Überhaupt lässt sich – wenn diese Zwischenbemerkung hier erlaubt ist – die Frage nach dem Verhältnis der deutschen Literatur zum Islam knapp und einfach beantworten: Der Islam gehört zur deutschen Literatur. Er gehört zu ihr von Adam Olearius’ barocken Nachdichtungen Sa’dis über Lessings Studien zum islamischen Monotheismus und Friedrich Rückerts Nachdichtungen sufisischer Mystiker bis zu den Duineser Elegien, deren Engel-und Inspirationsbilder Rilke selbst auf die Heimsuchung Mohammeds durch den Erzengel Gabriel zurückführt; von den Reiseberichten Engelbert Kaempfers und Carsten Niebuhrs über Karl Mays religionsgeschichtlich wissbegierigen Orient-Zyklus bis zu den expressionistischen Mohammed-Bildern Klabunds–und so fort. Kein anderer deutscher Dichter aber hat sich so intensiv und innig, so ausdauernd und differenziert mit der Gestalt des Mohammed, mit dem Koran, den er vergleichend in unterschiedlichen Übersetzungen las, mit orthodoxer und heterodoxer muslimischer Theologie befasst wie Goethe, vom Mahomet-Drama der Sturm-und-Drang-Jahre bis in die Gedichte und Abhandlungen der Divan-Zeit. – Ende der Zwischenbemerkung.
Heinrich Detering, Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten [Was bedeutet das alles?], Reclams Universal-Bibliothek