Das Wort »alte Heimat« ist voll melan-cholischer, das Wort »neue Heimat‹ voll optimistischer Wehmut. Das Wort Völkerwanderung klingt mißverständlich, zweideutig, weil Wanderung und Wandern so friedliche Wörter sind. In Wahrheit war Völkerwanderung immer Völkerverdrängung; nie ging das ohne Gewalt, da wurde verschleppt, mitgeschleppt, zurückgelassen; mancher, der im Sinne des politischen terminus technicus »heimatvertrieben« ist, hat sich hier besser zurechtgefunden als mancher, der seine Heimat im Sinne dieses terminus technicus nie verlor. Das zerstörte Köln war nicht die alte, es war eine zweite Heimat, die schon wieder verloren ist.
Vorwort von Heinrich Böll in: Zeit der Ruinen. Köln am Ende der Diktatur, Herausgegeben im Auftrage der Stadt Köln von Hans Schmitt-Rost, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Köln (2. Auflage) 1965