Schlagwort: CDU

Ein Abend im Rathaus. Miszellen

Henning Rehse wurde nicht gesehen gestern Abend, der Tausendsassa der WNK, von dem es heißt, daß er in einem gegebenen Moment an mindestens zwei Stellen gleichzeitig auftauchen könne. Mindestens. Er muß geahnt haben, daß es kein Kommunalwahlabend nach seinem Gusto werden wird. Sein Direktmandat hat er verloren, an einen Nobody aus der CDU. Und sein Laden hat knapp ein Drittel seiner Stimmen eingebüßt. Eine Folge der unangenehmen Lautstärke, mit der die WNK und Henning Rehse die Bürger bedrängt, der unangemessenen Wortwahl, mit der Rehse und seine Adlati Freund und Feind bedacht haben, eine Folge auch des Plakatdurchfalls und des Tamtams um die Rhombusbrache, mit der die Bürger für dumm verkauft werden sollten. Und: Bürgermeisterbashing, der Volkssport im Rat und auf Parteiversammlungen, zahlt sich nicht aus.

Nur jeder zweite Dellmann hat gestern den Stadtrat gewählt. Ein Armutszeugnis. Bei der letzten Kommunalwahl Zweitausendundneun waren es immerhin noch fast sechzig Prozent. Das Meckern scheint das Einmischen abgelöst zu haben. Wer nicht wählt, meckert aber nur ins Leere. Fatal. Fatal auch für die Parteien, Sieger wie Verlierer. Sie bringen die Wähler ja nicht mehrheitlich an die Urne. Ihre Politik geht an knapp der Hälfte der Bürger vorbei. Auch die der Sieger.

Sieger. Das sind die jungen Herren um Christian Klicki in der CDU. Die haben die Stimmen zurückgeholt, die in der vergangenen Stadtratswahl wegen einer verunglückten Kandidatenauswahl verloren gegangen waren. Mehr nicht. Die CDU ist also, mehrheitstechnisch, am Ende der Amtszeit von Bürgermeister Heckmann angelangt, Zweitausendundvier, als der die CDU beinahe zugrunde gerichtet hatte. Aber: Die beiden Direktmandate für die CDU-Abspaltungen, für Rehse und Burghof, gingen wieder an die CDU. Gratulation.

Verlierer gibt es auch, bei jeder Wahl. Die FDP ist Verlierer. Diesmal. Obwohl sie  in Wermelskirchen doch weit über dem Ergebnis der Europawahl landete. Mit etwas mehr als sechs Prozent ist auch sie wieder im Jahr Zweitausendundvier angekommen. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Sie lebt also noch, die totgesagte liberale Partei. Besser als anderswo. Wermelskirchen ist liberale Hochburg. Noch immer. Noch.

Das Bürgerforum hat auch verloren. Das Direktmandat von Friedel Burghof ist weg, zurück bei der CDU. Und mehr als ein Drittel der Wähler hat der Burghofschen Partei den Rücken gekehrt. Mal ganz ehrlich: Brauchen wir eigentlich diese ganzen CDU-Ableger? Machen die denn im Ernst irgendetwas anders als die Mutterpartei? Oder geht es doch eher nur um Macht und persönliche Eitelkeiten?

Die Siege dieser Kommunalwahlen sind nicht ungebrochen und die Niederlagen auch nicht. Interessant. SPD-Aktivisten wünschten sich vor der Auszählung eine zwanzig vor dem Komma. Das kann man verstehen, haben die Wähler die Sozialdemokraten vor fünf Jahren doch derbe abgewatscht. Sechzehn (!) Prozent hatte die SPD eingefahren. Klar. Haben sie sich doch zur Unterstützung des damaligen CDU-Kandidaten für den Bürgermeisterposten verstiegen. Eines Mannes und Politikers, an dessen Namen man sich heute nur noch mit Mühe erinnern kann. Aber: Es wurden gestern keine zwanzig , sondern nur gut neunzehn Prozent. Zuwachs zwar, aber doch bescheiden. Dabei hätte die SPD durchaus Potential für mehr. Bei der Europawahl beispielsweise kam die SPD gestern hier im Städtchen auf mehr als fünfundzwanzig Prozent. Die SPD siegt und verliert zugleich.

Die Grünen sind etabliert. Da mag es intern noch so sehr gekracht haben in der vergangenen Legislaturperiode. Etwa zehn Prozent der Wähler gehen mit den Grünen durch dick und dünn. Sieger? Verlierer? So einfach ist das eben alles nicht.

