Monat: Juni 2010

Tag des Öffentlichen Dienstes

Heute ist mal wieder ein Tag für die ausgelutschtesten Beamtenwitze. Denn: Heute wird der Tag des öffentlichen Dienstes begangen. Vorgeschlagen von den Vereinten Nationen. Beamte sind faul und bräsig, so das bekannteste Klischee. Indes kennen Beamte keine 35-Stundenwoche. Die Regel sind 41 Arbeitsstunden. Und: Überstunden werden in aller Regel nicht bezahlt. Beamte sind auch nicht teurer als Angestellte. Das hat jedenfalls der Bundesrechnungshof berechnet. Wir haben zuviele Beamte, der Staat, der öffentliche Dienst ist aufgebläht. So ein weiteres Klischee. Falsch. Hierzulande sind etwa 12,5% aller Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. In Großbrittanien sind es 22%, ein Drittel sogar in Dänemark und Schweden. Zwischen 1995 und 2006 hat die Anzahl der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes stark abgenommen, von 5,3 Millionen auf 4,5 Millionen. Öffentlicher Dienst, das sind nicht nur einfach Kommunal-, Bundes- oder Landesbeamte. Öffentlicher Dienst sind Lehrer, Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Sozialarbeiter, Standesbeamte, Schulen und Hochschulen, Wasserwerke, Müllabfuhr, Verkehrsbetriebe, Sozialversicherungen, Wirtschaftsförderung, Orchester, Lebensmittelkontrolle, Finanzamt, Ärzte, Pflegerinnen, Soldaten, Psychologen, Gefängnisse, Straßenbau, Musiker, Ordnungsämter und vieles, vieles mehr, was den Bürgern das Dasein erst ermöglicht und auch erleichtert. Also. Keine Beamtenwitze heute.

Die kleinen Pfeifen

Zugegeben, die großen Tröten, die Vuvuzelas,  sind ein Ärgernis bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Ein weitaus größeres Ärgernis aber sind die kleinen Pfeifen und ihre Pfeifer, die Schiedsrichter. Der eine erkennt ein regulär erzieltes Tor nicht an, das der USA gegen Slowenien. Der andere läßt Brasilien ein Tor mit Hilfe doppelten Handspiels erzielen. Andere wieder zerstören keineswegs besonders unsportliche Spiele durch wahllos verteilte gelbe und gelb-rote Karten. Und wieder einer stellt Spieler wegen eines gerinfügigen Vergehens vom Platz, ist aber nicht imstande, die Tätlichkeit eines Kickers der anderen Mannschaft zu erkennen. Ein Spiel ärger als das nächste. Und mittendrin und oft verantwortlich: Schiedsrichter, die sich auf seltsame Weise dem sinkenden spielerischen Niveau anzupassen verstehen. Die WM ist eine einzige Enttäuschung, bis jetzt.

Tag des Schlafes

Tag des Schlafes ist heute. Wirklich. Ins Leben gerufen von der World Association of Sleep Medicine. Seit zehn Jahren will die Organisation auf wichtige Themen im Zusammenhang mit Schlafstörungen aufmerksam machen. In Deutschland beispielsweise hat fast jeder Fünfte regelmäßige, behandlungsbedürftige Schlafprobleme. Aus diesem Grund hat die FIFA wohl auch die Fußballweltmeisterschaft genau in diese Zeit gelegt. Langweilige Spiele, sich wechselseitig neutralisierender Systemfußball, überwiegend lustloses Gekicke, armselige Ergebnisse – und schon fallen die Äuglein zu und die Menschen in den wohlverdienten Schlaf. Geschickte Zusammenarbeit der Herren um Sepp Blatter und der Sleep Medicine.

“Ein Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit”

17. Juni. Da war doch noch was. Ich erinnere mich dunkel, daß wir als Kinder in der Schule Geld mitbringen mußten und dafür eine Anstecknadel in Form des Brandenburger Tores vom Kuratorium Unteilbares Deutschland bekamen. Aufstand in der DDR. Seit 1954 alljährlicher Pflichttermin für die Politik. Früher Tag der deutschen Einheit, Feiertag, freier Tag. Heute kein Feiertag mehr. Ein normaler Arbeitstag. Irgendwie untergegangen in der öffentlichen Betrachtung. Nur im Deutschen Bundestag wird der Ereignisse des 17. Juni 1953 jährlich gedacht. Reden werden gehalten, an die man sich schon am achtzehnten Juni kaum mehr erinnern kann. Anders dieses Jahr. An den siebzehnten Juni erinnerte Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin und ehemalige Präsidentin der Europauniversität. Sie verband auf bemerkenswerte Weise den siebzehnten Juni 1953 mit aktuellen Problemen der Politik und der Demokratie. Auf so bemerkenswerte Weise, daß einige FDP-Abgeordnete während der Rede den Saal verließen. Hier die Rede in Auszügen:

