Ein Wirtschaftsminister, der unverantwortlich über die Pleite Griechenlands salbadert. Ein Vorsitzender der FDP, der vor den Berliner Wahlen noch einmal beim Stammtisch zu punkten versucht und dabei den DAX nach unten quatscht. Ein Vizekanzler, für den Kabinettsdisziplin ein Fremdwort zu sein scheint. Ein Außenminister, von dem kein Wort zu Europa zu vernehmen ist. Meine Güte. Was für ein hilfs- und ahnungsloses politisches Personal bietet uns die einst bedeutsame FDP. Eine geistig-politischen Wende, von der FDP und Westerwelle nach der Bundestagswahl ausgerufen, die einem den Magen umdreht.
Schlagwort: FDP
Schlußstrich
Zu Tode sparen
Griechenland spart sich zu Tode. Wie die TAZ am 30. August schrieb, mußte “im Athener Zentrum bereits jedes vierte Geschäft schließen, weil die Leute wegen der Krise Einkommenseinschnitte hinnehmen müssen und kein Geld mehr zum Einkaufen haben.” Heute morgen konnte man in WDR 5 eine Reportage über die zunehmende Obdachlosigkeit in Griechenland hören. Finanzminister Evangelos Venizelos schätzt, daß das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr voraussichtlich um mehr als fünf Prozent einbrechen wird. Damit kann Athen die anvisierte Defizitquote von 7,4 Prozent kaum erreichen, Venizelos befürchtet offenbar einen Anstieg auf 8,8 Prozent. 2010 sind die Konsumausgaben schon stark zurückgegangen. Im ersten Quartal 2011 sanken die realen Konsumausgaben der privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahresquartal um 7,9 Prozent, im zweiten Quartal um 6,14 Prozent, wie man im Blog Querschuesse nachlesen kann. Und nun stellen wir uns vor, daß Griechenland aus der Eurozone aussteigt, wie es CSU und die neoliberale Boygroup der FDP immer mehr fordern. Die Griechen würden die Drachme wieder einführen, die sie dann sogleich drastisch abwerten müssten. Die Abwertung könnte den Export beleben, doch exportiert Griechenland nur etwa sieben Prozent seines Bruttoinlandsproduktes. Derweil wird die wertlose Drachme den griechischen Finanzsektor und etliche Unternehmen in den Bankrott treiben. Denn die Schulden sind in Euro ausgestellt und würden sich durch eine Abwertung der Drachme vervielfachen. Und: Athen bliebe vermutlich auf seinen neuen Staatsanleihen in Drachmen sitzen und könnte sich wohl kaum am Kapitalmarkt refinanzieren. Und nun kommen die deutschen Banken und Versicherungen ins Spiel. Deutsche Banken hielten Anfang des Jahres Griechenland-Anleihen in Höhe von 10,3 Mrd. Euro, wie am neunten Juni die Financial Times Deutschland schrieb. Das war schon dramatischer, denn die Banken haben entgegen ihrer Zusagen inzwischen in großem Maße verkauft. Die Versicherer sollen auf griechischen Papieren im Wert von 2,8 Mrd. Euro sitzen. Wenn der griechische Staat Insolvenz anmeldet, gehen auch die griechischen Banken pleite, die ein Fünftel der Athener Staatsanleihen in ihren Büchern stehen haben. Wenn die griechischen Banken kollabieren, verschwinden auch viele Unternehmen im Strudel. Und nun stellen wir uns vor, daß das Ganze in allen PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) gleichzeitig passiert. Da kommen Riesensummen zusammen. Anfang letztes Jahr besaßen die deutschen Banken PIIGS-Papiere im Wert von 522,4 Mrd. Euro. Und: 8,9 Prozent der Kapitalanlagen der deutschen Lebensversicherer sind Anleihen der PIIGS-Staaten. Die Europäische Zentralbank hat 2010 Griechenland-Anleihen in Höhe von 50 Milliarden Euro zurückgekauft und weitere Staatsanleihen im Wert von 60 bis 90 Milliarden Euro von griechischen Geschäftsbanken als Sicherheit bei der EZB und den europäischen Notenbanken für aufgenommene Kredite hinterlegt. So simpel scheint es mir mithin nicht zu sein, Griechenland aus der Eurozone zu entlassen, wie die Schlaumeier aus CSU, FDP und CDU glauben machen wollen. Wenn der Stammtisch und die Boulevardmedien die Hirne der Regierenden regieren, kann das Ergebnis nur verantwortungsloser Populismus sein.