Die Linke hat ihre Stimmenzahl verdoppelt. Obwohl doch kaum etwas zu hören oder lesen war von ihrem Stadtverordneten. Fünf Jahre lang. Sieger? Stummer Sieger?

Was bleibt noch? Ach ja, die frechen jungen Männer von der Alternative. Für ganz Deutschland. Die lokalen Gegenstücke zur Altmännerriege um Henkel und Starbatty im Bund und in Europa.Sie haben gewonnen. Weil sie in den Stadtrat eingezogen sind. Mit nicht einmal fünf Prozent. Und sie haben verloren, weil sich die allzu süßen Blütenträume schon zerstoben haben. Sie haben weniger erreicht als bei den Europawahlen, weniger als im Bund. So frech wie in verschiedenen Facebookgruppen sollten sie demnächst nicht mehr auftreten. Sonst könnte schneller wahr werden, was ohnehin zu ahnen ist. Rechtspopulismus ist eine vorübergehende Erscheinung. Wir haben schon schlimmere Zeitgeister überstanden, Republikaner, Nationaldemokraten, Pro Irgendwas …

Wie war das noch? Lechts und rinks solle man nicht verwechseln. Wenn man Ernst Jandl folgen will. Ordnen wir aber einfach einmal zu, der Arschbackenphilosophie. Rechts die CDU, nach guter alter Sitte. Und die WNK. Als Fleisch von Fleische. Und das Bürgerforum. Noch mehr Fleisch vom alten Fleisch. Dann haben wir schon eine absolute Mehrheit. Sechsundfünfzig Prozent. Nehmen wir spaßeshalber noch die Alternativen dazu, die Rechtspopulisten, landen wir bei über sechzig Prozent. Ein Block. Ein gewaltiger Block. Wenn Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Linke, spaßeshalber mal gemeinsam auf der linken Arschseite eingeordnet, diese Verhältnisse, zusammen nicht einmal mehr über vierzig Prozent zu verfügen, dermaleinst  zum Tanzen bringen wollen, die Liberalen und die Sozialdemokraten mögen mir das Marxzitat aus der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie nachsehen,  dann werden sie ihnen ihre eigene Melodie vorspielen müssen; anders Politik machen als bislang, öffentlich, dort wo’s stinkt und laut ist, fantasievoller Menschen ansprechen, diskutieren, was draußen besprochen wird, beklagt, kritisiert, feinere Antennen entwickeln für die Nöte, auch für Visionen und Anstrengungen der Bürger. Draußen spielt die Musik, nicht in Hinterzimmern, in  Ausschüssen oder im Stadtrat.

Plakatkunst

Das politische Plakat kann Kunst sein. Große Kunst. Das zeigt ein Blick auf die Werke von Helmut Herzfeld, Käte Kollwitz oder Klaus Staeck. In Wermelskirchen sind die politischen Plakate nicht einmal kleine Kunst, auch nicht ganz kleine Kunst. In Wermelskirchen (und natürlich anderswo) werben die politischen Parteien auf ihren Plakaten mit sprachlicher Einfalt und  gedanklicher Dürre. Eine Kostprobe: Für Sie in den Stadtrat (CDU). Oder WNK: Aktiv für Sie. Weil Wermelskirchen mir wichtig ist (BÜFO). Und FDP: Für unsere Stadt. Ähnlich: Die beste Wahl für Wermelskirchen (SPD). Auch nicht schlecht: Aktiv für Wermelskirchen (WNK). Und schließlich: Wermelskirchen kann mehr (CDU). Und das soll helfen, daß sich Bürger und Wähler ein Bild von Parteien und Kandidaten machen?

Experimente

Experimente. Die Partei der Physikerin hat Angst vor Experimenten.

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Hatte sie bereits, als sie noch nicht die Partei der evangelischen Physikerin war, sondern schon zu Zeiten des katholischen Assessors und Oberbürgermeisters.

IMG_0348Das Wörtchen Eperiment soll den Menschen Angst machen, sie verunsichern. Ein Experiment hat einen ungewissen Ausgang, so die Konnotation. Dagegen bietet die Union Statik, Stabilität, Sicherheit. Mehrheit unter der Physikerin. Wahlkämpfe sind ja derart blöde, seit Jahrzehnten schon. Parteien und Agenturen halten die Menschen blöde und für blöde.

