Schlagwort: FDP

Erwischt

Als “eine Form von Betrug” hat der FDP-Vorsitzende, Christian Lindner, den VW-Abgasskandal bezeichnet, da man sich ja “nicht darauf verlassen kann, was bei den Abgasmessungen angegeben wird”. Lindner kritisiert die SPD, die im Land Niedersachsen die Regierung anführt. “Unter deren Augen passiert dieser Skandal und es erhalten Manager dann auch noch Millionenboni. Da frage ich mich, welches Verständnis von Leistungsgerechtigkeit eigentlich die SPD und vor allem Herr Weil haben.” Es sei fraglich, ob noch Vertrauen in die Konzernleitung möglich sei. Tja. Erwischt, liebe SPD. Bei Kungelei mit Wirtschaftsbossen. Von einem Liberalen mit Wirtschaftsnähe.

 

Ausgebremst

Ausgebremst. Und wie. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ralf Stegner, nahm die gestern veröffentlichten Panama-Papiere flugs zum Anlaß für eine flotte populistische Wortmeldung: „Wenn eine Bank solche Geschäfte duldet oder gar fördert, muss ihr die Lizenz entzogen werden können.“ So hatte sich Stegner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber eingelassen. Der Staat müsse sich um den Finanzsektor, „der in Teilen mafiöse Strukturen hat“, intensiver kümmern, wobei das Bankgeheimnis im Zweifel “zweitrangig“ sei. Stegner forderte ein generelles Verbot von Briefkastenfirmen. „Für dubiose Heimlichkeiten gibt es keinerlei Rechtfertigung, völlig schnurz, ob jemand Geld vor der Ehefrau versteckt, Waffendeals finanziert oder Steuern hinterzieht.“ Wolfgang Kubicki, FDP-Vize im Bund und Liberalen-Chef in Schleswig-Holstein, konterte trocken auf Facebook: “Wenn Herr Dr. Stegner nun fordert, dass denjenigen Banken, die an Briefkastenfirmen und Offshore-Geschäften beteiligt sind, die Lizenz entzogen werden müsse, ist das gleichzeitig eine Rücktrittsankündigung. Denn unter seiner Verantwortung als Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein und Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank hat die HSH Nordbank tausende solcher Geschäfte getätigt. Gleichzeitig müsste der Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein Monika Heinold die Lizenz entzogen werden, weiterhin auf Kosten der Steuerzahler die nach Meinung des Kollegen Stegner unseriösen Geschäftspraktiken zu unterstützen.” Si tacuisses …

Zumutung

Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache.  Und wenn ein Satz nun lautet: “Durch diverse Äußerungen (…) ist ein Ausmaß erreicht worden, das wir unseren (…) Bürgern (…) nicht länger zumuten können“, dann muß man sagen, daß es sich nicht um einen Satz handelt, sondern um eine Zumutung. Nochmal: Durch diverse Äußerungen ist ein Ausmaß erreicht worden, das wir unseren Bürgern nicht zumuten können. Ein Nichtgedanke. Eine schiere Beleidigung jeden Lesers. Der Autor dieses kruden Satzes (ist es überhaupt ein Satz?) ist Andreas Müßener, Stadtverordneter der AfD in Wermelskirchen. Als Politiker ebenso begabt wie als Autor. Er hat die Fraktion der AfD im Rat verlassen und sie damit gesprengt sowie den Wählerwillen auf den Kopf gestellt. Ein eitler junger Mann, der noch nichts zuwege gebracht hat und durch keinerlei bemerkenswerte Initiative in Rat oder Öffentlichkeit der Stadt aufgefallen wäre, behält gegen den Wählerwillen das Mandat. Ein Mandatsräuber. Ein Mandatsräuber zudem, für den die deutsche Sprache eine enorme Herausforderung darstellt. (Müßeners Hervorbringung ist in seineScreenshot_04_07_15_12_01m Blog zu lesen, zu dem ich indes nicht verlinken möchte. Ich habe mich mit einer Bildschirmkopie des Schwalls zufrieden gegeben.)

