Schlagwort: Parteien

Skilifte, Tiere und Hotels

Angefangen habe ich mit diesem Blog, weil ich im Zusammenhang mit der vergangenen Kommunalwahl Kritik geäußert habe an den Strategien und am Auftreten von Parteien hier in Wermelskirchen, an ehrenamtlichen Parteivertretern und Kommunalpolitikern. Die Lust aber, sich einzumischen, Kritik zu formulieren, Parteivertretern aufs Maul zu schauen, diese Lust läßt doch gewaltig nach angesichts dessen, was professionelle Politiker, Parteien und Parteivertreter auf Bundes- oder Landesebene so alles zu Wege bringen. Wachstumsbeschleunigungsgesetz, so nennen CDU, CSU und FDP ein Gesetz, das Hoteliers fördert, Kinder armer Familien aber, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, gegenüber Kindern wohlhabenderer Familien benachteiligt oder das Erben der Schwester vom Bruder erleichtert. Der komplette Wirtschaftsverstand des Landes, alle Experten ohne jede Ausnahme, alle Beobachter halten dieses Gesetz für vollständigen Unsinn und keinesfalls für eine Maßnahme, die Wachstum beschleunigen könnte. Gleichwohl: Die verantwortlichen Parteien, CSU, FDP und CDU, sind vollkommen beratungsresistent. Skilifte ermäßigter Mehrwertsteuersatz – Babywindeln voller Steuersatz, Tierfutter ermäßigt – Arzneimittel voll. Deutschland im Jahre 2009, dem Jahr der weltweiten Finanzkrise: Wir fördern Skilifte, Tierhalter und Hotels. Hört sich nicht nur bescheuert an – ist auch so. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beziffert die Mindereinnahmen aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit 1,6 Mrd. Euro jährlich und fordert eine Kompensation für Städte und Gemeinden. “Die kommunalen Haushalte sind komplett überfordert, die Finanzlage vieler Kommunen ist verheerend, uns droht die Handlungsunfähigkeit”, so Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Die Steuereinnahmen brechen immer weiter ein, allein bei der Gewerbesteuer ist ein Rückgang von über 17 % zu verzeichnen. Gleichzeitig explodieren die Sozialausgaben und werden im nächsten Jahr über 41 Mrd. Euro ausmachen. Die Städte und Gemeinden werden gezwungen, die Leistungen für die Bürger weiter einzuschränken, die Investitionen zurückzufahren und die Verschuldung weiter zu erhöhen. Wachstum? Beschleunigung? Da kann man nur noch irre kichern. Und man wird milde, ausgesprochen milde angesichts dessen, was Kommunalpolitiker in den vergangenen Wochen und Monaten so angerichtet haben.

“Demokratie ist auf Akzeptanz der Bürger angewiesen”