Positives Potential
Der FDP-Vorsitzende, Dr. med P. Rösler, bescheinigt dem seit zwei Jahren amtierenden und von der FDP gestellten Bundesaußenminister, Dr. Guido Westerwelle, “positives Potential”. Meine Güte. Selbstgefälliges Gerede statt politischer Semantik. Die liberale Partei hat uns wirklich nichts mehr zu sagen.
Anmaßung
“In außenpolitischen Fragen habe ich als Parteivorsitzender die Linie klar vorgegeben. Und der Bundesaußenminister ist dieser Linie genau so klar gefolgt.” Der Urheber dieses anmaßenden Satzes ist nicht die Inhaberin der Richtlinienkompetenz in der Bundesregierung, die Bundeskanzlerin. Nein. Der neue Vorsitzende der FDP, Phillip Rösler, versuchte, mit diesem Satz deutlich zu machen, daß er der Herr im blau-gelben Haus, Häuschen ist. Der Herr Rösler wollte “liefern”, wie er nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der ehemals bedeutsamen liberalen Partei öffentlich bekundet hat. Man nehme ihn beim Wort. Die Septemberwahlen hat die “neue” Führung der Partei zu vertreten, nicht mehr nur Guido Westerwelle. Tissy Bruns, die kluge Journalistin und Beobachterin der Vorgänge in Berlin, schrieb gestern im Berliner Tagesspiegel: “Westerwelle hat den Status des großen Schuldigen, der das innere Zittern und Beben der neuen FDP-Spitze übertönen kann. Dem Sensationserfolg der Bundestagswahl, unstrittig Guidos Werk, folgte ein beispielloser Abstieg. Analysiert, erklärt, begriffen ist dieser Abstieg in die Nähe der 5-Prozent-Hürde nicht. Aber gefühlsmäßig verdichtet ist die Schmach desto mehr, sie wird projeziert auf den Schreihals, den mit der spätrömischen Dekadenz. Unvermeidlich, dass die FDP sich davon frei machen muss. Aber unvermeidlich werden dann auch Antworten auf die Frage fällig, was anderes als Westerwelles Politik die neue FDP eigentlich liefern will.” Auf diese Antworten bin ich sehr gespannt.
Vor oder Hinter?
Der FDP-Vorstand stellt sich hinter Westerwelle. So melden es Zeitungen und Fernsehredaktionen heute. Nur: Wenn ich mich hinter jemanden stelle, suche ich Schutz. Müßte sich die FDP-Spitze nicht also vor Westerwelle stellen? Westerwelle steht, mal wieder, am Abgrund seiner Tätigkeit als Bundesaußenminister. Und so macht das Bild vom Minister und den hinter ihm stehenden Parteifreunden wieder Sinn.
