Monat: Juni 2010

Warum eigentlich nicht?

“Gestaltungsmacht aus der Opposition heraus.” Kraftvoll klingt das in meinen Ohren nicht, was Hannelore Kraft nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen nunmehr als Strategie für die SPD im Land ausgibt. Warum eigentlich bilden SPD und Grüne keine Minderheitsregierung? Frau Kraft könnte sich im vierten Wahlgang mit einfacher Stimmenmehrheit im Landtag zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Das sieht die Landesverfassung  im Artikel 52 (2) vor. ” Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zustande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben.” SPD und Grüne stellen im neuen Landtag zusammen neunzig Mandate, FDP und CDU dagegen nur achtzig. Daß die Linke mit ihren elf Abgeordneten in einer solchen Abstimmung Jürgen Rüttgers ins Amt hievt, ist doch eher unwahrscheinlich. Es bestünde mithin eine veritable Chance, die nunmehr geschäftsführende schwarz-gelbe Regierung abzuwählen. Minderheitsregierungen und damit wechselnde Mehrheiten sind an sich nichts Ungewöhnliches im Politikbetrieb. In den skandinavischen Ländern, selbst in Holland oder Belgien oder anderen Nachbarländern hat es das schon häufiger gegeben. Offenkundig sind die politischen Parteien hierzulande, alle, noch nicht imstande, mit den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen umzugehen, wie sie in den Wahlergebnissen zum Ausdruck kommen. Sie klammern sich verzweifelt an die hergebrachten politischen Muster. Nicht jeder kann mit jedem, Koalitionsverträge müssen für die Dauer einer Legislaturperiode halten. Warum eigentlich? Warum eigentlich können SPD und Grüne nicht mit der FDP in der Rechtspolitik Gesetze beschließen? Warum eigentlich können SPD und Grüne mit der CDU nicht steuerpolitisch das Richtige tun? Warum eigentlich können Grüne und SPD mit der Linken nicht schulpolitisch neue Weichen stellen? Warum eigentlich nicht? Gerade jetzt ginge es darum, mit gehörigem politischen Mut gesellschaftliche Reformen voranzubringen, zur Not eben mit wechselnden Mehrheiten. Stattdessen erheben die Parteien die wechselseitige Blockade in den Stand der politischen Weisheit. Und nachgerade dumm ist es, die Regierung den Kräften zu überlassen, denen an Veränderung nicht gelegen ist. Jetzt muß es doch vor allem darum gehen, daß die Spaltung der Gesellschaft nicht weiter vertieft wird. Also muß von Nordrhein-Westfalen aus der Versuch gemacht werden, die unsoziale Politik der Bundesregierung über den Bundesrat zu bremsen, also muß von Nordrhein-Westfalen ein Signal ausgehen, sich im parlamentarischen Fünf-Parteien-System der vorhandenen Fesseln der Parteipolitik zu entledigen.

Vuvuzela

Zwei Spiele und ich habe sie schon satt: Die Vuvuzelas. Können die beim Fernsehen den Stadioton nicht runterpegeln? Können die Sprecher nicht munterer moderieren und so den Quäkton wegdrücken? Vier Wochen Vuvuzela und das Land wird ein Tinitusland sein.

Finanzkrise vorbei

Endlich. Wurde ja auch Zeit. Die Finanzkrise ist vorbei. Das geht jedenfalls aus der Studie einer Unternehmensberatung hervor. 2009 gab es weltweit Vermögenswerte in Höhe von 111,5 Billionen Dollar – so viel wie 2007. Die Krise ist gemeistert. Jedenfalls für die Vermögenden. Denn die Vermögenswerte von Privatanlegern, in Bargeld, Aktien, Wertpapieren oder Fonds angelegt, stiegen um 11,5 Prozent und glichen damit die Verluste des Vorjahres wieder aus. “Weltweit wurden im vergangenen Jahr 11,2 Millionen Millionärshaushalte ermittelt – 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten Millionäre wohnten in den USA (4,7 Millionen), gefolgt von Japan (1,2 Millionen), China (670.000), Großbritannien (485.000) und Deutschland (430.000).” Die Vermögenswerte nehmen zu, die Zahl der Millionäre ebenfalls. Das wird die Bürger unseres Landes freuen, die vom “Spar”-Paket der Koalition rasiert werden sollen. “Gut ist der Reichtum, wenn er ohne Sünde ist.” (Sprüche 19,4)

Bürgerlich?