“Sind Sie jetzt Nichtraucher geworden, Herr Horn?” Mit dieser Frage meldete sich heute Vormittag Frau Tillmanns, Lokalredakteurin der Bergischen Morgenpost, bei mir und nahm damit Bezug auf meinen gestrigen Beitrag. Schön, daß auch die örtliche Presse zu den Bloglesern gehört. Frau Tillmanns war nach der Lektüre offenbar überrascht von meinem Eindruck, den ich hier wiedergegeben habe, nämlich, daß in der örtlichen SPD nach den Wahlniederlagen offen und schonungslos diskutiert werde, daß man nach besseren Lösungen als in den vergangenen Monaten suche und das sogar relativ einvernehmlich. Ich habe Frau Tillmanns bestätigt, was ich geschrieben hatte. Überdies scheint mir das, was ich zu meiner Überraschung in der SPD erfahren habe, in allen Parteien wichtig zu sein, unabhängig davon, ob sie zu den Siegern zählen oder den Verlierern. Die Parteien müssen wieder näher an die Menschen in der Stadt rücken. Die Abgehobenheit der Parteien, ihre Entkopplung von den Bürgern führt dazu, daß Politik als fremdes, als seltsames Geschehen begriffen wird. Einmischen, Mitmachen, sich öffentlich zu Wort melden, Abweichen, Querdenken  – all das kann nur entstehen und auch kultiviert werden, wenn die Parteien sich nicht mehr nur als Spezialisten für Verwaltungsvorlagen verstehen. Dieser Lektion scheint sich nach meinem Eindruck die SPD gerade zu stellen. Nötig sollte ein solcher Prozess aber auch für die anderen Parteien sein. Denn letztlich muß die beschämend niedrige Wahlbeteiligung alle Parteien erschrocken haben. Und auch keine Siegerpartei kann zufrieden damit sein, die Mehrheit nur der Hälfte aller Bürger errungen zu haben. Friedrich Schorlemmer, Pfarrer in der DDR-Bürgerrechtsbewegung, in einem Rückblick auf die DDR im heutigen Freitag : “Wir sind in der vereinigten Demokratie angekommen. Noch ist sie stabil; aber sie braucht mehr aktive Demokraten, die auf dem Boden des Grundgesetzes mitwirken, soll der freiheitliche Sozialstaat nicht ausgehöhlt werden. Demokratie ist auf Akzeptanz der Bürger angewiesen, mehr noch als auf die Funktionstüchtigkeit ihrer Institutionen.” Ein Satz, der gewiß auch im Westen der Republik seine eigene Bedeutung hat.

Nochmal zum Thema “Volkspartei”

Nach den Wahlverlusten von Sonntag ist das Konzept “Volkspartei” in aller Munde. Der Göttinger Politikwissenschaftler und Parteienforscher Franz Walter sieht die Volksparteien in einer großen Krise. “Die SPD ist von 30 Prozent meilenweit entfernt. Dort wäre die Union auch, wenn sie nicht ihre Rentnerkohorte der über 60-Jährigen hätte. Ihr Vorsprung vor der SPD ist ein rein demographischer. In den aktiven, erwerbstätigen Schichten sieht es auch für die CDU / CSU zappenduster aus.” Die Bindekraft von Union und SPD gehe bisher von einem starken weltanschaulich-ideologischen Kern aus, um den herum eine loyale Anhängerschaft gruppiert war, die der Partei die Treue hielt. Bei der SPD die sozialistisch-gewerkschaftlichen, bei der Union die kirchlich geprägten Kreise. Das alles löse sich auf. Die Volksparteien seien zu „Allerweltsparteien“ geworden, “ohne markante Interessenvertretung, ohne Ankerplatz für ein intellektuelles Anliegen, ohne großes politisch-gesellschaftliches Ziel.” In einer Phase gesellschaftlicher und politischer Unklarheit wachse dagegen der Bedarf nach größerer Eindeutigkeit. “Gerade in schweren Zeiten haben die Menschen Sehnsucht nach einem Moment der Einheit, der Geschlossenheit”, so Franz Walter.

Ohne großes politisch-gesellschaftliches Ziel! Ohne Ankerplatz für ein intellektuelles Anliegen! Ohne markante Interessenvertretung ! Haben wir da nicht schon Ansatzpunkte für ein neues Nachdenken, sogar auf lokaler Ebene?

Sprachlos im Internet

Man weiß mittlerweile sicher, daß sich jüngere Menschen tendenziell anders informieren als ältere, nämlich weniger aus Hörfunk, Fernsehen oder Tageszeitung, dafür aber stärker über das Internet. Insoweit ist kaum zu verstehen, daß die Parteien in Wermelskirchen das Internet nicht auch als aktuelles Medium nutzen. Und: Wenn eine Internetseite mehrfach aufgesucht worden ist, ohne daß es überhaupt Informationen gibt, geschweige denn Neue,  dann sind diese Internetnutzer für die entsprechende Partei ein für alle mal verloren. Man darf nicht davon ausgehen, daß jüngere Menschen einen sportiven Ehrgeiz entwickeln und tage- oder wochenlang immer wieder auf die Internetseiten einer Partei surfen. Weg ist weg. Insofern wundert mich beispielsweise nicht, daß die SPD fast die Hälfte ihrer Wähler unter 30 Jahren bei der letzten Bundestagswahl verloren hat, wenn viele lokale Internetangebote der Partei ähnlich sein sollten wie hier in Wermelskirchen. Wer die Medien nicht nutzt und pflegt, kann auch die Mediennutzer nicht erreichen.