Zwischenbilanz
“Unser” Christian
“Unser Christian” heiratet. Diese Formulierung samt Possessivpronomen hat die Lokaljournalistin Gundhild Tillmanns in ihrem Beitrag in der Bergischen Morgenpost verwendet. Es geht um den aus Wermelskirchen stammenden Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, der in dieser Woche von seinem Freund, Bürgermeister Eric Weik, mit der Journalistin Dagmar Rosenfeld vermählt wird. Christian ist fortan also “unser” aller Christian. Gundhild Tillmanns Begeisterung über dieses gesellschaftliche Großereignis ist mit Händen zu greifen: Ein Heiratsantrag auf einer Serviette in einem Restaurant auf Fuerteventura, das Traugespräch mit dem Bürgermeister, die vorgezogene Hochzeitsreise auf der “Queen Mary”. Die Morgenpost schlüpft in die Rolle der örtlichen “yellow Press”. Selbst vor einer weiteren Peinlichkeit scheut das Wermelskirchener Gesellschaftsblatt nicht zurück: “Ob Lindner und Rosenfeld wie weiland in dem Kino-Film ‘Untergang der Titanic’ in memoriam Leonardo DiCaprio und Kate Winslet die berühmte Liebesszene am Schiffsbug nachgespielt haben, ist nicht überliefert.” Originalton Tillmanns. Im Gesellschaftsblatt assoziiert man mit dem Untergang der Titanic Winslet und DiCaprio. Im seriösen Journalismus wohl eher den Niedergang der Partei Christian Lindners. Einerlei. Christian Lindner heiratet. Gut so. Eric Weik traut. Gut so. Alles kein Grund für mediokre Schmachtfetzen in der lokalen Presse. “Unser” Christian wird Christian Lindner bleiben – für Werner Güntermann, Heinz Jürgen Manderla, Patrick Engels, für die Mitglieder und Freunde der FDP. Für alle anderen bleibt er Christian Lindner, ohne “unser”. Ich gratuliere dem Brautpaar und wünsche beiden ein Fest, an das sie noch lange denken werden. Möglichst ohne Lokaljournalisten.
Der Nächste bitte…
Nun also auch Jürgen Goldschmidt. Der FDP-Bürgermeister von Forst in der Lausitz, der Partnerstadt Wermelskirchens, steht unter dem Verdacht, in seiner Doktorarbeit gegen die Gebote und guten Sitten wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlicher Publikation verstoßen zu haben. In dem einen oder anderen Fall, so schreibt die Bergische Morgenpost heute, seien ihm “Quellennennungen dadurch gegangen”. Zur wissenschaftlichen Güte der von der technischen Universität Berlin mit gut benoteten Arbeit trug unter anderem eine Statistik der wissenschaftlichen Fachpublikation “Superillu” über die Zu- und Auswanderungen in Ostdeutschland bei. Der zitierende Hinweis auf diese Quelle fachwissenschaftlicher Inspiration ist indes unterblieben. Wenn sich schon die Lokalredaktion der Bergischen Morgenpost den Hinweis nicht verkneifen kann, daß das Boulevardblatt “Superillu” hinlänglich bekannt sei für “Hübsche Mädchen aus Ostdeutschland- hüllenlos: Ob blond, ob braun, bei Superillu.de finden Sie junge Frau’n…..”,dann liegt der Gedanke wohl nahe, daß es sich nicht um eine bloße Vergeßlichkeit des Herrn Doktor gehandelt hat. Ich bleibe, mal wieder, an der Seite von Michael Spreng, dem konservativen Publizisten und Politikberater. Der kritisierte neulich in seinem Blog Sprengsatz, daß man sich mit Blick auf die beiden Europaabgeordneten der FDP, Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis, offenbar damit abgefunden habe, “dass die beiden den Skandal aussitzen und ihr Mandat behalten wollen. Es geht immerhin noch um 35 Monatsdiäten in Höhe von 8.000 Euro. Auch das peinliche Schweigen der FDP-Spitze zu ihren beiden Ex-Doktoren wird nicht thematisiert. Kein Rösler und kein Bahr, Lindner oder Brüderle sagen etwas und kein Jornalist (Fehler im Original, W.H.) fragt etwas. Die Sagenichte und die Fragenichtse.” Vielleicht nicht das Gesetz, aber jedenfalls der bürgerliche Anstand geböte, Mandate und Ämter aufzugeben, wenn erwiesen ist, daß gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen worden ist. Immerhin haben die Plagiatoren fremdes geistiges Eigentum als eigene schöpferische Leistung ausgegeben. Das darf man niemandem durchgehen lassen. Schon mal gar nicht Politikern, Mandatsträgern oder Amtsinhabern, die eine öffentliche Rolle spielen, deren Aufgabe es ist, vorbildlich für das Gemeinwohl zu wirken, und deren Leitsatz ja wohl lautet, daß sich Leistung lohnen müsse. Daran ändert auch eine nur lokale oder regionale Bedeutung des Plagiatoren nichts.
