Monat: September 2010

“Geistesverwirrung”

“Sprengsatz” ist Blog des konservativen Publizisten Michael Spreng überschrieben. Heute hat er mal wieder gesprengt. Unter dem Titel “Die Geistesverwirrung in der CDU” schreibt er unter anderem:

Es ist eines der absurdesten Missverständnisse der letzten Zeit, zu glauben, Erika Steinbach sei konservativ. Und noch absurder ist es, an ihrem Beispiel eine Diskussion darüber zu führen, ob die CDU noch konservativ ist. Denn Erika Steinbach ist nicht konservativ, sie ist reaktionär. Sie lässt all die Tugenden vermissen, die einen wirklich Konservativen ausmachen: Haltung, Wahrhaftigkeit, Anstand, Stil, gutes Benehmen.

Wie kann im Ernst über den Verlust des Konservativen in der CDU diskutiert werden am Beispiel einer Frau, die Geschichtsfälscher verteidigt, die Polen eine Mitschuld am Ausbruch des 2. Weltkrieges geben wollen? Wie konnte im Ernst Frau Steinbuch zur konservativen Symbolfigur hochgeschrieben werden, die dem polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski, einem Auschwitz-Überlebenden, öffentlich einen “schlechten Charakter”  unterstellt?

Die Diskussion in der CDU (und in den befreundeten Medien) kann nur als Ausdruck einer Geistesverwirrung betrachtet werden. Da die Beteiligten selbst nicht mehr wissen, was konservativ ist, glauben sie, Erika Steinbach und der unselige Thilo Sarrazin seien konservativ. Damit werten sie eine der drei entscheidenenden Grundrichtungen der CDU/CSU dramatisch ab, machen sich gewissermaßen selbst und ihre Partei billig und schlecht, indem sie die Diskussion im falschen thematischen und personellen Kontext führen.

Konservativ hat etwas mit Haltung zu tun, mit Prinzipienfestigkeit, mit Mut. Konservativ ist man nicht, indem man es behauptet, sondern indem man es im besten Sinne vorlebt. Dazu gehören die klassischen Sekundärtugenden: Standfestigkeit, Treue, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit. Genau deshalb ist die CDU/CSU nicht mehr konservativ: ihre Politik ist nicht prinzipientreu, nicht standfest, nicht verlässlich. Und Schwarz-Gelb, die Partnerschaft mit der FDP, spricht allen Prinzipien von partnerschaftlicher Treue, von Stil und gutem Benehmen Hohn. Die CDU/CSU hat die konservativen Tugenden verloren, das ist ihr Problem.

Gut gegeben. Nur: Haltung, Wahrhaftigkeit, Anstand, Stil, gutes Benehmen, Standfestigkeit, Treue, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, all dies sind keineswegs nur konservative Tugenden.  Es sind bürgerliche Werte, zu denen sich etwa Liberale oder Sozialdemokraten ebenso bekennen, sie ebenso vorleben können, wie Konservative es sollten. Konservative haben auf derartige Charaktereigenschaften keineswegs einen Alleinvertretungsanspruch.

