Monat: September 2009

Abgetaucht

Jeden Tag die gleiche Übung: Am Laptop mal eben nachschauen, was es auf den Homepages von SPD und CDU so alles an Neuigkeiten gibt. Und jeden Tag das gleiche Ergebnis: Bei der CDU sammelt der ehemalige “Bürgermeister für Wermelskirchen”, H.-D. Husfeldt, immer noch Hundescheiße auf – unter der Rubrik “Impressionen”, die letzte Pressemeldung ist vom 27. August, als  es noch keine Kommunalwahl gegeben hatte. Bei der SPD ein vergleichbares Resultat, nur ohne Hundescheiße. Immerhin haben die Sozialdemokraten die Wahlniederlage zur Kenntnis genommen und in Auszügen ein Morgenpost-Interview mit dem Vorsitzenden Rainer Bleek eingestellt. Ansonsten: Aktualisierungen nur hinsichtlich der Bundestagswahl. Abgetaucht. Beide Parteien.

Kläglich.

Unser steiler Zahn ist eine Kaffeetante

Der 25. September ist der “Tag des Kaffees”. Doch, wirklich, kein Witz. Der Deutsche Kaffeeverband e.V. hat diesen Tag ins Leben gerufen und begeht ihn jährlich. Ich trinke zwar täglich Kaffee, mitunter zuviel, auch spät am Abend noch, habe also täglich Kaffeetag, doch habe ich den “Tag des Kaffees” bislang ausgefiltert. Na gut, einer der vielen Tage, die von der Industrie, von Verbänden, Interessengruppen, von wem auch immer ausgerufen, von den wenigsten aber auch zur Kenntnis genommen werden. Kaffee sei das Lieblingsgetränk der Deutschen, noch vor dem Bier. Ok. Das wußten wir auch vor dem Kaffeetag schon. Zitate von Papst Leo, dem XIII., bis Ernest Hemingway – auf der Homepage nachzulesen –  kannten wir im einzelnen nicht, adeln aber den braunen Sud. Das wäre alles in Ordnung. Warum aber, frage ich mich, warum nur hat der Kaffeeverband ausgerechnet die ehemalige Eisprinzessin Tanja Szewczenko zur Schirmherrin für dieses Unternehmen auserkoren? Die geht doch als alles andere eher durch als als Kaffeetante.

Ach ja, heute ist auch noch der “Tag der Zahngesundheit”, auch kein Witz. Am 25. September sollen, so die Veranstalter, “Impulse für zahlreiche Mundgesundheitsveranstaltungen” gesetzt werden. Wer das Wort “Mundgesundheitsveranstaltungen” erfunden hat, ohne daß es ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb, der könnte die Kaffeetante auch zur Schirmfrau für die Mundgesundheit machen. Motto: Unser steiler Zahn…

Little Rock Nine

Fast vergessene Geschichte: Vier Jahre vor der Geburt des amtierenden amerikanischen Präsidenten, gestern vor 52 Jahren unternahmen neun afroamerikanische Schülerinnen und Schüler den zweiten Versuch, am Unterricht der Central Highschool in Little Rock, Arkansas, teilzunehmen, nachdem sie am noch 3. September von Soldaten am Zugang zur Schule gehindert worden waren.

Die New York Times schrieb zu den Ereignissen: “Ein Mob von kriegerischen, kreischenden und hysterischen Demonstranten zwang heute neun schwarze Schüler, die Central High zu verlassen. Obwohl eine große Anzahl lokaler und staatlicher Polizei da war, um die Schwarzen vor Angriffen zu schützen, gab die Amtsgewalt angesichts der Raserei der ungefähr 1.000 weißen Demonstranten nach. Sie befahl den schwarzen Schülern gegen Mittag, die Schule zu verlassen. Der Integrationsversuch hatte 13 Minuten gedauert. Die Schwarzen wurden von der Polizei durch den Mob geführt und nach Hause gebracht, ohne dass sie verletzt wurden.”

Am Abend des 23. September hielt der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower im Fernsehen eine Rede an die Nation: “Wie Sie wissen, hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschieden, dass die Gesetze über die Rassentrennung an den Schulen nicht verfassungsgemäß sind. (…) Die Basis unserer individuellen Rechte und Freiheiten beruht auf der Sicherheit, dass der Präsident und die Exekutive die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes unterstützen und durchsetzen, wenn nötig mit allen Mitteln, die dem Präsidenten zur Verfügung stehen.”

