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Wahrhaft freie Demokraten

 

Die deutsche Politik wird vermutlich ärmer sein ohne eine eigenständige liberale Partei.

Willy Brandt in seiner am 1. Oktober 1982 gehaltenen Bundestagsrede anlässlich des konstruktiven Misstrauensvotums gegen Helmut Schmidt (SPD) und den Wechsel der Genscher-FDP von Schmidt zu Kohl. Brandt fuhr fort:

Wahrhaft Freie Demokraten kann es, egal in welcher Partei, gar nicht genug geben in diesem Haus und in dieser Bundesrepublik.

Freiheit

Freiheit war ihre Losung auf dem typographisch gut gestalteten Plakat, nicht erwägend, daß die Wahlbürger Bundesregierung und Parlament von der ehemals liberalen Partei FDP befreiten. Ehemals liberale Partei. Das ist hier mein Ceterum Censeo. Und nach dem gestrigen Debakel mehren sich auch innerhalb der FDP die Stimmen derer, die eine Abkehr vom bloß wirtschaftsliberalen Kurs fordern. Zurück zur liberalen Partei.

Was fehlt?

Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt beklagt in einem Gastbeitrag für das “Handelsblatt” den Zustand seiner Partei: “Nichts läuft so richtig zusammen. Es fehlt ein überzeugender Politikentwurf”. Bevor sich die Partei in Debatten über eine Ampelkoalition verliere, müsse sie “zuallererst einmal ihre eigene Politik überzeugend beschreiben und mit Gewicht durchsetzen”.

Günstlings-Wirtschaft

Gab es jemals einen FDP-Parteitag, auf dem nicht der Subventionsabbau beschworen wurde? Weil ja staatliche Zuschüsse oder steuerliche Vorteile als Vergehen gegen den freien Markt, gegen das freie Spiel der Kräfte zu brandmarken sind? Nein, der Subventionsabbau gehört zum Mantra blau-gelber Politik, seit jeher. Und dennoch werden große Teile der deutschen Industrie bis zum Jahr 2022 weiter von der Ökosteuer befreit – und damit auch von Kosten für die Energiewende. Unser famoser Wirtschaftsminister begründet den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der “Sicherung des Industriestandortes, Beschäftigung und Wachstum”. Dem Staat entgehen dadurch Einnahmen von jährlich 2,3 Milliarden Euro. Ein schwarz-gelb-blaues Geschenk für die Industrie. Und eine ungerechte Lastenverteilung, müssen private Verbraucher und kleine Unternehmen nunmehr doch höhere Energiekosten berappen. Greenpeace beispielsweise forderte die Regierung auf, pauschale Vergünstigungen zu streichen und die Ausnahmen zu begrenzen. Es dürften nur jene Firmen gefördert werden, die energieintensiv sind und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb stehen. Das aber sei bei vielen der nun Begünstigten nicht der Fall.