 

 

Spam-Plakate

Als Spam oder Junk, was soviel wie Müll oder Abfall bedeutet, werden, wie in Wikipedia zu lesen ist, “unerwünschte, in der Regel auf elektronischem Weg übertragene Nachrichten bezeichnet, die dem Empfänger unverlangt zugestellt werden und häufig werbenden Inhalt enthalten. Dieser Vorgang wird Spamming oder Spammen genannt, der Verursacher Spammer.”  Derzeit erleben alle Wermelskirchener und ihre Besucher eine Spamwelle ungeahnten Ausmaßes. Nur findet die Übertragung nicht auf elektronischem Wege statt, sondern auf althergebrachte analoge Weise. Spam-Plakate verschandeln die Stadt. Neben den Plakaten der spammenden Parteien, der CDU mit ihrem Ein-Ohr-Hasen, vor allem aber der WNK, die eindeutig den Vogel hat und abschießt mit ihrer wüstensandfarbenen “Einladung”, sind das Fit Inn beteiligt, das einen Tag der offenen Tür anpreist; ein Trödelmarkt wird grell rot-weiß beworben; der Markt der schönen Dinge wirbt mit einem weiß Gott nicht schönen Plakat; der Hinweis auf eine Après Ski Party in der alten Drahtzieherei, also nicht in Wermelskirchen, darf natürlich auch nicht fehlen. Ebensowenig der Fingerzeig auf eine Hausparty. Die plakativen Hinweise auf das Programm der Kattwinkelschen Fabrik gehen fast unter in diesem Gespamme an den hiesigen Laternen. Unbestellt, unverlangt, störend, häßlich. Plakate, die die Welt nicht will. Hat das eigentlich irgendjemand genehmigt, daß die Stadt derart verschandelt wird?

SOS. Rechtens

Es sei rechtens, habe ich mir neulich sagen lassen, daß mich seit Wochen schon Herbert Reul, CDU-Kandidat zur Europawahl von den Laternen der Umgehungsstraße aus angrinst. Rechtens auch, daß an den nämlichen Laternen ein gesichtsloses Blondchen die sinnbefreite Parole aufhübscht, daß irgendeine Freie Wählervereinigung Politik von Bürgern für Bürger macht, fordert, anstrebt, was auch immer. Rechtens. Weil die Umgehungsstraße nicht zum Kernbereich der Stadt, zur Innenstadt gehöre. Es ist also auch rechtens, daß die WNK ihre Plakate an den Laternen der Umgehungsstraße aufhängt. Rechtens schon. Aber gleichwohl eine Beleidigung für Geschmack und Verstand der Bürger. Wer glaubt in den Parteien eigentlich, daß die Bürger bereits Wochen und Monate vor der Europa- und Kommunalwahl die Plakate der Parteien intensiv sehen und studieren wollen? Zumal diese typographisch und ästhetisch keinen Vergleich mit den Standards der Warenwerbung aushalten. Und wenn man den politischen Gehalt der Plakate in den Blick nimmt, scheint es sich um Kommunikation mit dem Brecheisen zu handeln. SOS lesen wir beispielsweise auf den blaugrundierten WNK-Plakaten mit der wüstensandfarbenen Beschriftung. SOS. Das ist doch der internationale Notruf. Save our Souls. Rettet unsere  Seelen. Das macht Sinn. Die havarierte WNK ist in Not. Und deshalb sendet sie den Bürgern dieser Stadt das Zeichen. SOS. Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit. Wer eigentlich wäre nicht für eine saubere Stadt? Bestenfalls ein paar Drecksfinken. Ordnung, das ist doch etwas ganz individuelles für jeden Einzelnen. Jedenfalls nichts, was ich mir von den Großmeistern und Wahlkampfstrategen der WNK vorschreiben ließe. Sicherheit. Ist Wermelskirchen unsicher? Müssen die Bürger dieser Stadt Angst haben? Vor was und vor wem? Leben wir in einem Zentrum der Kriminalität? Ist Wermelskirchen die Hauptstadt der Diebe und Meuchelmörder? Alles schierer Blödsinn. Die WNK versucht, mit Parolen zu punkten, die von rechtspopulistischer Seite bekannt sind. Sie fischt im Trüben. Und hält damit die Bürger dieser Stadt und die Wähler für doof. Auf der Rückseite dieser Plakatkunst können wir lesen, daß die Blau-Wüstensandfarbenen Katt, Musikschule und Stadtbücherei zu schützen bzw. die Rathausfassade und das Hallenbad zu erneuern hätten. Bitte, macht doch. Zeit hattet ihr ja schon genug. Worauf wartet Ihr? Wer wäre dagegen? Diese dünnen Parölchen hängen jetzt schon Wochen. Ihre Funktion ist nicht die Aufklärung der Bürger. Sie dienen als Platzhalter. Diese Laterne gehört uns. Diese schlechten Plakate sind gleichsam das Handtuch, das teutonische, mit dem Liegeplätze an Stränden und Pools als besetzt reklamiert werden. Auf daß ja niemand anderes seinen Arsch und seinen sonnenverbrannten Rücken auf die Liege zu legen wage. Als Platzhalter gehen die Plakate vielleicht noch durch. Obwohl sie scheußlich sind. Und dumm. Und jetzt wird es noch doller. Die WNK pflastert die Innenstadtlaternen zu. Mit einer Einladung zu einem Frühschoppen. Genaueres erfährt man nicht auf den Plakaten. Wermelskirchen Zwanzigzwanzig. That’s it. C’est tout. Sinn macht lediglich die Handtuchfunktion. In der Stadt darf man für Veranstaltungen werben. Oder grüßen.