Am 24. September, heute vor 52 Jahren, stellte Eisenhower sämtliche Polizei- und Armeeeinheiten von Arkansas unter Bundeskommando und entsandte eine reguläre Bundestruppe nach Little Rock. Die Soldaten bewachten die Schule und beendeten alle Demonstrationen. Alle neun Schüler erhielten eine Leibwache, die sie ins Klassenzimmer begleitete und dann vor der Tür Stellung bezog. Nur so konnten die neun Schüler am 25. September den ersten vollen Schultag an ihrer Highschool absolvieren.

Es kam aber weiterhin zu Anfeindungen und Ausgrenzungen gegenüber den neun Schülern. Acht der neun Schüler beendeten das Schuljahr, drei machten damals auf der Central High ihren Abschluss.

Es ist noch nicht sehr lange her, daß Menschenrechte in den USA mit der Gewalt von Soldaten gegen einen weißen Rassistenmob durchgesetzt werden mußten.

CDU-Studenten: Rentner und Arbeitslose Wähler zweiter Klasse

Der Vorsitzende des CDU-nahen Studentenverbands Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), Gottfried Ludewig, will die Stimmrechte von Rentnern und Arbeitslosen einschränken. Die Leistungsträger müssten gegenüber Hartz-IV-Beziehern und Rentnern gestärkt werden, so Ludewig in einem Thesenpapier, das er an alle Vereinigungen der CDU geschickt hat. Dies meldet heute der Berliner Tagesspiegel.

In dem Papier mit dem Titel “Drei Thesen zur Stärkung der Leistungsträger” heißt es: “Diejenigen, die den deutschen Wohlfahrtsstaat finanzieren und stützen, müssen in diesem Land wieder mehr Einfluss bekommen. Die Lösung könnte ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht sein.” Allein mit “Hartz-IV-Beziehern und Rentnern” könne der soziale Ausgleich in Deutschland nicht funktionieren. Das 25-jährige CDU-Mitglied Ludewig wolle eine Diskussion darüber in Gang setzen, wie die Leistungsträger zu stärken sind und daß umverteilt nur werden könne, was zuvor erarbeitet wurde.

Der christlichste Vorname schützt offenbar nicht vor unchristlicher Torheit, die Mitgliedschaft in der CDU nicht vor undemokratischer Wahlmanipulation. Mein Gott.

Äquinoktium

Äquinoktium, so die Bezeichnung für den heutigen 23. September, die Tagundnachtgleiche. Ab heute werden die Tage wieder kürzer, die Nächte dafür länger. Und: Heute beginnt der astronomische Herbst. Jedenfalls hier oben bei uns. Unten, auf der Südhalbkugel der Erde, erwachen so langsam die Frühlingsgefühle.

König Kunde

“Die Banken lassen ihre Kunden im Stich”, so lautet das Ergebnis einer Studie der EU-Kommission. Die Kontoführungsgebühren in Deutschland seien die neunthöchsten von allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, heißt es in der Studie. Ein Deutscher muss für sein Girokonto mit jährlich 89 Euro demnach doppelt so viel wie ein Niederländer zahlen (46 Euro), und sogar dreimal so viel wie ein Bulgare, der nur 27 Euro für sein Konto aufbringen muß. Mit Abstand am teuersten ist ein Konto allerdings in Italien mit 253 Euro.

Die EU-Kommission kritisierte die Preisgestaltung der Banken als “sehr undurchsichtig”. Durch versteckte Gebühren und unvollständige Informationen sei es für Kunden fast unmöglich, Angebote miteinander zu vergleichen, erklärte die für Verbraucherschutz zuständige Kommissarin Meglena Kuneva.

Ein weiterer Kritikpunkt: die mangelhafte Beratung durch Bankangestellte. Deutschen Bankkunden entsteht durch falsche Empfehlungen bei Investmentprodukten jährlich ein geschätzter Schaden in Höhe von 20 bis 30 Milliarden Euro. So seien vor der Finanzkrise allein 50.000 deutschen Anlegern Papiere der später bankrotten Bank Lehman Brothers zur Pensionssicherung empfohlen worden, kritisierte ein Kommissionsmitarbeiter.