Staatswirtschaft

Was mag den Wirtschaftsminister und noch amtierenden FDP-Vorsitzenden nur geritten haben? “Ein Liberaler verhandelt im Amt eines Bundesministers hinter verschlossenen Türen mit den Teilnehmern eines Marktes, in dem es keinen transparenten Wettbewerb gibt, auf dem Rücken der Kunden die Preise für Produkte und die Margen für Händler.” So beschrieb der Berliner Tagesspiegel den neusten Coup des Philipp Rösler. Das Ziel: Die doch ach so notleidenden deutschen Apotheker, von Hartz IV bedroht und sozialem Abstieg, sollen demnächst circa einhundertneunzig Millionen Euro mehr kassieren. Von Patienten, von Kranken und ihren Kassen. Damit sie nicht das Los der Opelarbeiter oder Schleckerfrauen teilen müssen. Die Preise für Arzneimittel sollen angehoben werden, was, wie der Tagesspiegel schreibt, “maximal für die Apotheker eine gute Botschaft ist.” Nirgendwo auf der Welt aber sind Medikamente teurer als in Deutschland. Was schert es unseren Wirtschaftsminister. Wenn man alle Apotheker im Land zusammenzählt, kommt man dann auf fünf Prozent? Anders ist ja wohl kaum zu erklären, daß ein liberaler Wirtschaftsminister einer ohnehin privilegierten Gruppe Millionen zuschustert, in einem intransparenten Verfahren, am Markt vorbei. “Staatswirtschaft” nennt der Tagesspiegel Röslers Vorgehen. Und fährt fort: “Und gäbe es so etwas wie ein Schiedsgericht des Liberalismus: Philipp Rösler müsste jetzt mit einem Parteiverfahren rechnen.” Wohl wahr. Diese Herren in blau-gelb kommen immer mit vermeintlich liberalen Prinzipien, mit Ordnungspolitik, wenn Gruppen Forderungen aufstellen, die nicht zur FDP-Klientel gehören. Soll hingegen der FDP-Sprengel bedient werden, kennen die Liberalen keine Regeln mehr, keine Ordnungspolitik, keine Prinzipien, keine Marktwirtschaft. Dann sind sie, was sie sind: Die Diener weniger Herren. Das einzige, was neben schierer Fassungslosigkeit bleibt, als Hoffnung, ist, daß Rösler und Döring und Brüderle und Konsorten den lecken Kahn FDP alsbald versenken und nach der nächsten Bundestagswahl in eine kreative Auszeit gehen müssen.

Nachtrag: Habe ich wirklich “Kahn” geschrieben? Unsinn. Es handelt sich um ein Beiboot. Ein Beibötchen.

Tragbar

Nochmal die Heute-Nachrichten von heute. Der Sprecher zitiert den FDP-Vorsitzenden und Wirtschaftsminister, Philip Rösler, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone sei “tragbar”. Untragbar, unerträglich, nicht hinnehmbar sind nur Philip Rösler und seine Äußerungen. Schade, daß der Sprecher diesen Teil der Meldung nicht mehr verlesen hat.

Gemein

Die FDP ist gemein. Nein, nein, nicht nur so allgemein gemein, wie den vielzitierten Schleckerfrauen gegenüber oder Griechenland oder den Promotionsordnungen deutscher Universitäten oder den Opelarbeitern. Nein, jetzt ist die FDP auch noch gemein gegen ihre Bürgermeister, ihre eigenen. Allzu viele sind das ja nicht in deutschen Landen, jedenfalls verglichen mit den Bürgermeistern aus den großen Parteien, die, die noch leben und mit ihren Abgeordneten noch überall in den Parlamenten sitzen. Gerade deshalb, weil es nicht so furchtbar viele sind, sollte man annehmen, daß die FDP-Spitze jeden einzelnen der blau-gelben Bürgermeister kennt und hegt und pflegt. Aber: Weik gefehlt. Auf der Homepage der Bundes-FDP gibt es unter “Parteileben” – ein schönes Wort für eine Partei, der zuletzt lediglich zwei bundesweit bekannte Gesichter noch ein wenig Leben einhauchen konnten, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki, für die aber ansonsten das Sauerstoffzelt und künstliche Beatmung kurz vor der Organentnahme treffende Bilder sind – den Unterpunkt “Liberale Bürgermeister“. Und was sieht man dort, auf dieser schönen Karte? Wermelskirchen ist, was liberale Bürgermeister angeht, ein weißer Fleck. Kein blaues Fähnchen, kein Hinweis, nichts. Eric Weik wird von der FDP-Spitze ignoriert, totgeschwiegen. Sollte Eric Weik kein Liberaler mehr sein? Ist da was an mir vorbeigegangen? Hat sich Eric Weik klammheimlich in die WNKUWG begeben, wie weiland der FDP-Vorsitzende Güntermann samt Gattin, um so besser der nicht enden wollenden Kritik von Henning Rehse und Co. zu entkommen? Müssen wir in Wermelskirchen mit neuen Allianzen rechnen? Ein Wahnsinns-Coup von Henning Rehse? Oder sollte der blau-gelben Parteispitze, namentlich dem Generalsekretär, gar die Freundschaft Weiks mit dem Liberalenchef in NRW, in Köln und dem Bergischen Land, dem blau-gelben Oppositionsführer im Landtag zum Verhängnis geworden sein? Von Lindner die Nase voll und also werden die Lindnergetreuen ebenfalls abgestraft. Fragen über Fragen im Sommerloch.

