Monat: Oktober 2009

Drei Meldungen

Drei Meldungen eines Tages: 

Erste Meldung: Uno und Welthungerhilfe schlagen Alarm: Die Wirtschaftskrise hat verheerende Auswirkungen für die Armen in der Welt. Mehr als eine Milliarde Menschen leidet an Unterernährung, so viele wie seit fast 40 Jahren nicht. Jeder sechste Mensch auf der Welt hungert, insgesamt 100 Millionen Menschen mehr als 2008.

Zweite Meldung: Die Wirtschaftskrise schlägt voll auf die Sozialkassen in Deutschland durch: Das Defizit im ersten Halbjahr beträgt mehr als neun Milliarden Euro. Die Bundesagentur für Arbeit ist am schlimmsten betroffen. Vor allem die Kurzarbeit, die gestiegene Arbeitslosigkeit und in der Folge Einnahmeausfälle bei der Bundesagentur für Arbeit trieben den Fehlbetrag in die Höhe. Die Arbeitslosenversicherung, die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung sowie die Alterssicherung für Landwirte machten im ersten Halbjahr 2009 insgesamt 9,2 Milliarden Euro Minus. Das sind 7,1 Milliarden Euro mehr als im ersten Halbjahr 2008.

Dritte Meldung: Der Streit um Bonuszahlungen an Bankmanager lässt die Verursacher der Finanzkrise kalt. Nach Berechnungen des “Wall Street Journals” können die New Yorker Bänker in diesem Jahr mit Rekordgehältern rechnen. Allein die größten 23 Geldhäuser werden voraussichtlich rund 95 Milliarden Euro an ihre Angestellten zahlen. Zehn Milliarden Dollar mehr als im bisherigen Rekordjahr 2007 und über 20 Milliarden Dollar mehr als noch 2008, dem Jahr der Immobilienkrise.

Zahlen, die den Zustand der Welt beschreiben.

Der weiße Stock

Die “Woche des Sehens” geht heute zu Ende. Mit dem “Tag des weißen Stocks”. 145.ooo blinde Menschen leben in Deutschland und  etwa 500.000 Sehbehinderte. Die Veranstalter der Woche des Sehens, unter anderem der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband, die Augenärzte und das Hilfswerk der Deutschen Lions, wollen mit dieser Aktionswoche auf die Lage blinder oder sehbehinderter Menschen im Land aufmerksam machen. Blindheit verstehen und Blindheit verhüten, das sind die wesentlichen Ziele dieser Woche. Und der Tag des weißen Stocks erinnert an den 15. Oktober 1964, als US-Präsident Lyndon B. Johnson in einem symbolischen Akt weiße Langstöcke an Menschen mit Blindheit und starker Sehbehinderung verteilte. Diese Idee, blinde Menschen mit einem weißen Stock als Schutz- und Erkennungszeichen zu versehen, hatte schon 1930 in Paris Guilly d’Herbemont, die am 7. Februar 1931 in Anwesenheit mehrerer Minister und Vertreter von Blindenorganisationen die ersten weißen Stöcke überreichte. Der weiße Stock wurde offiziell als Schutz und Erkennungszeichen blinder Menschen anerkannt. Im Jahre 1969 riefen die Vereinten Nationen den “Internationalen Tag des Weißen Stockes” ins Leben, der immer am 15. Oktober begangen wird. Mit dem Langstock und entsprechendem Mobilitätstraining können sich blinde und sehbehinderte Menschen besser in die Tücken des Straßenverkehrs begeben. Guilly d’Herbement starb 1980 im hohen Alter von 91 Jahren, völlig in Vergessenheit geraten.

Ich verkneife mir an dieser Stelle meinen ersten Impuls und die naheliegende Assoziation, wen man ansonsten noch so alles mit weißen Stöcken ausrüsten müsse.

SPD: Kultur der Teilhabe

TSG wird er genannt, der Ypsilanti-Nachfolger und Hoffnungsträger der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußert TSG sich heute zur Politik der SPD: “Eines der Grundübel der Politik ist, dass man autoritär mit Autorität verwechselt. Ein Parteichef (…) besitzt Autorität – wenn er autoritär wird, verliert er diese Autorität. Mir bricht als Vorsitzender kein Zacken aus der Krone, wenn ich mich mal bei einer Abstimmung nicht durchsetzen kann. Das ist Demokratie. Wir müssen uns von diesen autoritären Politikvorstellungen verabschieden. Wir müssen und wir werden in die andere Richtung gehen: Die SPD braucht die Beteiligung aller, die interessiert und engagiert sind.” Und weiter: “Die Basta-Kultur muss enden, sie muss Platz machen für eine Kultur der Teilhabe. Das bedeutet die SPD-Mitglieder, aber auch Bürgerinnen und Bürger, Gewerkschaften, soziale Netzwerke und Vereine mehr einzubinden, sich auszutauschen und einander zuzuhören. (…) Die SPD darf nicht mehr warten, wir müssen das jetzt angehen. Wir werden auch einen anderen Umgangston in der SPD miteinander pflegen müssen.” Wohlan.

