Undercut

Ehrlich gesagt, wußte ich ewig nicht, was Undercut bedeuten könnte. Unterschnitt? Konnte ich nichts mit anfangen. Obwohl ich doch als Kind, wie die meisten Nachbarskinder auch, undercutgeschädigt war. Wir bekamen seinerzeit beim Friseur die Haare obenrum gestutzt und hinten sowie an den Seiten wurde der Kopf nachgerade rasiert. Klitzekurz. Das war kalt und unangenehm. Und sah scheiße aus. Als Jugendlicher habe ich mich vom Undercut befreit. Und vom Friseur auch. Nie mehr wieder habe ich mich in die Hände dieser Profession begeben. Nie wieder wurden die Kopfseiten fast kahl geschoren. Im Gegenteil. Das Haar durfte wachsen, so lange es wachsen konnte. Nun bin ich in einem Alter, da das Haupthaar zusehends lichter wird und es also ohnehin keinen mehr Sinn macht, einen Hairdresser aufzusuchen. Vor allem aber deswegen, weil der Undercut fröhlich Urständ feiert. Zunächst haben sich reiche Fußballer diesen Haarschnitt geleistet, der bei mir seit den Erfahrungen in Kinderzeiten verpönt und seit den Zeiten jugendlicher Rebellion und erwachenden politischen Interesses als SS-Haarschnitt galt. SS-Leute und Wehrmachtssoldaten hatten diese klitzekurz rasierten Seiten bei längerem Haar oben auf dem Schopf. Mit dieser Bewertung, dachte ich, sei ich alleine und war demnach mit entsprechen öffentlichen Äußerungen vorsichtig. Nun aber hat in Köln die Friseur-Legende Heinz Merges Gleiches von sich gegeben. Im Kölner Boulevardblatt Express nennt Merges den Starfußballerschnitt „Hitler Youth Cut”. So werde der Undercut im englischsprachigen Raum genannt. Chapeau. „Ich habe den Krieg in Brauweiler überlebt. Da haben die Deutschen 1945 einen desertierten Soldaten an einem Laternenmast aufgehängt Wir wurden gezwungen, das anzusehen”, erzählt der einstige Friseurweltmeister laut Express. „Ich kann und werde das niemals vergessen: Die Leute, die den armen Mann da hingerichtet haben, hatten alle diese Frisuren, wie sie heute so viele Fußball-Profis tragen.” Natürlich: Nazi ist man im Kopf, nicht auf dem Kopf. Da ist Merges zuzustimmen. Aber löblich, daß sich Merges bis heute weigert, Männern die Undercutfrisur zu verpassen. Was sich Ronaldo, Reus & Co. heute trimmen lassen, war seinerzeit schon bei Horst Wessel zu bestaunen.

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