Ja, dann …

Fretterode. Das mußte man bislang nicht kennen. Irgendwo im thüringischen Nirgendwo gelegen. Nun aber hat das Landgericht Mühlhausen im sogenannten Fretterode-Prozess zwei bekannte Neonazis für den Angriff auf zwei Journalisten zu einer Bewährungsstrafe beziehungsweise der Leistung von Sozialdienststunden verurteilt. Einer der Rechtsextremisten hatte einem Opfer im April Zweitausendundachtzehn mit einem Schraubenschlüssel den Stirnknochen gebrochen, der andere Journalist wurde mit einem Messer angegriffen. Der MDR Thüringen zum Urteil: “Mit dem Urteil blieb das Gericht deutlich unter der Forderung von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Die Staatsanwaltschaft hatte für den jüngeren der beiden Angeklagten eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, gefordert. Für den älteren der beiden Angeklagten plädierte der zuständige Staatsanwalt auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten.” In der Thüringer Allgemeine schreibt Fabian Klaus: “Zwei Journalisten recherchieren im Umfeld von Rechtsextremisten und bezahlen das fast mit ihrem Leben. Für einen Schlag auf den Kopf, Folge: Schädelbruch, und einen Stich mit dem Messer gibt es hierzulande eine Bewährungsstrafe und ein paar Sozialstunden. Schon ohne die vielfach offenkundig gewordene politische Motivation der Täter wäre das ein Skandal.” Von einer “Katastrophe für die Pressefreiheit in Thüringen” spricht die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss. Es habe sich bei den Angriffen auf die beiden Journalisten gar nicht um einen Angriff auf die Pressefreiheit gehandelt. “(Das Gericht) glaubte den Angeklagten, dass sie ihre Opfer nicht für Journalisten, sondern für Antifa-Aktivisten gehalten hätten.“ Ja, dann … Das Gericht argumentiert, dass einer der Angreifer ”Das sind Zecken!“ gerufen habe. Ja, dann … Und laut TAZ könne man die Weltsicht der Richterin zusammenfassend so wiedergeben: ”Die Bezeichnung ‚Zecken‘ sei ein normaler Begriff und lasse nicht etwa Rückschlüsse auf die politische Gesinnung der Täter zu.“ Ja, dann … Daraus ergibt sich leicht eine Handreichung: ”Wenn Du als militanter Nazi jemanden verfolgst, abdrängst und ins Bein stichst, immer sagen, es war eine ‚Zecke‘, dann akzeptiert das Gericht das womöglich als Auseinandersetzung zwischen ‚Kontrahenten‘ und wertet das als strafmildernd.“ So der Politikwissenschaftler Michael Lühmann. Und Fabian Klaus zieht in der oben bereits zitierten Thüringer Allgemeinen das Fazit: ”Dieses Urteil reiht sich in eine immer länger werdende Liste ein und bestätigt einmal mehr: Rechtsextremisten, die in Thüringen schwere Gewalttaten begehen, können mit Milde rechnen – ob das Land nun von LinkenSPD und Grünen regiert wird oder nicht.” This Land Is Your Land, This Land Is My Land …

Quelle: René Martens, “Eine Katastrophe für die Pressefreiheit in Thüringen“, in: Altpapier

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