Opposition

Der Duden liefert eine allgemeine Definition, was denn Politik ist, nämlich “das auf die Durchsetzung bestimmter Ziele besonders im staatlichen Bereich und auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens gerichtete Handeln von Regierungen, Parlamenten, Parteien, Organisationen oder ähnlichem”. Politik, politisches Handeln von Parteien und Politikern wirkt also im öffentlichen Raum, in die Öffentlichkeit, müht sich, verstanden zu werden bei den Menschen, Verständnis für das Handeln von Politikern und Parteien zu bewirken. Ein wichtiger Teilbereich von Politik also ist die öffentliche Kommunikation. Davon ist derzeit in Wermelskirchen nichts zu spüren. Die CDU tritt öffentlich so gut wie nicht auf. Die SPD hat sich ebenfalls lange nicht gerührt. Gut, eine herbe Wahlniederlage will erst verdaut sein. Aber was sich jetzt wieder abspielt in der Kleinstadt, ist lediglich die Fortsetzung dessen, was die Bürger bereits im Wahlkampf erleben, erleiden durften. Die Parteien, nein: CDU und SPD, haben offenbar größte Mühe, die neuen Verhältnisse, die die Wähler in der Stadt herbeigeführt haben, zu akzeptieren. Die CDU lehnt jedwede personelle Änderung ab, mithin auch die Übernahme der Verantwortung für ein desaströses Wahlergebnis. Und die SPD? Dito. Mehr noch: Der Wahlkampf geht nahtlos in die Nachwahlphase. Keine personelle Erneuerung. Keine Veränderung des öffentlichen Auftretens. Die gleiche Grundhaltung, wie sie im Wahlkampf täglich zu hören und zu lesen war: Schuldzuschreibungen für alles und jedes an andere, an den Bürgermeister, an die örtliche Presse, an wen auch immer. Den Bürger, den Wähler hat man schon im Wahlkampf mit diesen Mitteln nicht erreicht, im Gegenteil. CDU und SPD richten sich offenbar auf eine sehr, sehr lange währende Opposition ein.

Danaer Geschenk – Trojaner für die SPD

Jetzt müssen auch noch der arme Seneca herhalten und die griechische Mythologie. In einem offenen Brief an Bürgermeister Weik erläutert der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Wermelskirchener Stadtrat, Jochen Bilstein, heute die Gründe für die Ablehnung des Angebotes, die Sozialdemokratin Christel Reetz erneut zur stellvertretenden Bürgermeisterin zu wählen. Dieses Angebot nämlich sei ein “Danaer Geschenk”.

Ein Danaergeschenk ist ein Geschenk, das dem Empfänger Unheil zufügt und Schaden anrichtet. Bildungsbürger Bilstein zitiert den römischen Philosophen Seneca (den Jüngeren) mit den Worten: „Danaum fatale munus“, ein verhängnisvolles Danaer Geschenk. Danaer, das waren die Griechen, die den Trojanern ein hölzernes Pferd zum Geschenk machten, mit dessen Hilfe die Griechen dann die Stadt Troja erobern konnten. Jeder kennt die Geschichte. Jochen Bilstein hätte auch Vergil zitieren können: „Equo ne credite, Teucri. Quidquid id est timeo Danaos et dona ferentes.“ (Traut dem Pferde nicht, Trojaner. Was auch immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.) Soweit der Bildungsabschnitt im offenen Brief Bilsteins an den Bürgermeister. Der Rest ist Politik. Schlechte Politik.