Bürgerliche Koalition, geistig-politische Wende. Mit diesen Kennzeichnungen sind sie angetreten, nach der Bundestagswahl, CDU/CSU und FDP. Bürgerlich. Welch großes Wort. Eine Koalition der bürgerlichen Manieren, des bürgerlichen Anstandes ist es indes auf keinen Fall. Wildsau, Rumpelstilzchen, Gurkentruppe – nur einige der Wertungen, mit denen sich die schwarz-gelben Koalitionäre nachgerade täglich wechselseitig überziehen. “Übellaunig, uninspiriert, auf Krawall gebürstet arbeiten sich die Koalitionsparteien aneinander ab und vermitteln den Eindruck von Leuten, die es nur noch schwer miteinander aushalten.” So Dietmar Riemer vom Norddeutschen Rundfunk  heute in einem Kommentar. “Der kommunikative Offenbarungseid der politischen Eliten hat sich bereits als Lachnummer bei Jugendlichen etabliert, die doch angeblich zu sozialer Verantwortung und gegenseitigem Respekt erzogen werden.” Dies äußert auf der gleichen Seite Christiane Meier vom Westdeutschen Rundfunk und fährt fort: “Die Wildsau als Sprachbild, die Gurkentruppe als Antwort, der Kuhhandel als Handlungsanweisung und die gegenseitige Verleumdung, gekoppelt mit politischen Hinterhalten und Unehrlichkeiten als Alltagsspektakel -das also sind die Vorbilder für unsere Kinder. Wie soll man einem 13-jährigen erklären, dass man nicht lügt, keine Schimpfworte benutzt und einander respektiert?” Und bei Mark Kleber von Südwestrundfunk heißt es: “Ob der Ärger um die Kopfpauschale, die Wehrpflicht, Sicherungsverwahrung oder eben Opel: Nirgendwo eine Gemeinsamkeit. So sieht also die geistig-politische Wende aus, die FDP-Chef Westerwelle versprochen hatte. Stimmt, das ist eine Wende – zum Schlechteren. Die Liberalen erpressen in ihrer Verzweiflung jetzt sogar die Kanzlerin damit, den gemeinsamen Bundespräsidenten-Kandidaten Christian Wulff nicht zu wählen. Zustimmung nur, wenn keine Steuern erhöht werden. So gräbt man mit Schaufelbaggern weiter an dem Loch, in dem die Koalition zusehends verschwindet.” Bürgerliche Koalition, geistig-moralische Wende. Die Koalition, die Regierung taugt nicht als Bild, um etwa über die Bedeutung einer bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Potentiale nachzudenken. Koalition und Regierung sind weit von allen möglichen Vorstellungen eines irgendwie noch bürgerlichen Diskurses entfernt. Eiferer und Ideologen prägen das Bild, fernab von politischer oder ökonomischer Wirklichkeit, von guter und genauer Kenntnis der Lebensverhältnisse der Menschen, in deren Interessen zu handeln sie geschworen haben. Eiferer und Ideologen bestimmen – noch – die Debatte, in allen Koalitionsparteien, in der FDP jedoch zuvörderst. Wer jemals selbst ein Eiferer war oder ein Missionar, der erkennt sich und seine Vergangeheit wieder in diesen Gestalten. Ich war ein solcher. Und andere auch. “Ich habe in letzter Zeit sehr oft Begegnungen mit dieser jungen Generation von Neoliberalen in Organisationen, in Wirtschaftsinstituten und so. Ich bin da neulich vom Tisch gegangen und habe gedacht, ich erkenne diese fast sektenmäßige Anbetung wieder, in diesem Fall die Marktgläubigkeit. Diese Ausblendung von Lebenserfahrung, diese Blauäugigkeit. Ich habegedacht, ich gucke mir selbst ins Gesicht. Dieses Gerede vom Markt und seinen Siegen, das klingt für mich wie unser Gerede vom Sieg der Weltrevolution.” So Krista