Monat: April 2012

Befund

Die Dritten Programme sortieren unsere Welt in Hitparaden. Sie zerlegen sie in ihre Bestandteile, bereinigen sie von komplizierten Zusammenhängen und Kontexten, sortieren sie nach Beliebtheit und lassen sie von Leuten kommentieren, die nichts mit ihnen zu tun haben. Es ist eine Aufgabe, die an Macher und Zuschauer eigentlich nur zwei Ansprüche stellt: Ausdauer und den Mut zur Anspruchslosigkeit. Und so füllen diese Listen-Formate, die aus dem Privatfernsehen eingeschleppt wurden, inzwischen die meisten Dritten Programme und sorgen dort für eine umfangreiche Versteppung. Im NDR, der früh auf dieses Format gesetzt hat, haben sie ihren Höhepunkt inzwischen offenbar überschritten. Aber der WDR, der wie kaum ein anderer öffentlich-rechtlicher Sender weiß, wie man seine Zuschauer unterfordert, hat für diese Monokultur inzwischen breite Schneisen in sein Programm gerodet. Im WDR läuft allein in diesen Tagen: »99 Lieblingsorte in Nordrhein-Westfalen«, »Die 30 tollsten Haus– und Hoftiere«, »Die beliebtesten Bauernhöfe in Nordrhein-Westfalen«, »Die 40 beliebtesten Burgen und Schlösser in Nordrhein-Westfalen«, »Die 40 beliebtesten Ausflugsziele in Nordrhein-Westfalen«, »Die beliebtesten Liedermacher der Nordrhein-Westfalen«, »Die beliebtesten Schlagerduos der Nordrhein-Westfalen« und »Die beliebtesten Schauspieler der Nordrhein-Westfalen«.

Stefan Niggemeier, Medienjournalist, in seinem Blog. Eine genaue Aufstellung auch dort.

Verpackungskünstler

Wolfgang Kubicki, Spitzenmann der FDP in Schleswig-Holstein, beklagt in seiner Wahlkämpfernot, das es wegen “unterirdischer” Kommunikation der Partei gelungen sei, die FDP als “kaltherzig, neoliberal, nicht-mitfühlend darzustellen”. “Dazu haben wir auch einige Gelegenheiten geboten.” Ja, was nun? Der Vorwurf ist also berechtigt? Schön. Gemeinsam mit der Lichtgestalt Christian Lindner will Kubicki nun dafür sorgen, daß “man die FDP neu denken muss”. Auch schön. Aber: “Neu denken bedeutet nicht, den Kurs zu ändern. Aber wir müssen den Menschen unser Programm so erklären, dass sie es verstehen können.” Wie nun? Den Kurs doch nicht ändern? Den alten Kurs beibehalten und nur besser erklären? Den Kurs, den Wolfgang Kubicki zuvor als falsch bewertet hat? Wahlkampf ist die Stunde der Verpackungskünstler. Neu denken, Inhalte überdenken, papperlapapp. Es geht darum, den Wählern etwas schmackhafter zu machen, was bislang verschmäht wird. Eine Mogelpackung wird aufgehübscht. Mehr nicht und nicht weniger. Oder Logorrhoe. Sprechdurchfall.

Wachstum

“Die FDP hat sich zu lange auf das Thema Steuersenkung reduziert.” Ach was. Diese Erkenntnis haben jene schon lange,  die nicht Mitglied der FDP sind. Aber jetzt scheint sie gar bis zum Vorsitzenden durchgedrungen zu sein. Die Angst muß groß sein in der einst liberalen Partei, wenn die Süddeutsche Online den FDP-Vorsitzenden Phillip Rösler mit diesem für fast alle Beobachter trivialen Satz zitiert. “Den Liberalismus auf die Formel ‘mehr Netto vom Brutto’ zu verkürzen, das ist zu wenig.” Auch dessen waren sich die Menschen außerhalb der FDP schon längst sicher. Sollen wir nun alle begeistert und befreit aufatmen, weil die Erkenntnis auch blau-gelbe Funktionäre erreicht? Nein. Es handelt sich ja nicht um Einsicht. Es ist schiere Angst, angesicht der Einskommazweiprozentergebnisse, die die einst liberale Partei derzeit bei Wahlen einfährt. Angst der Funktions- und Mandatsträger davor, wie es denn weitergehen soll, politisch und persönlich. Was gestern noch wie ein blau-gelbes Mantra sämtliche Reden der FDP-Granden schmückte, ist heute eine Verengung oder gar ganz falsch. Die windschnittigen FDP-Wirtschaftskenner liegen meilenweit oder Jahre hinter den Erkenntnissen normaler Menschen mit normalen Frisuren (Ich nehme meine Frisur ausdrücklich aus.) und ohne BWL-Studium. Nochmal Rösler: “Sie sind in einer Partei groß geworden, die in der Außendarstellung auf ein Thema gesetzt hat.” Das werde der Grundidee der Freiheit nicht gerecht. Jetzt komme es darauf an, den Liberalismus in seiner ganzen Breite zu entfalten und dazu diene das Thema Wachstum. Wirtschaftswachstum soll das liberale Nagativwachstum stoppen. Hihi. Die FDP wurde der Grundidee der Freiheit nicht gerecht. Ich hab’s mir doch gedacht. Muhahaha.

Katholisches Signal gegen den Osterfrieden

Folgt man dem Predigtforum, ist Ostern das Fest des Friedens. “In Lukas-Evangelium lesen wir in Kapitel 24, 36, dass der Auferstandene den Jüngern erschien. Er spricht sie an mit dem Gruß: ‘Friede sei mit euch!’ Und auch Johannes berichtet, wie der Auferstandene mit diesem Gruß seinen Jüngern erscheint.  (…) Das eigentliche Friedensfest der Christen ist das Osterfest! Es will Auferstehung schenken, wo Unterdrückung war; es will Frieden schenken, wo Hass, Neid, Streit und Krieg war.” In diesem Sinne haben in Holzwickede seit zehn Jahren eine katholische und zwei evangelische Gemeinden einen gemeinsamen Gottesdienst in der Osternacht gefeiert. Bis jetzt. Denn jetzt hat das Erzbistum Paderborn diesen Gottesdienst verboten.  “Die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Gottesdienst sind noch nicht gegeben”, erklärt Monsignore Dr. Michael Hardt, Leiter der Fachstelle Ökumene im Erzbistum Paderborn. “Wir mussten ein Signal setzen.” So zitiert der WDR den Kirchenfürsten. Ein Signal setzen gegen evangelische Christen? Mir kann es egal sein. Aber verstehen kann man diese eingekapselte Kirche der alten Männer nicht.

Weltgesundheitstag

Weltgesundheitstag ist heute. Das Thema, wie schon 1999, „Alter(n) und Gesundheit“. Worum geht’s dabei? Alter als Chance und Erfolg begreifen, Altern unter dem Aspekt des Zugewinns an Lebensqualität gestalten und ein positives Bild vom Altern und vom Alter entwickeln. Na super. 2012 ist auch das „Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen“ (EJ). Die deutsche Koordinierungsstelle ist beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt. Die EJ-Geschäftsstelle wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) und der Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V. (FfG) getragen. Offenbar leben ganze Heerscharen von Bürokraten und Bürokratien, Verbänden und Organisationen von den internationalen oder nationalen (Gedenk-) Tagen. Ich warte jetzt nur noch auf den internationalen Tag des Schweineschmalzes, veranstaltet vom nationalen oder internationalen Schweineschmalzrat.