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Und das macht die CDU. Sie grüßt. Zu Ostern. Mit dem sinnbefreiten Spruch: Immer ein offenes Ohr für Sie! Ein dressierter Hase hat justament sein linkes (!) Ohr aufgestellt, auf daß wir den Unsinn glauben.  Den Grafikern der Christenunion ist lediglich entgangen, daß aus den Eiern des Plakats womöglich eine Vorliebe für Rot-Grün herauszulesen wäre. Sei’s drum. Wir wissen ja: Die CDU will nicht grüßen. Der Hase ist das Handtuch der CDU. Für die Laterne.

Robinsons Listen

Parteien gehören unbedingt in die Robinsonlisten. Das sind Schutzlisten für Menschen, die keine unaufgeforderte Werbung erhalten wollen. Robinsonlisten sind Verbraucherschutz.  Vor dem Terror unerwünschter Werbung. Es gibt diese Listen für Briefpost, E-Mail, Mobiltelefon, Festnetztelefon und Telefax. Ich will, auch nicht und vor allem nicht zu Weihnachten, von Parteien zugemüllt werden mit vermeintlich guten Wünschen. Nur, weil ich eine Stimme habe und bald wieder Wahlen sind. Der CDU-Wahlkreisbetreuer hat mir eine kitschige Postkarte in den Briefkasten werfen lassen, auf der er seine Hoffnung ausdrückt, “daß wir im kommenden Jahr gut zusammenarbeiten und gemeinsam unsere Stadt nach vorne bringen” werden. Geht’s noch? Gemeinsam? Darf man in der Vorweihnachtszeit träumen, was das Zeug hält? Ohne was zu rauchen. Und wovon träumt die CDU vor Ostern? Die Stadt nach vorne bringen. OK. Aber mit einer Partei, die das Rathausdebakel zuvörderst zu verantworten hat? Die Jahrzehnte lang nichts gegen die mit PCB-Verseuchung der Realschule unternommen hat? Wo ist für die CDU vorne? Einer Partei, die eine derart verkitschte Postkarte versendet, ist ohnehin nicht zu helfen, zu trauen schon mal gar nicht. Das wird nichts werden, lieber Herr Wahlkreisbetreuer, mit der Zusammenarbeit. Die per Mail versandte Karte der WNKUWG ist nicht minder kitschig. Allerdings faselt Henning Rehse nichts von Zusammenarbeit oder die Stadt nach vorne zu bringen. Das ist dann ja schon fast wohltuend. Gleichwohl. Die Parteien, christliche zumal, sollten das Geld, das sie in teure vorweihnachtliche Wahlwerbung stecken, so verwenden, wie Papst Franziskus es empfiehlt: den Armen zukommen lassen.