Sager, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen in einem Disput von sechzehn “Alt-Achtundsechzigern” aus Bremen, unter dem Titel: “Bürgerlich bis auf die Knochen”. Im Zentrum der Idee einer bürgerlichen Gesellschaft stehen freie und mündige Bürger, die Citoyens, die in einer modernen, freien und säkularisierten Gesellschaft ihre Verhältnisse vernünftig, selbständig und friedlich regeln, ohne obrigkeitsstaatliche Gängelung. Diese Idee richtet sich gegen feudale Verhältnisse, gegen Geburtsprivilegien, gegen ständische Ungleicheit, gegen kirchliche Orthodoxie. Eine bürgerliche Gesellschaft freier Bürger setzt auf Arbeit, Leistung und Bildung, auf Vernunft statt Tradition, auf individuelle Konkurrenz und genossenschaftliche Gemeinsamkeit. Die bürgerliche Gesellschaft bedarf des Marktes, des Rechtsstaates, der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen, öffentlicher Kommunikation und Medien, einer kritischen Öffentlichkeit. Seine Basis hatte die bürgerliche Gesellschaft zunächst im sich formierenden Besitzbürgertum, den Bourgeois.  Der Tendenz nach aber ist die bürgerliche  Gesellschaft ein Programm für alle, eine universale Idee, die unter dem Motto: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die umfassende Teilnahme und Verantwortung der Staatsbürger zu organisieren sucht und mithin als Bürger mehr und mehr den Citoyen als den Bourgeois versteht. Jens Hacke schrieb bereits 2006 in der TAZ: “Denn wir haben ja gar keine andere Wahl, als an einem Idealbild des Bürgers festzuhalten. Es ist der einzige Begriff, mit dem wir das menschliche Bedürfnis nach Individualität und Gemeinschaftsbindung gleichermaßen ausdrücken können. (…) Die Debatte um eine neue Bürgerlichkeit reflektiert auf gesunde Weise die Suche nach dem Gemeinwohl im klassischen Sinn.” Linke und Altachtundsechziger auf der Suche nach dem die Gesellschaft verbindenden Begriff, nach der Substanz der bürgerlichen Gesellschaft, die von Liberalen und Konservativen zugunsten der Marktradikalität, einer unbürgerlichen Ellbogengesellschaft aufgegeben zu sein scheint. Interessant. Oder? Bürgerlichkeit ist heutzutage nicht auf die eher kleine soziale Schicht des Bürgertums beschränkt, sondern wirkt weit auch in andere soziale Milieus hinein. Bürgerlichkeit ist also kein Alleinstellungsmerkmal bestimmter politischer Gruppierungen oder Parteien mehr, der konservativen oder liberalen Partei etwa. Bürgerlichkeit ist ein Kennzeichen der Mitte der Gesellschaft und gewiß auch all der politischen Parteien, die in den Parlamenten vertreten sind, wenn man von rechtsradikalen oder terroristischen Gruppen absieht. Wir leben in einer bürgerlichen Gesellschaft. Aber die Parteien der schwarz-gelben Koalition werden derzeit den Grundgedanken dieser Gesellschaft nicht oder kaum gerecht. Sie bedienen jeweils ihr Klientel. Soziale Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Konsens, rationales politisches Handeln im Interesse der Gesamtgesellschaft, des Gemeinwohls verschwinden hinter den Partikularinteressen.  Bürgerliches Handeln verliert eben nicht den Blick für soziale Ungerechtigkeit, bürgerliches Handeln ist gerichtet gegen die Spaltung der Gesellschaft, bürgerliches Handeln hat eine Idee von der gedeihlichen Entwicklung der ganzen Gesellschaft. Schwarz-gelb ist keine bürgerliche Koalition. Und sie benehmen sich nicht wie anständige Bürger.