Krachender Populismus gegen schwierige Pädagogik

Eine Schule in Wermelskirchen, bennant nach dem großen Pädagogen, Menschenfreund, Sozialreformer und Philosophen Johann Heinrich Pestalozzi. Eine Sonderschule. Und: ein Tatort. Die Tat: Ein Schüler wird von Mitschülern geschlagen, getreten, geschubst. Die Folge: Der mißhandelte Schüler, an Asperger Autismus erkrankt, erleidet Prellungen und entwickelt Ängste. Seine Eltern haben Anzeige erstattet und ihr Sohn geht derzeit nicht in die Schule. Über den Vorfall haben beide lokale Zeitungen ausführlich berichtet. Die Druckerschwärze war noch nicht getrocknet, als schon der krachende Populismus einsetzte: Henning Rehse, Fraktionschef der WNKUWG, will der Erste sein, wie immer, und packt die ganz große Keule aus: Er fordert den sofortigen Schulverweis der jugendlichen Täter. “Solche Täter verdienen keine Kuschelsozialpädagogik oder Antieskalationsstrategien. Sie und mögliche Nachahmer verdienen nur ein ganz deutliches Signal: so nicht und jetzt raus!” Ob in der Pestalozzischule Kuschelsozialpädagogik betrieben wird oder nicht, ob dort Antieskalationsstrategien angewandt werden oder nicht, welche Hintergründe der vorliegende Fall hat, ob Lehrer oder Jugendamt versagt haben oder nicht – das alles ist Henning Rehse vollkommen gleichgültig. Hauptsache, die populistische Keule konnte in Betrieb gesetzt werden. Man möchte Henning Rehse das Wort Pestalozzis zurufen: “Das Wesen der Menschlichkeit entfaltet sich nur in der Ruhe.” Und, so frage ich mich und vor allem Henning Rehse: Wohin soll die Gesellschaft mit Schülern, die von einer Sonderschule verwiesen werden? Was machen wir mit jugendlichen Tätern? Knast? Nochmal Pestalozzi an Henning Rehse: “Man muß das Unglück mit Händen und Füßen, nicht mit dem Maul angreifen.” Die Staatsanwaltschaft wird das Verfahren wohl einstellen, denn der Täter ist ein neunjähriger, also noch nicht strafmündiger Schüler. Interessant wird der Fall wohl nur jenseits des unbedachten Politikertumults. Denn bereits im April, so berichtet die Bergische Morgenpost, habe der Schulamtsdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises, Herbert Schiffmann, in einem Gutachten bekräftigt, daß das jugendliche Opfer einen “Integrationshelfer” benötige, also einen Schulbegleiter. Das Jugendamt aber hat dessen Finanzierung abgelehnt. Jugendamtsleiterin Birgit Ludwig-Schieffers, so wird sie in der Morgenpost zitiert,  dürfe über die Gründe aber nichts sagen. Sie sei aber offen für ein Gespräch mit den Politikern, sicherte Ludwig-Schieffers zu. Nun, da der Fall in der Welt ist, in der heilen, idyllischen und bislang gewaltfreien Welt des Bergischen Landes, angeheizt wird durch radikale und unbedachte Äußerungen und Formulierungen der lokalen Politiprominenz, nun wird der Mantel des Schweigens übers Handeln – oder Nichthandeln – der Verwaltung gedeckt. Das kann ja wohl nicht angehen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information. Die Bürger dürfen erfahren, warum das Jugendamt ablehnt, was das Schulamt des Kreises empfiehlt. “Die allgemeine Schiefheit der Menschen in allen bürgerlichen Verhältnissen und ihre allgemeine Verhärtung im gesellschaftlichen Zustand ist eine Folge der innern Verstümmelung der Naturkräfte.” Na klar, Pestalozzi.

Glaube

“Glaube nichts, weil es ein Weiser gesagt hat. Glaube nichts, weil alle es glauben. Glaube nichts, weil es geschrieben steht. Glaube nichts, weil es heilig ist. Glaube nichts, weil ein anderer es glaubt. Glaube nur das, was du selber als wahr erkannt hast.”

Buddha

Unrechtseinsicht

Drei “branchenübliche” Informationsreisen, “gasfachliche Expeditionen”  nach Amsterdam, Norwegen und Straßburg hat der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Wermelskirchener Stadtwerke, Hermann Opitz, vor dem Kölner Landgericht “eingeräumt”. Allerdings habe sich der Stadtverordnete der WNKUWG seinerzeit nicht vorstellen können, gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Heute indes würde er sich an solchen Reisen nicht mehr beteiligen. Diese “Unrechtseinsicht” hat nun dazu geführt, daß das Verfahren gegen Opitz und andere gegen Zahlung einer Geldbuße beendet wurde. “Gasfachliche” Informationsveranstaltungen, teils mit den Ehefrauen, Helikopterflüge auf norwegische Gasplattformen, ein Besuch in Straßburg, bei dem auf die “lästige” Besichtigung eine Gasspeichers verzichtet wurde, so sieht die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Energiewirtschaft aus. Und bei solchen Veranstaltungen sollen einem Menschen, der im Stadtrat die Interessen der Menschen dieser Stadt vertritt und über die Belange der Kommune entscheidet, keine Zweifel gekommen sein? Da soll den Beteiligten niemals der Gedanke gekommen sein, daß die Begünstigten nur positiv beeinflußt werden sollten? Hermann Opitz sollte zumindest jetzt, nach dem Verfahren, sein kommunalpolitisches Mandat wegen erwiesener purer Einfalt sofort zurückgeben. Wir normalen Menschen, ohne Mandat oder Amt oder juristische Ausbildung, nennen das Ganze eher politische Einflußnahme, gegebenenfalls Korruption, auf keinen Fall aber persönliche Redlichkeit oder politische Unabhängigkeit.

Erstklassig vorgeführt!

