Tag: 30. Januar 2010

“Der Finanzkapitalismus entwertet die menschliche Arbeit”

Friedhelm Hengsbach, Jesuit und  Sozialethiker, hat den windschnittigen Staatsverächtern und neoliberalen Apologeten der Selbstheilungskräfte des Marktes die Leviten gelesen. In der Sächsichen Zeitung.

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird als beispiellos betrachtet. Zum einen, weil sie mit einem radikalen Wechsel der herrschenden Denkmuster verbunden ist. Die marktradikalen wirtschaftsliberalen Parolen, nämlich auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu vertrauen und den schlanken Staat als den besten aller möglichen Staaten anzusehen, sind wie über Nacht aus den Köpfen und Herzen der Wirtschafts-Eliten gewichen. Zum andern sind drei Dimensionen der Krise offensichtlich: eine monetäre, ökologische und eine soziale Dimension. Der Finanzkapitalismus erzeugt ökologische und soziale Folgeschäden.

Die Attraktivität des anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus hat bewirkt, dass der „Rheinische Kapitalismus“, die sogenannte „Deutschland AG“, gleitend transformiert wurde. Der historische Kompromiss zwischen Arbeit und Kapital wurde aufgekündigt, Arbeitgeber entzogen sich der Tarifbindung, die personelle und finanzielle Verflechtung zwischen Unternehmen und ihren Banken wurde gelockert, die solidarischen, umlagefinanzierten Sicherungssysteme wurden deformiert.

Der Finanzkapitalismus hat zur Folge, dass die menschliche Arbeit entwertet und entwürdigt wird. Die Wirtschaft wird dominiert durch die Kapitalmärkte, die Märkte für Wertpapiere, insbesondere für Aktien. Diese Märkte gelten als Märkte zur Unternehmenskontrolle. Der Wert eines Unternehmens spiegelt sich in einer reinen Finanzkennziffer, dem „shareholder value“, der die auf die Gegenwart bezogenen zukünftigen Finanzströme abbildet. Da es sich um zukünftige Zahlungsströme handelt, unterliegen sie subjektiven Erwartungen. Sie sind im Aktienkurs ablesbar. Folglich suchen die Manager den Aktienkurs zu steigern, um der Gefahr einer feindlichen Übernahme zu entgehen. Weiterlesen

Mehrwertsteuertollhaus

Wie die Tagesschau meldet, ist in der FDP eine Debatte um die Mehrwertsteuer und die umstrittene Sonderregelung für Hotelbetriebe entbrannt. Der stellvertretende Vorsitzende der Liberalen, Andreas Pinkwart, fordert sogar eine Aussetzung des eben erst beschlossenen Gesetzes. Ein “bürokratisches Monstrum” sei entstanden, da die unterschiedlichen Steuersätze für Übernachtungen und Frühstück einen unzumutbaren Mehraufwand bei den Reisekostenabrechnungen bedeuteten. Auch der FDP-Finanzexperte Volker Wissing setzt sich sich für Änderungen der Mehrwertsteuerregeln ein. Der Regelsteuersatz solle 19% betragen, der ermäßigte Satz von sieben Prozent nur für den existenznotwendigen Konsum wie Lebensmittel gelten. Die Tagesschau weiter:  “Lobbygruppen hätten im Laufe der Jahre zu viele Sondertatbestände in das Mehrwertsteuerrecht hineinverhandelt, sagte der FDP-Politiker. Damit müsse Schluss sein, so Wissing. Er lehne es daher ab, den Mehrwertsteuersatz auf Kinderartikel, Bahnreisen, Öko-Produkte oder ähnliches auf sieben Prozent zu senken.” Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ernst Burgbacher, ebenfalls FDP, hält dagegen: “Die Bundesregierung wird den reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie nicht aussetzen. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz ist nötig, um Wettbewerbsverzerrungen in der Hotelbranche zu beseitigen und so Arbeitsplätze, Beschäftigung und Wachstum zu sichern.” Ein Tollhaus, diese FDP. Oder doch nur NRW-Landtagswahlkampf?