 

Nachtrag: Heute legt der Stadtrat Müßener in seinem Blog noch einmal nach. Eine Rechtfertigungsuada für sein von allen Seiten kritisiertes Verhalten des Mandatsklaus. Von allen Seiten? Natürlich nicht. Die WNK, zuvörderst ihr Großmeister und Fraktionschef Henning Rehse, die WNK hat noch keinen Ton zum Müßenerschen Mandatsraub hören lassen. Kein Wunder, haben sie doch seinerzeit vom Mandatsklau profitiert, als der ehemalige Ratsherr Güntermann und seine Frau die FDP verlassen und beide bei der WNK angeheuert haben. Da bleibt nur abzuwarten, wann Henning Rehse den Neueinkauf Andreas Müßener für sein WNK-Team vermelden kann. Ach ja, der Ratsherr schwurbelt auch heute munter weiter. Da müssen, um nur ein Beispiel zu nennen, “Zustände in der Öffentlichkeit ausgetragen” werden. Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache. In diesem Fall zeugt die Sprache von der unmittelbaren gedanklichen Wirrnis eines Ratsherrn, der sich um Kopf und Kragen schreibt und schwurbelt.

Bekenntnisschule

Neunzehnhundertsiebenundfünfzig wurde ich eingeschult, in die evangelische Volksschule Porz. Neununddreißig Kinder waren wir damals in der Klasse von Fräulein Hoffman. Direkt neben unserer Schule, durch eine übermannshohe Mauer getrennt, war die Schule der katholischen Kinder, die katholische Volksschule. Einem Volk zugehörig, wurden die Kinder seinerzeit in zwei unterschiedlichen Volksschulen unterrichtet. Die fünfziger und die sechziger Jahre waren die Hochzeit dieser Bekenntnisschulen. Man spielte zwar nachmittags zusammen, aber vormittags ging man entweder in die eine oder in die andere Schule, je nach Kirchturm und Gebetbuch. Heutzutage ist die erste Schule für Kinder in aller Regel eine Gemeinschaftsgrundschule. Von den knapp dreitausend öffentlichen Grundschulen in unserem Bundesland sind zwei Drittel solche Gemeinschaftsschulen, Schulen also, in denen Kinder aller Bekenntnisse gemeinsam unterrichtet werden. Aber knapp eintausend Schulen sind immer noch öffentliche Bekenntnisschulen. In diesen Bekenntnisschulen werden die Kinder “nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen”, wie es in Artikel zwölf der Landesverfassung heißt, obwohl doch Katholiken und Protestanten längst nicht mehr die Mehrheit der Menschen ausmachen und der Anteil der Nicht- und Andersgläubigen stark zugenommen hat. Nun hat es gestern im Landtag eine Debatte um einen Gesetzentwurf der Schulministerin gegeben, nach dem nun nicht mehr zwei Drittel der Eltern gefordert sind, um eine öffentliche Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln, sondern schon die absolute Mehrheit der Eltern reicht. Die FDP und die CDU, so heißt es in der Presse, bekannten sich in dieser Aussprache zur christlichen Bekenntnisschule. Klar, daß die CDU als Christliche Union für Bekenntnisschulen eintritt. Aber die FDP? Die Kirche war seit dem Mittelalter Trägerin vieler, der meisten Einrichtungen im Bildungswesen. Mit der Aufklärung indes und dem aufkommenden politischen Liberalismus entstand nach und nach die säkulare Gesellschaft. Der Staat ist seither von konfessionellen Bindungen befreit. Auch ein Resultat der Arbeit der Liberalen. Und also muß der Staat eigentlich keine öffentlichen Bekenntnisschulen mehr vorhalten. Wenn Kinder im Geiste einer bestimmten Konfession unterrichtet und erzogen werden sollen, muß das auch in der Trägerschaft und finanziell zu Lasten dieser Konfession stattfinden. Öffentlich sollten Gemeinschaftsgrundschulen unterhalten werden. Und nur solche. Und der FDP stünde gut an, sich ihrer Wurzeln zu vergewissern und die Religion wieder als private Angelegenheit gläubiger Menschen zu begreifen, die nicht staatlich organisiert oder vom Staat finanziell alimentiert wird. Mir haben die vier Jahre in der evangelischen Volksschule Porz bis Neunzehnhunderteinundsechzig übrigens nicht nachhaltig geschadet, ist doch noch ein halbwegs ordentlicher Freigeist und Rebell aus mir geworden.

Pappnasen

Die Parteien, die annehmen, dass der Wähler dumm ist, dass der einfache Mensch dumm ist, die werden aus der politischen Verantwortung rausgeschmissen. Beispiel FDP. Die hat eine Beliebigkeitspolitik gemacht, die ist auf jede »politische Hure« drauf gesprungen.