Warum, zu welchem Zweck, wollen wir heute des 17. Juni gedenken? Ich meine, der Blick zurück in die Vergangenheit, gerade an Gedenktagen, kann uns helfen, aus der Vergangenheit zu lernen, um eine gute Zukunft zu gewinnen. Aus der Vergangenheit lernen heißt, sich auf die Suche nach historischen Erfahrungen zu begeben, die einer guten Zukunft entgegenstehen, ebenso wie nach solchen Potenzialen, die sie begünstigen. Aus der Vergangenheit lernen heißt verstehen, wie wir selbst und die anderen geworden sind, um uns besser mit ihnen über eine gelungene Zukunft zu verständigen. Aus der Vergangenheit lernen heißt Verlässlichkeit stiften für ein gegenseitiges Vertrauen, das wir für gedeihliches Handeln brauchen, heißt Gemeinsamkeit schaffen für eine Welt, die wir auch unseren Kindeskindern noch guten Gewissens überantworten können. Dabei können uns Gedenktage helfen. (…) Über die banale Willkür geballter Macht hinaus verbarrikadierte sich die kommunistische Herrschaft also in einem geschlossenen ideologischen System. Sie machte sich immun gegen Einwände und die Freiheit kritischen Denkens. Demokratische Freiheit, die auf freie Wahlen und freie Presse setzt, fordert dagegen solche kritische Infragestellung gerade mächtiger Institutionen, Gruppen oder Personen. Dies ist ein zentrales Element rechtsstaatlicher Gewaltenteilung, die von der lebendigen und kompetenten Kritik der Bürger lebt. (…) Heute leben wir im vereinigten Deutschland in einem demokratischen freiheitlichen Rechtsstaat. Freuen wir uns an unserer Demokratie? Und über die freien Wahlen? Und über die am 17. Juni ebenfalls unter Lebensrisiken geforderte freie Presse?  Würden die Deutschen heute in Scharen auf die Straße gehen, wenn diese Freiheiten, sagen wir einmal, vorübergehend ausgesetzt würden, um mit starker Hand, unbehelligt von streitenden Parteien, Wahlkämpfen und verwirrenden Medien, erst einmal die Krise zu überwinden und die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen?  Immerhin entstehen heftige Proteste, wenn im Internet die Freiheit eingeschränkt werden soll. Das Internet ist für viele insbesondere junge Menschen ein neuer Lebensraum.  Sollen hier nur der individuelle Bereich, das private Interesse geschützt werden? Freiheit also als individuelle Willkür, die das Ganze aus dem Blick verloren hat? Oder birgt der Reflex, sie zu schützen, auch ein umfassenderes politisches Potenzial? Macht Freiheit im Internet die traditionell demokratische Wahl- und Pressefreiheit überflüssig? Oder handelt es sich immer um dieselbe Freiheit nur in unterschiedlichen Facetten?  Zurück in eine Diktatur will heute kaum einer. Aber viele plagen heftige Zweifel an der Fähigkeit der politischen Demokratie, die drängenden Probleme zu lösen, etwa Regeln für die globale Wirtschaft zu etablieren, die die grundlegenden Bedürfnisse der Bürger nach Freiheit und Sicherheit zu schützen vermögen.  Beunruhigen muss überzeugte Demokraten die Gleichgültigkeit vieler gegenüber Wahlfreiheit und Wahlen, weil die Parteien sich im Handeln nach der Wahl angeblich doch nicht voneinander unterschieden und ihre Versprechen nicht einlösten.  Ein Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit hat sich in unserer Demokratie ausgebreitet. Umfragen zeigen, dass die Einstellung zur Demokratie stark von solchen Benachteiligungs- und Gerechtigkeitsgefühlen abhängt.  Und ist es denn noch als gerecht zu bezeichnen, wenn Milliardenbürgschaften, die wahrscheinlich notwendig waren, für die Rettung des Bankensystems ausgegeben werden und kurz danach Banken Milliardengewinne einstreichen, die von eben dieser Rettung ihrerseits profitiert und von denen viele sich zuvor an der Gefährdung des Systems beteiligt haben, zum Beispiel durch unverantwortliche Verbriefungen oder Wetten?  Muss die Distanz zu unserer Demokratie nicht wachsen, wenn sie angesichts von noch mehr Millionären nach, ja infolge der Krise nicht zur Kasse gebeten werden und umgekehrt trotz einer drastischen und beschämenden Kinderarmut – über zwei Millionen Kinder wachsen in unserem reichen wiedervereinigten Deutschland armutsgefährdet auf und haben kaum eine reelle Chance auf angemessene Bildung und auf die Freiheit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen -, wenn angesichts dessen bei Familien und Hartz-IV-Empfängern, viele von ihnen alleinerziehende Mütter, gespart würde?  Wenn die kommunalen Haushalte, die auch durch die Bankenrettung ausgeblutet sind, ihren Aufgaben gerade gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft nicht mehr nachkommen können? Das wäre eine Normerhöhung besonderer Art, um an den 17. Juni 1953 zu erinnern. Steht uns im vereinigten Deutschland ein neuer 17. Juni bevor? Sicher nicht. Doch dass es unter der Oberfläche gärt, kann man nicht abstreiten. Vor allem die Gefahr ohnmächtiger Wut nimmt zu, die sich als politisch ungezielte Gewalt äußert, zum Beispiel gegen Schwächere, um sich irgendwo doch stark zu fühlen.  Wir registrieren einen Respektverlust gegenüber anderen Menschen. Die sich häufenden Angriffe auf Polizisten, die gerade an diesem Wochenende einen neuen und bestürzenden Höhepunkt erreicht haben, sind nur ein Zeichen dafür.  Oder die Menschen richten ihre Wut gegen sich selbst, werden angstvoll-depressiv. Depression ist heute vor Krebs- und Herzerkrankungen die am meisten verbreitete Volkskrankheit; daran sollten wir denken.  Normerhöhungen gab es nicht nur im Kommunismus. Sie sind auch Alltag im Kapitalismus und haben in großen Unternehmen wie France Télécom, Renault-Nissan und den chinesischen Zulieferern von Apple und Dell in der letzten Zeit zu erschütternden Selbstmorden geführt. (…) Weiterlesen