Tapfer, aber ahnungslos

Kaum ist das sogenannte “Spar”-Paket der Koalition, für dessen enorme soziale Schieflage vor allem die FDP verantwortlich zeichnet, in der Öffentlichkeit, sackt die FDP in Umfragen auf die Fünf-Prozent-Marke ab. Offenbar mag die große Mehrheit der Bürger der einseitigen Belastungspolitik nicht folgen. In nur wenigen Monaten hat sich die liberale Partei pulverisiert. Zwei Drittel ihrer Anhänger hat sie in nur einem Dreivierteljahr vergrault. Und sie merkt es offenbar noch nicht einmal wirklich. “Selbst unter Gutverdienern und Vermögenden dürfte es keine Mehrheit mehr geben für eine Haushalts-‘Konsolidierung’ mit den Mitteln sozialer Sprengsätze”, schreibt Stephan Hebel heute in der Frankfurter Rundschau. Selbst in der Union und gar im Wirtschaftsflügel der CDU diskutiert man über die Notwendigkeit von (maßvollen) Steuererhöhungen für die Vermögenden oder eine stärkere Beteiligung der Krisenverursacher aus der Bankenwelt und der Finanzwirtschaft an der Eindämmung der Haushaltskrise. Nur in der FDP werden die neoliberalen Dogmen weiterhin gepredigt, vollkommen unabhängig von den ökonomischen und politischen Realitäten. “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.” Der berühmte Satz von Michael Gorbatschow richtete sich 1989, anläßlich des vierzigsten Jahrestages der DDR, gegen die Riege alter Männer, die tapfer, aber ahnungslos Arbeiterlieder sangen gegen den Wind des Wandels. Heute gegen die Riege junger Männer, die tapfer, aber ahnungslos  die neoliberalen Glaubenssätz herbeten gegen den Wind des Wandels. Die DDR jedenfalls ist schon Geschichte. Millionen Menschen in unserem Land führen ein Leben in unauffälliger Würde. Diese Würde kann ihnen auch die schwarz-gelbe Koalition nicht nehmen. Womöglich werden viele von ihnen die Überlegung anstellen, daß sie sich ihre Würde auch auf der Straße werden wahren müssen, im Protest gegen die unsoziale Bundesregierung. “Dieses angebliche Sparkonzept muss auch den weitgehend verschonten Mittelstand aufbegehren lassen. Denn wer heute noch zur Mittelschicht gehört, kann schon morgen seinen Job verlieren. Und dann dreht sich die Abwärtsspirale nächstens noch schneller. Dass der Union nicht mal der Mittelstand heilig ist und auch nicht eigenes Regierungshandeln von gestern, zeigt die Kappung beim Elterngeld, die auch Gutsituierte trifft. Hauptsache, die ganz oben werden geschont. Gründe genug, für die, die schon ganz unten sind, und jene in der Mitte, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Aus aktueller oder potenzieller Betroffenheit. Oder noch besser: Um des sozialen Friedens willen, der dieser Koalition keinen Cent wert ist.” Das schrieb gestern Monika Kappus in der Frankfurter Rundschau.

Sparen ist die Lieblingsabgabe der Reichen – an die Armen!