Die Danaernatur des Geschenks an die örtliche SPD, sei, so Jochen Bilstein, daß die Redakteurin der Bergischen Morgenpost, Gundhild Tilmanns, mit der Ablehnung des Geschenks “ihre Pressekampagne gegen uns mit eben diesem Geschenk fortgesetzt” habe. Lassen wir mal beiseite, ob Journalisten immer schreiben müssen, was Politiker gerne läsen; lassen wir einmal beiseite, daß Politiker, auch die der SPD, im Wahlkampf eine veritable Kampagne gegen die Bergische Morgenpost und mithin auch gegen die Pressefreiheit gefahren haben; lassen wir einmal beiseite, daß diese Kampagne von teils albernen, teils jedoch miesen, historisch falschen, anstandslosen Formulierungen getragen waren – lassen wir also mal beiseite, daß, wenn überhaupt, Verletzungen des Gemüts bestenfalls auf beiden beteiligten Seiten zu finden sein werden: Eine Fortsetzung der “Anti-SPD-Kampagne” der Morgenpost hätte es ja nicht geben können, wenn die SPD sich nicht im Schmollwinkel eingerichtet hätte und der Wahl von Christel Reetz zustimmen würde. Insoweit hinkt der Bilstein’sche Vergleich mit der griechischen Mythologie. Besser wäre gewesen, sich des alten Voltaires zu erinnern: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Und wenn schon Seneca, dann so: „Homo sum, humani nil me alienum puto.“ (Ich bin ein Mensch und nichts Menschliches ist mir Fremd.) Dies fröhlich aufsagend den Schmollwinkel verlassen und wieder mitspielen, das wärs gewesen. Und wenn man dann schon mal den tiefen Griff in den Zitatenschatz Senecas vornimmt, dann hätte das folgende nicht überlesen werden dürfen, denn in seiner Schrift “Über den Zorn” geht es um Affektkontrolle: „Du hast mich genötigt darüber zu schreiben, wie der Zorn beschwichtigt werden kann, und es scheint mir, dass du aus berechtigtem Grund besonders diese Leidenschaft fürchtest, da sie unter allen die scheußlichste und verheerendste ist. Denn alle anderen verbinden sich noch mit einem gewissen Maß an Ruhe und Gelassenheit; diese hingegen geht ganz und gar auf in Aufregung und heftigem Verlangen, sie rast und sehnt sich ganz unmenschlich nach Verwundungen … Es ist das Beste, die erste Regung des Zornes sogleich zu ignorieren und sich gegen die Anfänge zu wehren. … Denn wenn der Zorn begonnen hat, uns vom rechten Weg abzubringen, so ist die Rückkehr zur seelischen Gesundheit schwierig, weil die Vernunft nichts mehr ausrichten kann, sobald die Leidenschaft einmal eingezogen und ihr durch unseren Willen ein gewisses Recht gewährt worden ist. Sie wird von nun an alles tun, was sie will, nicht nur das, was man ihr gestattet.“ Keine Sorge, wir sind noch in der Abteilung Politik. Schlechte Politik, weil sie teils vom Zorn getragen ist. Gar nicht so schlecht, mal bei den römischen Philosophen nachzusehen.

Noch etwas macht nach Jochen Bilstein die Danernatur des Geschenks aus: „Hätten wir das Angebot jedoch angenommen, so wären wir zum Knüppel gegen die CDU–Fraktion geworden, mit der wir, wenn auch von den Wählern dafür bei der Kommunalwahl abgestraft, über viele Monate vertrauensvoll zusammengearbeitet haben und die als größte Fraktion im Rat nicht völlig unbegründet ein solches Amt für sich reklamiert.“ Aha. Die CDU also soll den stellvertretenden Bürgermeister stellen dürfen. Der andere Wahlverlierer. Nach der  vorletzten Kommunalwahl war das aber alles nicht anders, auch damals war die CDU die größte Fraktion, die SPD stellte aber die stellvertretende Bürgermeisterin. Wie kann man das erklären? Was ist heute anders als 2004, außer, daß CDU und SPD weiter eingebrochen sind? Reicht die Wahlkampfabsprache zwischen SPD und CDU über den Wahltermin hinaus?

Wer, wie die SPD, eine Wahlniederlage zu verkraften habe, der solle, so Jochen Bilstein, „sich an alte Fehler erinnern um neue zu vermeiden“. Was bedeutet das? War es ein Fehler, 2004 Christel Reetz zur stellvertretenden Bürgermeisterin wählen zu lassen? Bislang war davon nirgends und niemals die Rede. Aus all diesen Gründen habe die SPD-Fraktion beschlossen, zu allen anderen Fraktionen den gleichen Abstand zu halten und die sachliche Zusammenarbeit mit allen Gruppierungen im neuen Rat auf gleicher Augenhöhe anstreben zu wollen.