Gemütsmassage

Eine republikweite Gemütsmassage findet derzeit statt. Kaum ein Medium, das sich nicht beteiligt, kaum eine Zeitung, kaum ein Radiosender, kaum eine Fernsehstation, die sich nicht ums Gemüt der Sozialdemokraten mühen, jedenfalls der Sozialdemokraten, die Mitglied in der SPD sind. Auf der einen Seite wird der demokratische Charakter des Mitgliederentscheids der SPD bestritten. Schließlich hätten sich doch Millionen Wähler für eine große Koalition ausgesprochen, da könne über die Koalitionsvereinbarung, den GroKoDeal, doch nicht von nur vierhundertsiebzigtausend Mitgliedern der SPD befunden werden. Und auf der anderen Seite gibt es den unablässigen Appell an die SPD-Mitglieder, jetzt der staatspolitischen Verantwortung gerecht zu werden, was immer das auch sein mag. Die große Koalition, so ist allenthalben zu hören und zu lesen, sei die ultima Ratio der Stabilität in Deutschland und in diesem Sinne auch alternativlos. Nachdem ich gestern über den Livestream von Phönix einen Teil der Regionalkonferenz Hessen Süd der SPD zur Koalitionsvereinbarung verfolgen konnte, hege ich keinen Zweifel mehr, daß eine ansehnliche Mehrheit für die große Koalition zustande kommen wird. Das rhetorische Geschick des Vorsitzenden wird so manchen noch zweifelnden SPD-Genossen, wenn nicht überzeugen, dann doch jedenfalls zu einem halb- oder viertelherzigen Ja zur Vereinbarung mit den bayerischen Christsozialen und den gesamtdeutschen Christdemokraten bewegen. Das jedenfalls war gestern auf Phönix schon zu besichtigen. Und in diesem Sinne sind auch jene Journalisten zu verstehen, die nicht müde werden, der SPD einen großen Sieg in den Verhandlungen über die vereinten Christdemokraten zu attestieren. Die SPD habe sich in den Koalitionsvereinbarungen durchgesetzt und weit mehr erreicht, als es ihrem Stimmenanteil von etwa einem Viertel zukomme. CDU/CSU hingegen, denen ja nur fünf Bundestagsmandate zur absoluten Mehrheit fehlen, hätten ihre Handschrift in den Vereinbarungen nicht kenntlich machen können. Das Ganze wird dann noch unter den Oberbegriff der Sozialdemokratisierung gestellt. Die Große Koalition aber ist eine übergroße Koalition. Die parlamentarische Opposition wird von nur noch zwanzig Prozent der Bundestagsabgeordneten geleistet werden müssen. Und die Wahrung der Oppositionsrechte wird vom Wohlwollen der drei Koalitionsfraktionen abhängig sein. “Eine starke Demokratie braucht die Opposition im Parlament. CDU, CSU und SPD werden die Minderheitenrechte im Bundestag schützen.” Auf Seite einhundertvierundachtzig der Koalitionsvereinbarung ist das zu lesen, daß die Regierungsfraktionen auch das Geschäft der Opposition noch im Auge haben werden. Unter staatspolitischer Verantwortung verstehe ich das genaue Gegenteil einer übergroßen Koalition. Warum wurde nicht gründlicher und offen über eine Möglichkeit gesprochen, die das Wahlergebnis geradezu auf dem Tablett servierte, nämlich eine Minderheitsregierung der CDU/CSU. Wenn die SPD die Option einer knappen rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag nicht ernsthaft bedenken wollte oder konnte, wäre die knappe Minderheitsregierung der Christdemokraten und der Christsozialen aber staatspolitisch durchaus eine bedenkenswerte Alternative. CDU und CSU haben die Bundestagswahl gewonnen. Eindeutig. Angela Merkel hat ihren Anspruch auf eine weitere Amtszeit als Bundeskanzlerin bei den Wählern durchgesetzt. Die SPD hat die Wahlen verloren. Eindeutig. Nur einem Viertel der Wähler erschien im September die SPD samt Programm und Personal als regierungstauglich. Und die Wähler wählen keine Koalitionen. Sie wählen Parteien. Wegen ihres Programms, ihrer Politik und oder oder wegen ihres Personals. In die Regierung kann man sich zwar hineinverhandeln. Über Beratungen zur übergroßen Koalition. Dem Wählerwillen entspricht dies indes nicht. Mehr Demokratie wagen. Das kluge Motto aus der ersten Regierungserklärung eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers ist nach vierundvierzig Jahren aktueller denn je. Mehr Demokratie wagen, das könnte heutzutage das Wagnis bedeuten, sich auf Verhältnisse einzulassen, die in anderen europäischen Demokratien durchaus üblich sind, die von den Wählern immer mal wieder herbeigewählt werden und keineswegs eine Gefahr für die demokratische Grundstruktur und Verfassung des Landes darstellen. “Eine Minderheitsregierung, in der von Fall zu Fall um soziale und ökologische Lösungen gerungen wird, könnte ein solches Wagnis sein. Die Abgeordneten wären vom Fraktionszwang in bestimmten Fällen entbunden und frei, ihren Sachverstand zu gebrauchen. Ihr Mandat bekäme einen anderen Charakter, gebunden an die Wähler, nicht an die Parteidisziplin. Vorgaben der Regierung wären nicht mehr alternativlos. Dies würde eine Abkehr von der bisherigen politischen Kultur bedeuten. Und das wäre gut so.” So Daniela Dahn in der heutigen Ausgabe des Freitag, unter dem schönen Titel: Mehr Streit wagen. Stattdessen sieht die Koalitionsvereinbarung auf Seite einhundertvierundachtzig vor, daß “im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien (…) die Koalitionsfraktionen einheitlich ab(stimmen). Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen. Über das Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt. Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen eingebracht. Die Koalitionsfraktionen werden darüber eine Vereinbarung treffen.” Mehr Demokratie wagen? Die Abstimmungsguillotine wird sicher alsbald im Berliner Reichstag zu besichtigen sein. Wolfgang Bosbach wird sich, um seinen politischen Hals zu retten,  dann entscheiden müssen, ob er weiter den von der (Regierungs-)Linie abgefallenen Helden gibt, der Ronald Pofalla immer noch die Stichworte liefert, wenn es in die nächste Runde Europarettung geht. Die Stabilität der Regierung stehe und falle mit der Mehrheit im Parlament, heißt es immer wieder. Nun ja, die gewesene schwarz-gelbe Regierung hatte eine satte parlamentarische Mehrheit. Aber der Hort politischer Stabilität war sie wohl kaum. Der Einheitlichkeitszwang, sozusagen die “formierte Gesellschaft” (Ludwig Erhard) der übergroßen Koalition, ist das schiere Gegenteil von mehr Demokratie. Nämlich Einheitszwang, imperatives Mandat unter dem fadenscheinigen Deckmantel politischer Stabilität. „[Die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ So regelt das der Artikel 38 des Grundgesetzes. Der Abgeordnete ist bei seiner Entscheidung lediglich seinem Gewissen verpflichtet. Fraktionsdisziplin heißt das Zauberwort, mit dem abweichende Auffassungen, Minderheitenvoten unterdrückt werden können. Und die Autoren der Koalitionsvereinbarung schreiben fest, daß die Koalitionsdisziplin das Abgeordnetengewissen fest im (Würge-)Griff hat. Abweichende Meinungen sind nicht vorgesehenen in der übergroßen Koalition. Einer Koalition, die sich auf weit mehr als eine Zweidrittelmehrheit im Parlament stützen kann. Das gespenstisch-bequeme “Durchregieren” wird sie kennzeichnen, die  übergroße Koalition. Kein nennenswerter Widerspruch in den eigenen Reihen und zwei nur in sehr engen Grenzen oppositionsfähige Fraktionen auf der anderen Seite. Diese steinernen Verhältnisse hätte man mit einer Minderheitsregierung der vereinigten Christsozialen und -demokraten durchaus zum Tanzen bringen können, wie Daniela Dahn im Freitag ausführt: “Das Parlament würde nicht mehr zum sprichwörtlich gewordenen Vollzugsorgan des Kanzleramtes verkommen. Das Mitregieren käme nicht aus dem Koalieren, sondern aus dem Opponieren. So wäre die Regierung zu flexiblen Reaktionen gezwungen. (…) Beständigkeit in der Politik wird im Wesentlichen an der Außen-, Sicherheits- und Fiskalpolitik gemessen. Auf diesen Gebieten gab es in den vergangenen Jahren – leider mag man in vielen Fällen sagen – de facto sowieso schon eine Große Koalition. Die Sozialdemokraten haben die Euro-Rettungsschirme, die Afghanistan-Einsätze, den auch aus Deutschland kommenden Drohnentod, die diplomatischen Rücksichten gegenüber der NSA und vieles mehr mitgetragen. Das würde so weitergehen. (…) In diesem Sinne bliebe das Land durchaus stabil.” Mehr Demokratie wagen. Die übergroße Koalition ist keine Übung in mehr Demokratie. Die Mitgliederbefragung in der SPD dagegen ist eine solche Übung. Keine der an der Koalitionsvereinbarung beteiligten Parteien hatte zunächst im Sinn, gemeinsame Sache zu machen, eine Koalition zu bilden. Angetreten sind sie alle, um mit ihrem Programm und ihrem Personal Mehrheiten zu erringen. Koalitionen werden nicht gewählt. Die CDU hat fast die absolute Mehrheit erzielt, ihr geborener Koalitionspartner FDP dagegen wurde vom Wähler aus dem Parlament geworfen. Parteien werden gewählt (oder nicht gewählt) und Koalitionen werden nach der Wahl von Parteien gebildet, ohne daß der Wähler noch einmal bestätigend oder korrigierend eingreifen könnte. Und: Koalitionen werden normalerweise von den Parteispitzen abgesegnet. Den Vorständen. Mitunter auch von Parteitagen oder anderen Zirkeln. Beteiligt sind mithin zwischen wenigen Dutzend Parteioberen und wenigen Hundert Delegierten. Und nun soll eine Befragung von allen Mitgliedern einer Partei, vierhundertsiebzigtausend an der Zahl, demokratische Regeln und Standards verletzen? Geht’s noch? Die scheuklapprig-schludrig geführte öffentliche Debatte ist kein Meisterstück politischer Argumentationskunst. Allzu durchsichtig die partikularen Interessen.