Sparen. Sparen ist gut. Sparen ist positiv. Ein sparsamer Mensch ist ein vorsorgender Mensch.  Sparen bedeutet, weniger auszugeben, als man einnimmt. Sparen heißt, auf die hohe Kante zu legen für Zeiten der Not, dann, wenn die Einnahmen nicht mehr so recht sprudeln oder gar sinken. Die Bundesregierung aber spart nicht. Sie legt nichts auf die hohe Kante. Sie gibt nicht weniger aus, als sie einnimmt. Das heute beschlossene “Spar”-Paket ist der Versuch, weniger Schulden zu machen, als ursprünglich beabsichtigt, also den Schuldenanstieg zu dämpfen. “Für den Normalbürger bedeutet Sparen: Er gibt das Geld, was er hat, nicht aus. Für den Staat bedeutet Sparen: Er gibt das Geld, was er nicht hat, nicht aus.” (Fritz Süverkrup) Die Bundesregierung kann ohne neue Schulden nicht bezahlen, was sie sich vorgenommen hat, was gesetztlich vorgeschrieben ist. Jetzt also, in Zeiten der Finanzkrise, der Eurokrise, muß der Schuldenanstieg reduziert, müssen die Ausgaben gesenkt werden. “Wir leben über unsere Verhältnisse”, heißt es in solchen Zeiten immer wieder. Wer ist “wir”? Haben die Arbeitslosen über ihre Verhältnisse gelebt, mit Arbeitslosengeld I? Haben die Millionen Hartz IV-Empänger über ihre Verhältnisse gelebt und den Staat ausgeplündert? Haben die Wohngeldempfänger über ihre Verhältnisse gelebt? Haben die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes über ihre Verhältnisse gelebt? Haben die Eltern über ihre Verhältnisse gelebt und mit Elterngeld den Bundeshaushalt geplündert? Einerlei. An ihnen allen wird nun gespart werden, wenn es nach der Bundesregierung geht, der Schwarz-gelben. Mehr als zwanzig Milliarden Euro läßt sich die Bundesregierung jährlich die Subventionen der Wirtschaft kosten.  Gespart wird in diesem Bereich nicht. Eine Milliarde Euro kosten den Steuerzahler jährlich die Subventionen der Hotelwirtschaft. Gespart wird in diesem Bereich ebenfalls nicht. Zu Zeiten der Kanzlerschaft Helmut Kohls betrug der Spitzensteuersatz 53 Prozent. Niemand wird auf die Idee kommen, diese Zeiten als sozialistische Vergangenheit der Republik zu kennzeichnen. Was also spräche dagegen, die angespannte Haushaltslage dadurch zu entspannen, den Spitzensteuersatz für große Einkünfte um ein paar Prozentpünktchen anzuheben? Nur die FDP. Die FDP, die seinerzeit im übrigen in der Bundesregierung von Helmut Kohl saß. Wer hat die Banken- und Finanzkrise eigentlich verursacht? Die Erwerbslosen, die Familien, die Geringverdiener, die Wohngeldempfänger, Otto Mustermann? Natürlich nicht. Die Gier von Banken und Finanzindustrie war verantwortlich, denen sieben oder zehn Prozent Rendite nicht genügten. Wird die Finanzindustrie an der Haushaltskonsolidierung beteiligt? Ja. Mit einer Finanztransaktionssteuer – sofern man sie durchsetzen kann. Ab 2012. Papier ist ja so geduldig. Die Kernenergiewirtschaft soll demnächst eine Brennelementsteuer bezahlen. 2,3 Milliarden. Wenn die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert werden. Die Sanierung der Brennelementelager aber zahlen weiterhin alle Steuerzahler. Geschätzte zehn Milliarden Euro. „Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch“, heißt es im schwarz-gelben Streichpapier. Jetzt wissen wir alle, wie dieser zynische Satz gemeint ist. Viele Menschen werden bezahlen müssen, was wenige angerichtet haben. Arbeitslosen und Jobsuchern geht es an den fadenscheinigen Kragen. Fast die Hälfte dessen, was die Koalition im kommenden Jahr sparen will, geht auf das Konto von Sozialleistungen und Arbeitsmarktmaßnahmen. Die Bundesregierung produziert damit neue Armut. Für Langzeiterwerbslose wird das Elterngeld gestrichen, für Wohngeldempänger der Heizkostenzuschuss getilgt, für Hartz IV-Bezieher der Rentenversicherungsbeitrag abgeschafft, für Arbeitslose der befristete Zuschlags beim Übergang ins Arbeitslosengeld II, das Elterngeld wird gesenkt, bei Hartz IV-Bezug ganz abgeschafft. Verlierer des “Spar”-Pakets sind Arbeitslose und Familien. Die Gewinner Vermögende und Reiche, die Finanzwirtschaft, Banken und Wirtschaftsunternehmen. Nur für Politiker der schwarz-gelben Koalition ist das keine Schieflage. “Sparen ist die Lieblingsabgabe der Reichen – an die Armen!” (Elmar Kupke, deutscher Aphoristiker und Stadtphilosoph)