gesteckt werden. Diese verbale Inkontinenz, das ständige Über-alles-reden-Müssen, die Distanzlosigkeit und die Unfähigkeit zur Diskretion, die sich im Privaten, im Geschäftsleben und in der Politik zunehmend breitmacht, bereitet mir schon lange Unbehagen

Anja Seipp aus Köln in einem Leserbrief in der Süddeutschen Zeitung vom fünfzehnten August Zweitausendundsechzehn

SPD als eigenständige Kraft

Die Ursache für den Niedergang der SPD besteht darin, dass sie nicht als eigenständige politische Kraft erkennbar ist. (…) Die SPD muss ja nicht die Koalition aufkündigen, aber sie muss unbedingt eine eigenständige Europapolitik formulieren und dann ihre Taten mit ihren Worten in Einklang bringen. Und selbst wenn dann Frau Merkel bestimmte Punkte nicht unterstützt, muss die SPD eigenständig vorangehen.

Gesine SchwanRot-Rot-Grün ist die einzige Alternative. Interview mit Stephan Hebel, in: Frankfurter Rundschau vom achtzehnten Juli Zweitausendsechzehn

Von Quoten und Qualität

Denn die Quote, also die Zahl derer, die eine bestimmte Sendung gesehen haben, ist zur entscheidenden Legitimation des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geworden. Zum wichtigsten Argument gegen alle Kritik. Wenn mal wieder jemand kommt und sich mokiert, über die trostlose Machart und die papiernen Dialoge, die dämlichen Storys, die immer gleichen Besetzungen, die Totalredundanz der Drehbücher und die verdammte Geldverschwendung bei jenen Fernsehspielen, welche, nur zum Beispiel, um Viertel nach acht Christiane Hörbiger oder Christine Neubauer durch fadenscheinige Konflikte zu lächerlichen happy endings jagen; wenn wieder jemand bemerkt, dass die wirklich sehenswerten Dokumentationen grundsätzlich erst um halb zwölf Uhr nachts beginnen, zu einer Zeit also, da der werktätige Teil des Volks die Zähne geputzt hat und langsam mal einschlafen sollte: Dann kommt, von den Fernsehspielchefs und Programmdirektoren, immer wieder der gleiche Spruch: dass nämlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wenn es schon von allen seine Gebühren kassiere, auch Programme für alle machen müsse, fürs Volk, die Masse, die Mehrheit. Und nicht nur für die Minderheit der Schnösel, Intellektuellen und Akademiker, welchen man es ohnehin nicht recht machen könne. Und schon deshalb lohnt es sich, die Zahlen genauer anzusehen. (…) Es sind, wenn nicht gerade ein „Tatort“ kommt oder die Bayern in der Champions League spielen, zur sogenannten Primetime, also zwischen sieben und zehn Uhr abends, um die 30 Millionen. Das scheint eine bestürzend hohe Zahl zu sein – allerdings besagt sie auch, dass jene Mehrheit, die doch erreicht werden soll, dass also 50 Millionen Deutsche eben nicht fernsehen. Wenn aber beide Zahlen stimmen sollen, der hohe tägliche Durchschnittskonsum und die riesige Zahl derer, die nicht fernsehen, kann das nur eines heißen: Es gibt sehr viele Menschen, die wenig oder gar nicht fernsehen. Und es gibt eine große Minderheit von Viel- und Dauerguckern. (…) Interessant ist der durchschnittliche Konsum der 14- bis 69-Jährigen. Die sehen 232 Minuten täglich fern. Was nichts anderes heißt, als dass der Durchschnitt von 250 Minuten nur so zustande kommt, dass jene, die älter als 69 sind, ihn nach oben treiben. Aber man tritt unseren Senioren vermutlich nicht zu nahe, wenn man ihnen unterstellt, dass sie sich über anspruchsvolleres Fernsehen nicht beschweren würden. Dass sie von den Programmverantwortlichen als billige Quotenbeschaffer genommen werden, ist jedenfalls keine Seniorenfreundlichkeit. Es ist der reine Zynismus. Wenn man aber tatsächlich die Mehrheit erreichen wollte, also die, die gar nicht oder sehr wenig fernsehen, brauchte man dafür all das, was heute fehlt: Mut und Können.

Claudius Seidl, Das Fernsehen und seine Zahlen. Die große Quoten-Lüge, in: Frankfurter Allgemeine, Feuilleton vom siebzehnten Juli Zweitausendundsechzehn

Ästhetik eines Mörtelrührers

Dass Portugal gewinnt, eine Mannschaft mit der Ästhetik und fußballerischen Ambition eines Mörtelrührers, ist die passgenaue Schlusspointe einer grausam missglückten EM. Gewonnen hat der trostlose Effizienz-Fußball, gewonnen haben Funktionäre, Wettanbieter und Mentaltrainer. Und wahrscheinlich, in der Tipprunde im Büro, ein Typ, der sich “Vollpfosten96” nennt. Es ist alles so traurig.

Gerhard PatzigBeckmanns “Sportschule”, der Lichtblick dieser EM. TV-Kritik, in: Süddeutsche Zeitung vom elften Juli Zweitausendundsechzehn