(Peter-Michael Diestel, der letzte  Innenminister der DDR, in einem Interview mit dem Neuen Deutschland über die Wende, die Unrechtsstaat-Diskussion und die ausgleichende Frau Merkel unter dem Titel: Die meisten Pappnasen waren gar nicht dabei!, passend zum heutigen Auftakt des Straßenkarnevals)

Lästerliches

Unter der Überschrift: Ich bin beleidigt schrieb Burkhard Schröder in seinem Blog:  Was ich noch sagen wollte: Meine atheistischen Gefühle werden immer dann provoziert und sehr beleidigt, wenn Verehrer höherer Wesen beleidigt sind, wenn man sich über ihre lächerlichen frommen Märchen lustig macht. Dem kann un151115_1d darf man zustimmen. Hierzulande jedenfalls. Ich bin ja nur selten wirklich einer Meinung mit dem bekanntesten Wermelskirchener, wenn man einmal von Carl Leverkus absieht oder dem Pfarrer Dellmann, Christian Lindner nämlich. Der junge Chef der um ihre Existenz ringenden Freien Demokratischen Partei, genaudie mit der neuen Farbe Magenta neben Blau und Gelb, hat sich nämlich kürzlich für die Abschaffung des Blasphemieparagraphen im deutschen Strafrecht ausgesprochen. Dieser Paragraph Einhundertsechsundsechzig des Strafgesetzbuches bedroht Menschen, die den öffentlichen Frieden durch die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse oder deren Einrichtungen, Bräuche und Besonderheiten gefährden, mit bis zu drei Jahren Haft. „Wenn Terroristen die freie Gesellschaft angreifen, antworten wir mit mehr und nicht weniger Freiheit. Der sogenannte Blasphemieparagraf 166 StGB gehört abgeschafft“, sagte Lindner im Gespräch mit der Zeitung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Unabhängigkeit der Medien sollten nicht vor Religionen halt machen müssen. Auch eine Zensur aus vermeintlich guten Motiven mache unfrei – erst im Handeln, dann im Denken. „Künstler und Journalisten sollen wissen, dass wir ihre Freiheit und Unabhängigkeit gerade dann verteidigen, wenn sie unbequem sind.“ Mit Lindner bin ich der Meinung, daß Religionsgemeinschaften Satire und Spott ebenso ertragen müssen wie jeder Bürger, jede Partei, jeder Verein und jede andere gesellschaftliche Institution auch. Hans Michael Heinig, Professor für Öffentliches Recht, Kirchenrecht und Staatskirchenrecht in Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, plädiert ebenfalls für die Beseitigung des Blasphemieverbots. „Eine Streichung würde deutlich machen: Die Presse- und Kunstfreiheit hat Vorrang vor dem diffusen Schutz religiöser Gefühle“, erklärte er. Zwar gebe es in Presse und Kunst zuweilen unappetitliche Auswüchse. Diese seien aber hinzunehmen oder mit Gegenrede zu erwidern.