Es folgen eine weitere Breitseite gegen Frau Tillmanns sowie die Qualifizierung des Angebots von Bürgermeister und den ihn tragenden Parteien als “Diktatfrieden”.

Tja. Und nun?

Coming Out Day

Heute, am 11. Oktober wird in Deutschland wie in vielen anderen Ländern auch der “Coming Out Day” begangen. Schwule, Lesben, Bisexuelle sollen sich, sofern sie persönlich bereit dazu sind, öffentlich zeigen. Der Coming Out Day geht auf den Second National March on Washington for Lesbian and Gay Rights am 11. Oktober 1987 zurück. Damals versammelten sich etwa 500.000 Menschen. In Deutschland sind Maren Kroymann, Thomas Hermanns und Georg Uecker Botschafter des Coming Out Tages.

Friseure – zum Haareraufen

1 Euro und 50 Cent pro Stunde, fürs Haareschneiden. Nicht für die Frisur, sondern für den Friseur oder die Friseurin. Klar, in Leipzig oder Dessau. Nein. In Köln, Bergheim oder Gummersbach. Sozusagen nebenan, also hier, mitten unter uns. Das hat eine Razzia des Hauptzollamtes gestern in Köln und den angrenzenden Landkreisen zu Tage gefördert. Mal eben grob gerechnet: 40 Stunden in der Woche, vier Wochen im Monat, das macht etwas mehr als 160 Stunden und einen Lohn von circa 250 bis 350 Euro. Die Haare stehen einem zu Berge angesichts solcher Zahlen. Ich weiß nicht, ob Friseure überwiegend gute Christen sind. Aber kann ein Arbeitgeber sonntags wirklich guten Gewissens in die Kirche gehen, wenn er seine Angestellten mit solchen Hungerlöhnen rasiert? Es ist zum Haareraufen, wie der Gesellschaft so nach und nach der Anstand ausgetrieben wird. Die Armut ist angekommen, hier, in der Mitte der Gesellschaft. Und die Aufregung, die Empörung, die Wut hält sich in Grenzen. Leider. Mir sieht man an, daß ich Friseure seit Jahren nicht wirklich brauche. Aber: Ginge ich zum Friseur, ich würde mich von Stund an erkundigen, was denn so an Lohn gezahlt wird, und im Zweifel die Haare behalten.

Deutsch im Grundgesetz

Na super, da will die neue Koalition Deutsch im Grundgesetz verankern: “Die Sprache der Bundesrepublik ist deutsch.” Gut, daß die Bundesrepublik nicht Kisuaheli spricht oder Urdu.

Wie wäre es denn, stattdessen endlich die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Wie es mehr als einhundert bundesweit tätige Kinderschutz- und Familienorganisationen seit Jahren fordern. “Dies wäre ein klares Signal an Staat und Gesellschaft, das Wohl der Kinder als seine Kernaufgabe anzusehen”, sagt dazu beispielsweise der Deutsche Kinderschutzbund.

SPD-Aktuell: Bilstein antwortet Wintgen

Oh, ganz aktuell, in diesem Moment gibt es eine neue Erklärung auf der Homepage der örtlichen SPD. Jochen Bilstein, Fraktionsvorsitzender, antwortet auf den heutigen RGA-Kommentar von Thomas Wintgen. (Ganz schön flott, die alte Dame SPD…) Und was lesen wir?

Erstens das Eingeständnis einer schweren Niederlage. Nun ja, das war ja nicht so schwer. Zweitens: Das Ergebnis des heftigen internen Nachdenkens in der Fraktion sei gewesen, keine Zählgemeinschaften mehr zu bilden (das stand schon in den Zeitungen heute, W.H.) und die neuen Mehrheiten im Rat zu akzeptieren. Na sowas, stand das denn jemals in Zweifel, die Mehrheiten zu akzeptieren? Die Fraktion werde sich “stattdessen ” (So steht es in der Erklärung, wirklich, W.H.) auf Sachthemen konzentrieren und den Versuch machen, sich von Fall zu Fall Mehrheiten zu organisieren. Tja. Und drittens, der Schlußsatz: “Versprochen: Man wird gewiss noch von uns hören.” Ja, aber was? Was man bis jetzt schon hören oder lesen konnte, macht einen ja bange um die Zukunft der guten alten SPD in Wermelskirchen.

P.S Interessant ist das Datum der Erklärung. Sie ist von gestern. In der Tat.