Meteorologische Singularität

Derzeit erleben wir eine “meteorologischen Singularität”, wie mir mein Radio, WDR5, heute erzählt hat. Die Menschen nennen es seit jeher Schafskälte. Die Zeit im Juni also, in der die Schafe regelmäßig frieren müssen, weil man ihnen ihr wärmendes Wollkleid bereits  geschoren hat. Für unsere dicken Wollpullover. Mir wird es jetzt langsam zuviel. Die Regierung baut nur Mist, die WM ist Mist und das Wetter setzt dem ganzen Mist die Krone auf. Mist. Schafskältenmist.

Komische WM

Irgendwie eine komische  Fußballweltmeisterschaft, die wir gerade erleben. Dicke Pullover, warme Schals und Mützen lassen das Sommermärchengefühl nicht richtig aufkommen, das Vuvuzelagetröte geht auf die Ohren und der schlechte Fußball schlägt auf Augen und Gemüt. Vorläufiger Tiefpunkt: Die Mannschaft der Grande Nation, Frankreich. Uninspiriert, ohne jeden Teamgeist, offenbar von allen guten Geistern und dem Trainer verlassen, kicken sich die Fußballmillionarios gelangweilt von einem Unentschieden in die Niederlage gegen Mexiko. Allez, Les Bleus – à Paris. Aber nicht nur unsere französischen Nachbarn, auch viele andere Mannschaften enttäuschen den Fußballliebhaber doch sehr. Nigeria, Portugal, Südafrika, Neuseeland, Algerien – eine blamable Vorstellung reiht sich an die nächste. Die WM ist der Topmarkt der Profifußballer der Welt. Aber manche Spiele nehmen sich aus wie lustlose Kickerei in Amateurligen. Gerd Kentschke, der ehemalige Trainer meines Lieblingsvereins, des SV 09/35 Wermelskirchen, hätte bei einem derartigen Fehlpaßfestival in der Landes- oder Bezirksliga seine Stimmbänder schon längst ruiniert. Weltprofis auf Amateurniveau. Es kann also nur besser werden. Hoffentlich morgen Mittag schon.

Furchtbarer Irrtum

“Schwarz-Gelb war leider ein furchtbarer Irrtum.” Dieses Fazit zieht Michael Spreng, konservativer Journalist und Publizist sowie Politikberater, beispielsweise von Edmund Stoiber. In seinem Blog heißt es unter anderem: “Die schwarz-gelbe Koalition ist nur noch eine K.o.alition. Sie hat keinen Gestaltungswillen mehr, keine politische Kraft mehr.” Und Spreng fahrt fort: “Schwarz-Gelb begann mit einem Fehlstart, mit Klientelpolitik und unsinnigen Steuerversprechen, die Misere ging weiter mit monatelangem Politik-Stillstand wegen der NRW-Wahl und sie kulminierte nach dem Rücktritt Horst Köhlers in dem sogenannten Sparpaket. Statt Neustart ein zweiter Fehlstart. (…) Jeder drittklassige Kommunikationsexperte hätte der Bundesregierung sagen können, dass sie mit ihren einseitigen Kürzungen zulasten der Hartz-IV-Empfänger politisch und medial scheitern würde, und hätte ihr geraten, damit gar nicht vor die Presse zu gehen. Wie konnte nur ein einziger Politiker glauben, man könne die Steuerprivilegien für Hotelbesitzer aufrecht erhalten und gleichzeitig den Hartz-IV-Empfängern die Rente kürzen? Und wie konnte nur ein einziger Politiker annehmen, die Wähler würden ein Sparpaket ohne Belastung der Besserverdienenden akzeptieren?” Gute Frage.