Mysterium

Henning Rehse ist ein bekannter Mann. In Wermelskirchen. Weil er heimlicher und unheimlicher Chef der WNK ist, eines konservativen Wahlvereins. Henning Rehse ist ein fleißiger Mann. Jedenfalls, was die Produktion von offenen Briefen an unterschiedliche Empfänger in der örtlichen Stadtverwaltung angeht und Postings in Facebookgruppen mit lokalem Bezug betrifft. Kaum ein Tag vergeht ohne eine weltbewegende, mindest aber den lokalen Kosmos erschütternde Rehsesche Mitteilung. Heute ist eine seiner umstrittenen Mitteilungen aus Facebook, gerafft zwar, aber erkennbar, sogar auf der ersten Lokalseite des Wermelskirchener General-Anzeigers gelandet. Der Anlaß: Bürgermeister Eric Weik wollte nicht dem Beispiel seines Remscheider Amtskollegen folgen und keine öffentliche Gedenkveranstaltung in Wermelskirchen für die Opfer des Angriffes auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo durchführen. So hat er es auf Nachfrage der lokalen Redaktion erklärt. Das kann und muß ein Bürgermeister für sich entscheiden. Nur in Wermelskirchen nicht. Was wäre denn ein Bürgermeisterstatement ohne Rehseschen Senf. Also muß ein Henning Rehse natürlich einen Beitrag in Facebook veröffentlichen. Und so schrumpft er als erstes sämtliche Bekundungen der Betroffenheit angesichts der schändlichen Ereignisse in unserem Nachbarland in seinem Palimpsest flugs zu einem “rituellen Solidaritätsprogramm” und entblödet sich zudem nicht, mal eben eine Grundgesetzänderung zu fordern, mit der Deutschen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden soll, um sie, wohin auch immer, abschieben zu können, wenn sie an terroristischen Aktionen beteiligt sind. Das ganze lange Pamphlet des WNK-Rechtsauslegers wird in der Lokalzeitung auf  zwölf Zeilen eingedampft. Und mit der Überschrift versehen: “Henning Rehse unterstützt Weik” und dem Nachsatz, es handele sich um die private Meinung von Henning Rehse und nicht um die des Fraktionsvorsitzenden der WNK. Für diese Unterstützung wird der Bürgermeister wahrlich dankbar sein. Henning RehIMG_1870ses Grundüberzeugung in seinem persönlichen Kampf gegen den islamistischen Terror, “klare Kante zeigen”, das Grundrecht anständiger Bürger, was immer die auch auszeichnen möge, sei höher zu bewerten als das Grundrecht von Terroristen, wird das Mitglied der Bürgerrechtspartei auf dem Bürgermeistersessel nachgerade entzücken. Nicht jeder Senf ist Unterstützung. Auch nicht, weil er gelb ist. Und schließlich: Warum, bitte schön, hat die Redaktion der lokalen Zeitung nicht die Privatmeinung von beispielsweise Peter Müller, Karin Mustermann, Ulrike Schmitz oder Meinolf Skiskibowski eingeholt zu dieser Position des Bürgermeisters? Ist die Privatmeinung eines Herrn Rehse wirklich wichtiger? Bedeutsamer? Klüger? Besser formuliert? Alles Bullshit. Von wegen private Meinung. Rehse wird zitiert, Rehse wird Platz eingeräumt im Lokalblatt, weil er Wind macht. Als Fraktionsvorsitzender. Das ist, was er kann. Warum die Redaktion allerdings die Rehsesche Streitschrift ohne jede Kommentierung beläßt und auf den bedeutungslosesten Aspekt reduziert, wird ein Mysterium des lokalen Journalismus bleiben.

FDP und die Volkskammer

Im öffentlichen Bewusstsein ist sie kaum mehr vorhanden, die FDP.  Aus dem Bundestag haben die Bürger sie herausgewählt und nach und nach auch aus den Landtagen. Sie ist beim Status einer Splitterpartei angekommen. Und also dreht der Vorsitzende, der als Retter gewählte Christian Lindner, rhetorisch auf. Der Bundestag sei mit der Volkskammer der DDR zu vergleichen, sagte Lindner laut n-tv, weil bei der Abstimmung über den gesetzlichen Mindestlohn nur fünf Abgeordnete eine Gegenstimme abgegeben hätten. “Das ist nicht nur Politik wie in der DDR-Volkskammer. Das sind auch Abstimmungsergebnisse wie in der Volkskammer.” Gewagte Brachialrhetorik war und ist zwar durchaus das Kennzeichen der FDP und vieler ihrer Repräsentanten, der Westerwelles, Möllemanns, Niebels oder Dörings , war bislang aber die Sache von Christian Lindner nicht.  Vorbei. Was macht der gemeine FDP-Mann nicht alles, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden in Blätterwald und Fernsehdschungel? Selbst vor Pöbelphrasen schreckt er nicht zurück, vor Beleidigungen des Parlaments und der Parlamentarier, vor unzulässigen und unpolitischen Vergleichen. Schade. Die Partei ist hin. Offenbar.

Töricht

Den Vogel allerdings hat jetzt FDP-Chef Christian Lindner mit der These abgeschossen, auch ein Festhalten am Solidaritätszuschlag über 2019 hinaus wäre eine Steuererhöhung. Nicht dass es nicht gute Argumente für ein Auslaufen des “Solis” in der heutigen Form gäbe. Wenn jetzt aber schon die Nicht-Abschaffung einer Steuer als Steuererhöhung gebrandmarkt wird, dann ist eine ernsthafte Debatte in diesem Land tatsächlich nicht mehr möglich. Auffällig ist: Immer wenn sich zuletzt CSU und FDP in der Steuerpolitik zusammentaten, kam etwas besonders Törichtes heraus. Zur Erinnerung reicht ein einziges Wort: Hotelsteuer.

Claus Hulverscheid, Ende der Debatte, Süddeutsche Zeitung vom achtundzwanzigsten November Zweitausendvierzehn