Monat: Juni 2016

Erwischt

Als “eine Form von Betrug” hat der FDP-Vorsitzende, Christian Lindner, den VW-Abgasskandal bezeichnet, da man sich ja “nicht darauf verlassen kann, was bei den Abgasmessungen angegeben wird”. Lindner kritisiert die SPD, die im Land Niedersachsen die Regierung anführt. “Unter deren Augen passiert dieser Skandal und es erhalten Manager dann auch noch Millionenboni. Da frage ich mich, welches Verständnis von Leistungsgerechtigkeit eigentlich die SPD und vor allem Herr Weil haben.” Es sei fraglich, ob noch Vertrauen in die Konzernleitung möglich sei. Tja. Erwischt, liebe SPD. Bei Kungelei mit Wirtschaftsbossen. Von einem Liberalen mit Wirtschaftsnähe.

 

Kopp en d’r Sand

Ming Nerve jöcke lichterloh …

Dä Lenz es do die Jedanke sin frei

Ävver denk nit ze laut

Dat jitt nur Expliziererei

Dä Scharly hät en kugelsichere Nasenscheidewand

Ming Nerve jöcke lichterloh

Minge Kopp will en d`r Sand

Dä Mick dä häut dat Lis bahl jeden Daach an et Ohr

Ävver saach et keinem wigger

Die zwei hann Militärzensur

Die sin beids bei ihrem Bichbap

Dousend Rusekränz em Brand

Ming Nerve jöcke lichterloh

Minge Kopp will en d`r Sand

Luur wie alles blüht luur wie alles flupp

Luur wie alles brenne kann em Rubbedidupp

„Wie du stehs eez jetz op ??“

Ich saach „Ich levv em Ovendland“

Un ming Nerve jöcke lichterloh

Minge Kopp will en d`r sand

Un dat Biggi hätt en Krise weil ihre Puddel hät dä Pips

Ejal wat ich däm Udo sage

Ich tritt ihm immer op dä Schlips

Weil singe Benz fährt jetz ömlackiert

En nem andre Land

Un sing Nerve jöcke lichterloh

Singe Kopp will en d`r Sand

Un dä staatse jraue Panthe hadden jään

Jet Fleisch vum Kalv

Un die Lolitas lötsche Fröhling

Ävver traue sich nur halv

Die neu Rakete treffe sauber

Un ming Dräum sin unbemannt

Ming Nerve jöcke lichterloh

Minge Kopp will en d`r Sand

Maach kein Schau wäje däm Deckel

Un dummer noch en Fläsch

Du weiss wenn ich jekunnt hätt

Hätt ich ziggisch affjekäsch

Du weiss dä nächste Eezte

Es en Schlang em Kningsjewand

Ming Nerve jöcke lichterloh

Minge Kopp will en d`r Sand

Die Vernunft und das Stoffläppchen mit dem Blutstropfen

Hier habe ich vor zweieinhalb Jahren schon geschrieben, daß “eine weitere Reliquie den Besucheransturm auf den Kölner Dom steigern” soll, nämlich ein “StoBildschirmfoto 2016-06-06 um 08.47.53ffläppchen mit einem Blutstropfen” des gewesenen Papstes Johannes Paul II.. Und mit dieser Ausstellung werde die Vernunft bloßgestellt. Jetzt hatte die göttliche Vorsehung ein Einsehen. Das Stoffläppchen ist geklaut worden, wie der Remscheider General-Anzeiger heute zu vermelden weiß. Irgendjemand hat, vermutlich sogar in göttlichem Auftrag, der menschlichen Vernunft wieder auf die Sprünge geholfen und dem kindlichen Aberglauben an ein Stoffläppchen mit dem Blutstropfen eines verstorbenen Kirchenoberhauptes, der selber nur Mensch und nicht Gott war oder heilig, den Garaus gemacht. Durch Diebstahl zwar, aber immerhin hat der der Vernunft jetzt wieder zu ihrem Recht, ihrem Vorrang gegen Idolatrie, gegen Götzendienst verholfen. Gut.