Michael Stürzenberger heißt der “publizistisch irrelevante Mikrophonhalter” (Schockwellenreiter) im folgenden Video. Ehemals Pressesprecher der CSU in München, heute Mitschreiber in einem rassistischen Blog (PI). Byzanz, wie Stürzenberger seine Machwerke auch signiert, wurde beim kläglichen Versuch eines Straßeninterviews “von zwei Teenagern kürzlich nach allen Regeln der Kunst am Nasenring durch München gezerrt. (…) Maria und Sab(r)ina, ihr seid meine Heldinnen!” Originalton Schockwellenreiter. Straßeninterviews sind offensichtlich die Sache Stürzenbergers nicht. Vermutlich aber kann der ehemalige Pressesprecher noch viel mehr einfach nicht.

Einwurf von links

Marcell Jansen hat eingeworfen, von links natürlich. Auf seiner Homepage unter der Rubrik “Einwurf”. Und getroffen. Die Zunft der TV-Kommentatoren. “Es ist mir oft ein Rätsel, wie Kommentatoren ein Spiel sehen und wie sie den Zuschauern eine Meinung mitteilen, die absolut nicht dem entspricht, was auf dem Platz geschieht.” Er meint vor allem Gerd Gottlob, der am vergangenen Freitag das Länderspiel gegen Belgien in der ARD kommentiert hatte. “Es ist doch bedauerlich, das der gute Herr im Zeitalter der modernen Technik und Kommunikation noch nicht einmal wusste, das ich aufgrund einer Verletzung ausgewechselt wurde. Stattdessen bastelte er sich eine Erklärung zusammen – wohlgemerkt vor einigen Millionen Zuschauern – die absolut nicht zutreffend war und mich sehr negativ dargestellt hat. Ich war immer der Meinung, ein Kommentator beschreibt das Geschehen auf dem Spielfeld und, wenn er gut ist, bringt er noch Emotionen und Stimmung rüber, sofern dies das Spiel erlaubt. (…) Die Tendenz hier in Deutschland ist jedoch eine andere. Es erweckt bei mir manchmal den Eindruck, als wenn die Kommentatoren sich als Popstars fühlen und sie der Meinung sind, sie haben den Fußball erfunden.” Jeder Trainer müsse eine Lizenz erwerben und damit seine Kompetenz unter Beweis stellen. Und, so fragt Kicker Jansen weiter, wie verhalte sich das bei den Kommentatoren? “Wichtige Informationen wie z.B. wie lässt der Trainer spielen, welche Aufgaben hat der einzelne Spieler, wie ist die taktische Ausrichtung usw. haben sie jedoch nicht.” Er, Jansen, habe sich schon gefragt, warum nicht überall im Fernsehen Spiele auch ganz ohne Kommentar angesehen werden könnten. Das war beileibe kein Einwurf. Das war ein voller Spannstoß mit der linken Klebe Richtung Reportertribüne.

Mama Lion: Candy Man

Dem Schockwellenreiter sei Dank für diesen Fund: “Lynn Carey ist eine amerikanische Sängerin, Songwriterin, Schauspielerin und Photomodell. Sie war die Leadsängerin der Band Mama Lion, sie spielte den kompletten Gesangspart in Russ Meyers Kultfilm Blumen ohne Duft (Beyond the Valley of the Dolls) über eine fiktive Girlie-Rockband ein und sie war Pet of the Month im Penthouse Magazin vom Dezember 1972. Ihr IQ liegt bei über 160.” Doll. Sie sieht viel besser aus, als der IQ vermuten läßt, und singt auch noch viel besser. Eine Musikladenaufnahme vom 2. Mai 1973.

Ja, das Schreiben und das Lesen…

Wahrscheinlich muß man sich Jahr für Jahr wiederholen, wenn das Datum auf den achten September fällt. Also gut. Heute ist der Welt-Alphabetisierungstag. Und die Bedeutung dieses Tages hat sich im vergangenen auch für das Land der Dichter und Denker nicht geändert. Immer noch leben in unserem Land geschätzt etwa vier Millionen Menschen deutscher Herkunft, die nicht oder nicht zureichend lesen und schreiben können. Vier Millionen deutschsprachige Erwachsene, die etwa den Beipackzettel eines Medikaments nicht erfassen, ein Rezept nicht lesen können, einen Fahrplan nicht verstehen. Immer noch leistet sich eines der reichsten Länder der Welt einen permanenten, aber öffentlich kaum bekannten Bildungsskandal. Und immer noch leben in unserem Land etwa 76 Millionen Menschen, die das alles nicht glauben wollen.