Ausschließeritis

Geht es Ihnen auch so? Die drei in so kurzen Abständen aufeinanderfolgenden Wahlen, Europa, Kommunalwahl und jetzt Bundestag, machen selbst den geneigtesten Beobachter politischer Vorgänge mürbe. Ich hatte mir fest vorgenommen, zur Wahl am kommenden Sonntag eigentlich nichts mehr zu sagen oder zu schreiben. Allein: Es geht nicht.

Ist nicht die hohe Kunst der Politik der Kompromiß? In Zeiten, in denen absolute oder überwältigende Mehrheiten nicht mehr zu erwarten sind, nicht nur die hohe Kunst, sondern auch Erfordernis des politischen Alltags. Lernen Kinder in der Schule nicht im Politikunterricht, der Gesellschaftslehre, der Sozialkunde, wie immer das Fach auch heißen möge, und sei es im Deutschunterricht, daß alle demokratischen Parteien untereinander kompromiß- und koalitionsfähig sein müssen? Klar!

Was erzählen wir jungen Menschen? Wahlkampf sei der Wettstreit der Ideen. Wahlprogramme seien Vorschläge der Parteien an die Bürger. Und wenn sie Mehrheiten bei den Wählern finden, sollten sie umgesetzt werden. Wenn nicht, dann nicht. Weiterlesen

Banken im Aufwind

Den Banken und Finanzdienstleistern in Deutschland geht es wieder besser. Im Aufwind steigt auch ihre Spendenbereitschaft. Allein die FDP erhält nach einer Vorabmeldung des Spiegel “200 000 Euro von der Deutschen Bank, 150 000 von der Deutschen Vermögensberatung AG und 100 000 von der Allfinanz Deutsche Vermögensberatung überwiesen. Im April erhielt die FDP 250 000 Euro von der Düsseldorfer Finanzierungsgesellschaft Substantia. Die CDU konnte sich über 106 000 Euro von der Hamburger Berenberg Bank freuen und über 200 000 Euro von der Deutschen Bank. Für SPD und Grüne war bei den Großspendern der Finanzbranche nichts zu holen.”

Rechenkünste, Stillstand und der Bürgermeister

Udo Teifel hat gerechnet: eine Wahrscheinlichkeitsberechnung in der Bergischen Morgenpost, welche Koalitionen im Wermelskirchener Stadtrat möglich sind. Das Ergebnis, kurz zusammengefaßt: Am wahrscheinlichsten sei die Zusammenarbeit der Grünen mit dem Block der Parteien, die Bürgermeister Weik unterstützt haben, also WNKUWG, Bürgerforum und FDP. Zwar seien nicht alle grünen Fraktionsmitglieder vorbehaltlos auf der Seite des Bürgermeisters, aber bei entsprechendem Geschick des Bürgermeister und der Vertreter des Parteienblocks müsse eine Zusammenarbeit möglich sein, zumal es eine gehörige Schnittmenge bei den politischen Positionen gebe. Für weniger wahrscheinlich hält Teifel die Zusammenarbeit von CDU, SPD und Grünen, weil es in der Fraktionen der Grünen doch auch Mißtrauen gebe. Eine Zusammenarbeit der “Bürgermeister-Parteien” mit der CDU hält Teifel für unwahrscheinlich, weil die Gräben aus der Vergangenheit zu tief seien und aus dem Bürgermeisterblock bereits die Forderung zu lesen gewesen sei, mit der CDU unter den Granden Bosbach und Schmitz sei Kooperation nicht möglich.

Das mag alles plausibel gerechnet sein. Allein: Es ist die Fortsetzung des Fingerhakelns, das die Bürger in den letzten Wochen so sehr verdrossen hat. Weiterlesen