Mandatsklau, die nächste

Da wird jemand gewählt bei der letzten Kommunalwahl. In den Stadtrat. Für die Partei „Alternative für Deutschland”. Am Tag nach der Wahl habe ich hier geschrieben: “Was bleibt noch? Ach ja, die frechen jungen Männer von der Alternative. Für ganz Deutschland. Die lokalen Gegenstücke zur Altmännerriege um Henkel und Starbatty im Bund und in Europa.Sie haben gewonnen. Weil sie in den Stadtrat eingezogen sind. Mit nicht einmal fünf Prozent. Und sie haben verloren, weil sich die allzu süßen Blütenträume schon zerstoben haben. Sie haben weniger erreicht als bei den Europawahlen, weniger als im Bund. So frech wie in verschiedenen Facebookgruppen sollten sie demnächst nicht mehr auftreten. Sonst könnte schneller wahr werden, was ohnehin zu ahnen ist. Rechtspopulismus ist eine vorübergehende Erscheinung. Wir haben schon schlimmere Zeitgeister überstanden, Republikaner, Nationaldemokraten, Pro Irgendwas …” Einerlei. Seither sitzen nun zwei AfDler im Rat der Stadt. Saßen. Denn nun, soeben ist Andreas Müßener ausgetreten, aus der Fraktion. Er hat die Zusammenarbeit mit dem Fraktionsvorsitzenden, wie immer die ausgesehen haben mag, aufgekündigt, wie es heute in einer sehr dürren Pressemitteilung der hiesigen AfD heißt. Hübsche Formulierung. Zusammenarbeit aufgekündigt. Aus dem Satzbaukasten der bürokratisch gestanzten Rede. Eine sprachliche Nebelkerze. Nichtssagend. Bla-Bla. Das alles aber ist nicht wirklich mein Bier. Sollen sie doch streiten. Aufkündigen, wenn’s geht, es lassen mit dem Aufkündigen. Alles nicht wirklich wichtig. Viel wichtiger ist, daß es sich bei einem Stadtverordneten auch der AfD um einen Stadtverordneten aller Bürger in dieser Stadt handelt. Andreas Müßener hat sich bislang jedoch mit nichts hervorgetan. Nichts, was in der Öffentlichkeit bemerkt worden wäre, nichts, was den Zeitungen eine Meldung wert gewesen wäre, nichts, was die Aufmerksamkeit von Bürgern hätte finden können. Was bleibt? Andreas Müßener hat die Fraktion der AfD zerdeppert. Im Wortsinn. Das haben die Wähler der AfD nicht verdient. Sie haben eine Fraktion aus zwei Menschen gewollt und auch bekommen. Bis gestern. Bis Andreas Müßener salbaderte, er müsse die Zusammenarbeit mit dem Fraktionsvoristzenden aufkündigen. Und, ganz politischer Schlaumeier, in der Tradition bürgerlicher Mandatsräuber feststellte, er werde fortan ein Einzelmandat ausüben. Ich habe keine Ahnung, was diesen Menschen befähigt, im Stadtparlament für das Gemeinwohl zu arbeiten. Ich war an seiner Aufstellung nicht beteiligt. Bislang aber habe ich auch keine Kenntnis von auch nur einer bemerkenswerten Einschätzung, Handlung, Initiative. Nach den Regeln der Bürokratie mag feststehen, daß Andreas Müßener sein Mandat behalten kann. Nach den Regeln des politischen Anstands wäre allerdings das Gegenteil fällig, nämlich der Rücktritt vom Mandat. Das hat der Herr Müßener ja nicht bekommen, weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend. Nein, das Mandat hat er bekommen, weil ihn seine Kumpane für die Wahl aufgestellt, weil sie ihn gewählt haben. Jetzt will er nicht mehr, jetzt kann er nicht mehr zusammenarbeiten, jetzt gibt es Krach. Also soll er auch gehen. Der Mandatsklau ist schon bei bürgerlichen Parteien nicht wirklich akzeptabel. Bei Rechtspopulisten ist er, finde ich, ebenso unappetitlich wie neulich der Mandatsklau bei den Linken. Er zeugt von grandioser Selbstüberschätzung. Solange Andreas Müßener nicht über Wasser gehen kann, solange er also noch zu den ganz normalen Menschen zu rechnen ist, solange sollten auch die Maßstäbe des Anstands und der Demokratie für ihn gelten. Ein schwieriges Geschäft, diese Demokratie.

Nachtrag: Ach ja, diesen Beitrag habe ich dort, wo es ging, Wort für Wort übernommen von meinem Beitrag, der sich mit dem Mandatsklau auf der Seite der Linken befaßte. Geändert habe ich nur die Namen, den Namen der Partei und die Begründungen für den Mandatsraub. Man kann schon ins Grübeln kommen angesichts der Anstandslosigkeit, die sich innerhalb nur weniger Wochen auf der vermeintlich linken wie auf der rechten Seite offenbart. Eitle junge Kerle glauben in der Tat, daß Ihnen ein solches Mandat zustehe, obwohl sie doch nichts geleistet haben, was einen solchen Glauben nähren könnte.

1 Kommentare

  1. und dann fragst Du Dich noch, was gegen die x-Prozent-Hürde einzuwenden ist? Ich finde, unser Stadtparlament bietet die besten Argumente dafür…

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