Eine Gesetzesverschärfung plant EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy dennoch nicht. Zunächst müssten die geltenden Regeln umgesetzt werden, hieß es in der Kommission. Auch Preisobergrenzen für die Banken seien nicht geplant. Bis Weihnachten will die Brüsseler Behörde bei den Mitgliedstaaten auf Nachbesserungen dringen.

Ausschließeritis

Geht es Ihnen auch so? Die drei in so kurzen Abständen aufeinanderfolgenden Wahlen, Europa, Kommunalwahl und jetzt Bundestag, machen selbst den geneigtesten Beobachter politischer Vorgänge mürbe. Ich hatte mir fest vorgenommen, zur Wahl am kommenden Sonntag eigentlich nichts mehr zu sagen oder zu schreiben. Allein: Es geht nicht.

Ist nicht die hohe Kunst der Politik der Kompromiß? In Zeiten, in denen absolute oder überwältigende Mehrheiten nicht mehr zu erwarten sind, nicht nur die hohe Kunst, sondern auch Erfordernis des politischen Alltags. Lernen Kinder in der Schule nicht im Politikunterricht, der Gesellschaftslehre, der Sozialkunde, wie immer das Fach auch heißen möge, und sei es im Deutschunterricht, daß alle demokratischen Parteien untereinander kompromiß- und koalitionsfähig sein müssen? Klar!

Was erzählen wir jungen Menschen? Wahlkampf sei der Wettstreit der Ideen. Wahlprogramme seien Vorschläge der Parteien an die Bürger. Und wenn sie Mehrheiten bei den Wählern finden, sollten sie umgesetzt werden. Wenn nicht, dann nicht. Weiterlesen

Millionengeschenke

Verstehe einer die (Banken-)Welt: Heute wird in sämtlichen Nachrichten gemeldet, daß die angeschlagene und vom Steuerzahler gestützte HSH Nordbank 31 Millionen Euro an die US-Investmentbank Goldman Sachs gezahlt hat, obwohl sie dazu rechtlich nicht mehr verpflichtet war, weil Goldman Sachs eine Frist hat verstreichen lassen. Vor Monaten waren es irgendetwas über 300 Millionen Euro, die KFW-Bänker der schon pleite gegangenen Lehman Bank hinterher geworfen haben.

Millionen? Bedeutungslos für Bänker. Peanuts eben. Ob sie so auch mit eigenem Geld umgingen?

Für Dominik Brunner und alle, für die Zivilcourage nicht nur ein Wort ist; und in memoriam Anneliese Knoop-Graf

Gestern Abend, im Ersten, nach den Tagesthemen das Wort zum Sonntag. Ich gestehe, normalerweise nicht genau hinzusehen, wenn diese Sendung ausgestrahlt wird. Ein Fehler. Gestern hat mich, der ich nicht Mitglied einer Kirche bin,  Monsignore Stephan Wahl mit seinem Wort zum Sonntag in den Bann genommen. “Courage” – so die schlichte Überschrift seines Textes. Für dieses Blog habe ich seinen Schlußsatz als Überschrift übernommen. Hier das vollständige Wort zum Sonntag:

„Was würde Ihr Bruder heute tun?“ Wenn ihr diese Frage gestellt wurde, konnte sie heftig werden. „Eine unsinnige Frage…“ sagte sie dann. Anneliese Knoop-Graf war die jüngere Schwester von Willi Graf. 1943 wurde der 25jährige von den Nazis verurteilt und ermordet. Willi Graf gehörte zur studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“. Letzte Woche haben wir nun seine Schwester begraben. Leidenschaftlich erzählte sie immer wieder vom Mut Ihres Bruders und seiner Freunde. Realistisch, ohne zu beschönigen. Sie erzählte auch von dem Unverständnis, das ihr Bruder auslöste. Von der Ablehnung, von dem gut gemeinten Rat, doch den Mund zu halten. Die Zivilcourage ihres Bruders war sein eigener Mut. Ein einsamer Mut. In einer ganz besonderen Zeit, unter unvergleichbaren Umständen. Deshalb regte sich Frau Knoop immer auf über diese Frage: „Was würde Ihr Bruder heute tun?“. Keiner weiß das. Viel wichtiger war ihr die andere Frage: Was kann ich heute tun? Dann wenn es auf mich ankommt… Immer wieder hat sie in ihren Vorträgen Schülern diese Frage gestellt. Zivilcourage ist schön in Spielfilmen, in spannenden Romanen, macht sich so gut in Sonntagsreden. Weiterlesen