Tag: 19. März 2015

Bekenntnisschule

Neunzehnhundertsiebenundfünfzig wurde ich eingeschult, in die evangelische Volksschule Porz. Neununddreißig Kinder waren wir damals in der Klasse von Fräulein Hoffman. Direkt neben unserer Schule, durch eine übermannshohe Mauer getrennt, war die Schule der katholischen Kinder, die katholische Volksschule. Einem Volk zugehörig, wurden die Kinder seinerzeit in zwei unterschiedlichen Volksschulen unterrichtet. Die fünfziger und die sechziger Jahre waren die Hochzeit dieser Bekenntnisschulen. Man spielte zwar nachmittags zusammen, aber vormittags ging man entweder in die eine oder in die andere Schule, je nach Kirchturm und Gebetbuch. Heutzutage ist die erste Schule für Kinder in aller Regel eine Gemeinschaftsgrundschule. Von den knapp dreitausend öffentlichen Grundschulen in unserem Bundesland sind zwei Drittel solche Gemeinschaftsschulen, Schulen also, in denen Kinder aller Bekenntnisse gemeinsam unterrichtet werden. Aber knapp eintausend Schulen sind immer noch öffentliche Bekenntnisschulen. In diesen Bekenntnisschulen werden die Kinder “nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen”, wie es in Artikel zwölf der Landesverfassung heißt, obwohl doch Katholiken und Protestanten längst nicht mehr die Mehrheit der Menschen ausmachen und der Anteil der Nicht- und Andersgläubigen stark zugenommen hat. Nun hat es gestern im Landtag eine Debatte um einen Gesetzentwurf der Schulministerin gegeben, nach dem nun nicht mehr zwei Drittel der Eltern gefordert sind, um eine öffentliche Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln, sondern schon die absolute Mehrheit der Eltern reicht. Die FDP und die CDU, so heißt es in der Presse, bekannten sich in dieser Aussprache zur christlichen Bekenntnisschule. Klar, daß die CDU als Christliche Union für Bekenntnisschulen eintritt. Aber die FDP? Die Kirche war seit dem Mittelalter Trägerin vieler, der meisten Einrichtungen im Bildungswesen. Mit der Aufklärung indes und dem aufkommenden politischen Liberalismus entstand nach und nach die säkulare Gesellschaft. Der Staat ist seither von konfessionellen Bindungen befreit. Auch ein Resultat der Arbeit der Liberalen. Und also muß der Staat eigentlich keine öffentlichen Bekenntnisschulen mehr vorhalten. Wenn Kinder im Geiste einer bestimmten Konfession unterrichtet und erzogen werden sollen, muß das auch in der Trägerschaft und finanziell zu Lasten dieser Konfession stattfinden. Öffentlich sollten Gemeinschaftsgrundschulen unterhalten werden. Und nur solche. Und der FDP stünde gut an, sich ihrer Wurzeln zu vergewissern und die Religion wieder als private Angelegenheit gläubiger Menschen zu begreifen, die nicht staatlich organisiert oder vom Staat finanziell alimentiert wird. Mir haben die vier Jahre in der evangelischen Volksschule Porz bis Neunzehnhunderteinundsechzig übrigens nicht nachhaltig geschadet, ist doch noch ein halbwegs ordentlicher Freigeist und Rebell aus mir geworden.