Kategorie: Medien

Geklauter Kniefall

Auf den ersten Blick machte mir das Foto den Eindruck, eine allenfalls leidlich gelungene Persiflage aus dem Hause der Postillonsmacher zu sein, die das überbordende und kaum einhegbare Ego des bayerischen Ministerpräsidenten aufs Korn nehmen, wozu der sich an der historisch einmaligen Geste des Kniefalls von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau vergeht und einen dürren Abguss liefert, allenfalls eine physische Kopie. Sozusagen die traurig-bedeutungslose Geste jenseits aller Wahrhaftigkeit. Wie gesagt, der erste Blick.

Nur: auf den zweiten Blick verflüchtigen sich die vermuteten Satireproduzenten aus dem Internet. Der Ministerpräsident höchstselbst und seine Entourage sind verantwortlich für die mißratene Geste und ihre Verbreitung in den Netzen.

„Selbstverliebtheit gepaart mit Größenfantasien war immer schon seine ärgste Schwäche. Inzwischen aber hat sie Ausmaße angenommen, die ins Groteske reichen“, schreibt Sebastian Beck heute in seinem Beitrag „Markus Söder. Der grotesk Selbstverliebte“ in der morgigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung über den geklauten Kniefall.

Der treibende Brummlaut des Markus Lanz

Im Gespräch mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten fällt heute besonders stark eine Moderationstechnik auf, die Lanz in den vorangegangenen 1999 Sendungen perfektioniert hat: der treibende Brummlaut.

Spricht die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner, macht Lanz im Schnitt alle zehn Sekunden motivierend „Mmh“ oder „Mhm“. Allein in dieser zweitausendsten Sendung bringt Lanz es auf sage und schreibe (der Zuschauer hat Strichliste geführt) 303 treibende Brummlaute. Hochgerechnet auf alle Sendungen sind das unglaubliche 600 000 zustimmende Brummlaute, die den Redeflow des Gegenübers im Gang gehalten, das konzentrierte Zuhören des Moderators unterstrichen, den Zuschauer in den Wahnsinn getrieben haben. Aber nicht so sehr, dass er abschalten würde, weil diese Eigenart mindestens so sympathisch wie nervig ist.

„Mhm.“ – „Ja.“ – „Interessant.“ – „So.“ – „Ja.“ – „Das ist genau mein Punkt!“ – „Genau.“

Hören wir mal rein in den unvergleichlichen Lanz-zuhör-Sound. Eine Collage des Abends, ein Destillat des anfeuernden Ganz-Ohr-Seins, angereichert mit den ebenfalls stilbildenden Einzelwortwiederholungen und Nebenbei-Einwürfen des am äußersten Sesselrand sein Kinn befühlenden Moderators.

„Mhm.“ – „Ja.“ – „Interessant.“ – „So.“ – „Ja.“ – „Das ist genau mein Punkt!“ – „Genau.“ – „Mit der Bitte um kurze Antwort.“ – „Mhm!“ – „Mmh.“ – „Mhm.“ – „Ja.“ – räuspert sich – „Hm-hm-hmm!“ – „4000 Kilometer, glaube ich.“ – „Mmh.“ – „Mhm.“ – „Ja!“ – „Halbleiter.“ – „Den gibt es nicht! Ja! Ja!“ – „Mhm.“ – „Mh.“ – „Äquidistanz.“ – „So!“ – „Amerika.“ – „Brasilien.“ – „Der sogenannte globale Süden.“ – „Mmh.“ – „In der Tat.“ – „Schönen guten Abend nach Nairobi. Was ist der Grund des Erfolgs der Chinesen in Afrika?“ – „Mhm. – „Mhmhm.“ – „Okay!“ – „Hahaha!“ – „Mmh.“ – „Was geht da vor sich?“ – „Mmh.“ – „Die chinesische App Tiktok.“ – „Was heißt das genau?“

Bernhard Heckler, Der Talk-Monolith. 2000. Sendung Markus Lanz, in: Süddeutsche Zeitung vom vierundzwanzigsten Oktober Zweitausendvierundzwanzig

Quasselstrippe

Was nimmt der Kommentator eines Fußballspiels im Fernsehen von der Wahrnehmung der Zuschauer und deren Urteilsfähigkeit an, wenn er in das Mikrophon spricht: Aber leider kein Tor? Es ist so furchtbar, wenn Kommentatoren texten, was wirklich auch der letzte Zuschauer mitbekommt.

Bella Retha

Claudia Neumann ist eine würdige Nachfolgerin von Béla Rethy. Eine Bella Retha sozusagen. Dieselbe permanent schrill aufgeregte Stimme eines Menschen unter Druck, der vor einer verschlossenen WC-Tür vergeblich Einlass begehrt.

Netzfund und mit vergnüglich getippter Hutkrempe bei Axel Hegmann auf Facebook geklaut …

Funkstille

Wenn Fußball-Experten, so gut sie als aktiver Kicker auch immer gewesen sein mögen, neben einem Journalisten sitzend als Co-Kommentator für Fußballübertragungen ein Zubrot verdienen, trägt das leider nicht wirklich zum besseren Verständnis des Geschehens bei den Zuschauern bei. Experten neigen zumeist dazu, wortreich die Winkelzüge der Trainer und ihrer Stäbe darzulegen, die Matchpläne zu übersetzen, die Geheimnisse der Spielstrategien, der Systeme zu decodieren. Da kann sich der Kommentator, dessen eigentliche Aufgabe das alles wäre, dann nicht lumpen lassen und muß sich als ebenbürtiger und wortstarker Fußballversteher erweisen. Und schon hat man ein Gesprächsgeplänkel am Mikrophon, das nachgerade nach Funkstille schreit.

Bella Retha

Claudia Neumann ist eine würdige Nachfolgerin von Béla Rethy.
Eine Bella Retha sozusagen.
Dieselbe permanent schrill aufgeregte Stimme eines Menschen unter Druck, der vor einer verschlossenen WC-Tür vergeblich Einlass begehrt.

Von Axel Hegmann, gefunden auf Facebook