 

WoBo

Plakate auf der Dellmannstraße. Viele. Dort, wo es zumeist auch etwas flotter zugeht. So manchen Autofahrer durchzuckt die Frage: Ist denn schon wieder Wahlkampf? Nein, beruhigt sich der Fahrer, Wahlen sind doch erst im September. Wenn man nur besser erkennen könnte, um was es geht auf diesen Plakaten. Langsam auf eine rote Ampel zugerollt und schon kann man lesen: Wir für WoBo. Trendy klingt das, hip, irgendwie jung, jugendlich. WoBo. Was mag das sein? Wolfgang Borchert? Nein, nein, zu alt, zu lange her. Wobo, der Zauberer? Irgendwas mit Bohnerwachs? Der Wochenendtarif irgendeines Mobilfunkbetreibers? Ein Medikament? Woboenzym? Eine neue Bank? Nur so geht Bank heute, die Wobobank. Dann noch ein Plakat. Von der CDU. Wolfgang Bosbach kommt nach Wermelskirchen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Bergisch-Gladbach. Aha. WoBo. WoBo kandidiert für die gefühlt zehnte Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Der Mann ist volkstümlich, pflegt den rheinischen Singsang und muß nichts mehr werden. Kann sich also auch verhaltene Kritik am CDU-Kurs leisten. Bleibt ohnehin folgenlos. WoBo wird ausgemerkelt, immer mehr. Nein. Ich bin nicht für WoBo. Der ist weder trendy, noch hip, nicht jung oder jugendlich. Eher ein Auslaufmodell. Ein netter Mann. Aber keiner, den das Land jetzt braucht. Seine Zeit ist um. Wir für WoBo? Nein, präsentiert uns einen anderen.

Ach Gott!

Kristina Schröder, unsere Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen, Jugend und Gedöns, hat in einem Interview mit der Wochenzeitung “Zeit” erklärt, der bestimmte Artikel bei der Redewendung “der liebe Gott” sei eigentlich egal, man könne genauso gut auch “das Gott” sagen. Ach Gott, Kristina, da mangelte es Dir wohl an der rechten göttlichen Eingebung. Das Gott. Oh Gott. Gottlob ist die Nachwuchstheologin im Ministerrang umzingelt von Rechtgläubigen. Christine Haderthauer, Amateurtheologin im Range einer bayerischen Sozialministerin, in der Bild-“Zeitung”: “Dieser verkopfte Quatsch macht mich sprachlos.” Für den Volltheologen und Vatikan-Berater sowie Direktor des bayerischen Wallfahrtsorts Maria Vesperbild, Prälat Wilhelm Imkamp, zeugt der Satz der Kristina Schröder “von einem erschreckenden religiösen Analphabetismus”. Und Katharina Reiche, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, konterte heftig: “Der (!) liebe Gott bleibt der (!) liebe Gott.” Gottseidank.