Die Macht des Wortes

Jetzt ist er wieder im Gerede. Edmund Stoiber. Als Nachfolger von Gauck auf dem Stuhl des Bundespräsidenten. Stoiber wird also für ein Amt gehandelt, dessen eigentliche Kaft und Stärke aus der Macht des Wortes seines Inhabers besteht. Auf dem Neujahrs-Empfang der CSU München am einundzwanzigsten Januar Zweitausendzwei hat dieser Bundespräsidentenkandidat eine berühmte Rede gehalten, die “Transrapidrede”. Jonny König edelt diese Rede zur Kunst.

“Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München … mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen … am … am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug. Zehn Minuten. Schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in Heathrow in London oder sonst wo, meine sehr … äh, Charles de Gaulle in Frankreich oder in … in … in Rom.

Wenn Sie sich mal die Entfernungen anschauen, wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um ihr Gate zu finden. Wenn Sie vom Flug … vom … vom Hauptbahnhof starten – Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen in … an den Flughafen Franz Josef Strauß.

Dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München. Das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern … an die bayerischen Städte heranwächst, weil das ja klar ist, weil auf dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen.”

Klima-Wandel

Übrigens: Gestern war meteorologischer Sommeranfang. Der höchste Sonnenstand über der Nordhalbkugel wird zwar erst zum kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni erreicht. Aber Hand aufs Herz: Der Sommer hängt uns doch schon angesichts der aktuellen Chaoswochen zum Halse raus. Viele Sommermetaphern und -empfindungen kommen uns nicht nur furchtbar antiquiert und deplaziert vor, sie sind auch klimatologisch höchst fragwürdig geworden. Und zwar keineswegs auf der spekulativen Ebene. Evidenz dafür ist ausreichend vorhanden.

Die Klimazonen auf dem Planeten verändern sich, weil sie von Natur aus veränderlich sind. Aber wie lange sollen sich Meteorologen, die wie kaum eine zweite Forschergilde öffentlich Gehör finden, hinter einem ominösen statistischen Rauschen verstecken, nur weil sie das Offenkundige – den beschleunigten Klimawandel – als politische Korrektheit und deswegen als unangemessene wissenschaftliche Interpretation betrachten? Die meteorologische Expertise steckt selbst in einem Tiefdrucksumpf. Sie täte auch deshalb gut daran, ihre verquasten klimatologischen Sprachregularien aufzugeben, weil sie mit zweideutigen Ausflüchten die antiwissenschaftlichen Ressentiments nur mehr schürt. Dass die AfD im Gleichklang mit dem amerikanischen Präsidentschaftsbewerber Trump ausgerechnet nach dem historischen Triumph des Pariser Weltklimavertrags selbst die seriösesten Aussagen zum globalen Wandel attackieren, ist mehr als ein Wink, dass die Menschen zwar viel übers Wetter, aber wenig genug über den Klimawandel wissen.

Joachim Müller-Jung, Klimawandel. Der unglaubliche Eiertanz der Meteorologen, in: Frankfurter Allgemeine von zweiten Juni Zweitausendsechzehn

Von der Betriebstemperatur der Demokratie

Ja, die Demokratie mag Fehler haben. Aber unter allen politischen Systemen ist sie dasjenige, das durch interne Kritik stärker werden kann, nicht schwächer. Nur, je komplizierter Demokratie wird, desto genauer muss die Kritik ausfallen. So wie sich heute kein Automotor mehr mit Werkzeug aus den 1960er Jahren reparieren lässt, so wenig Hebelkraft bietet die System-Sicherheit von einst gegen die Verunsicherung von heute.

Dabei ließe sich eines durchaus vom Gestern lernen: Die Demokratie braucht eine gewisse Betriebstemperatur, damit sie flüssig bleibt. Nicht jeder Zweifler verdient es, zum Ketzer stilisiert zu werden. Und nicht jeder Ketzer gehört verbrannt. Kann dieses Land zum Beispiel nicht ganz froh sein, dass Angela Merkel in Horst Seehofer einen zuverlässigen Widersacher hat, selbst wenn der Stil bisweilen nervt? Wer jede Meinungsverschiedenheit zur Störung des politischen Friedens aufmotzt, muss sich nicht wundern, wenn die Wähler gegen genau diesen Frieden rebellieren. Demokratie lebt vom Zweifel. Zu wenige Zweifel in ihr führen deshalb dazu, dass zu viele Zweifel an ihr wachsen.

Jochen Bittner, Demokratie. Läuft ihre Zeit ab?, in: Die Zeit, Vierundzwanzig / Zweitausendsechzehn vom zweiten Juni