Nachlese

Die Nachlese, so kann man nachlesen, ist eine nachträgliche, auswählende, bewertende Betrachtung. Also, dann lesen wir mal die Ergebnisse der letzten Landtagswahl hier in Wermelskirchen nach. Wahlverlierer, wie im ganzen Land, ist auch hier die CDU. Nur noch 4.339 Wähler entschieden sich für die einst große bürgerliche Partei, das sind 26,5 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen. Das klingt schon schlecht genug für eine Partei, die vor zwei Jahren immerhin noch 38,9 Prozent der Wählerstimmen einheimsen konnte. 2010 waren das immerhin noch 6612 Wähler im traditionell schwarzen Wermelskirchen. Die CDU hat also in Wermelskirchen sage und schreibe 2273 Wähler verloren. Das ist ein Verlust von 34,4 Prozent! Schlimmer aber ist, daß gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten der Anteil der CDU-Wähler lediglich noch 15,75 Prozent beträgt. Auch die CDU steckt in der akuten Gefahr, ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren. Für die SPD entschieden sich vor einer Woche 5203 Wermelskirchener, 31,7 Prozent. Zwar liegen die Sozialdemokraten damit erstmals vor der CDU. Vor zwei Jahren votierten 4532 Bürger für die SPD, was 26,6 Prozent ausmachte. Die SPD hat also 671 Stimmen dazugewonnen. Ein Zuwachs von knapp fünfzehn Prozent ihres letzten Ergebnisses. Dennoch: Gemessen an allen Wahlberechtigten schrumpft die sozialdemokratische Erfolgszahl auf einen Anteil von knapp 19 Prozent. Beide großen Parteien repräsentieren zusammen also etwa ein Drittel (!) der wahlberechtigten Menschen in unserer Stadt. Betrug die Wahlbeteiligung vor zwei Jahren noch 62 Prozent, waren es am vergangenen Sonntag nur noch 60,6 Prozent. Die Entfernung zwischen Parteien und Bürgern nimmt also weiter zu, das Interesse der Menschen an Politikern, Politik und Parteien nimmt ab. Jedenfalls führt es nicht zur Teilnahme am demokratischen Prozess, wie er derzeit gestaltet ist. Die Grünen konnten 1657 Zweitstimmen verbuchen, gegenüber 2022 Kreuzchen vor zwei Jahren. Das sind 10,1 Prozent gegenüber 11,9 Prozent in 2010. Die Grünen haben also binnen zwei Jahren 18 Prozent ihrer Wähler verloren. Und auch hier: Sie vertreten gerade noch sechs Prozent aller wahlberechtigten Bürger. SPD und Grüne werden die Landesregierung stellen, weil sie im ganzen Land die Mehrheit der abgegebenen Stimmen errungen haben. Die Mehrheit der Bürger haben sie indes nicht erreicht und überzeugt. Neben der SPD zählt die FDP um Christian Lindner zu den Wahlgewinnern im grünen Wermelskirchen. 2822 Wermelskirchener ließen sich vom liberalen Shootingstar überzeugen, FDP zu wählen. Das sind  962 Stimmen mehr als 2010, als sich 1860 Wähler für die FDP entschieden. Der Lindnersche Zugewinn beträgt also knapp 52 Prozent oder eine Steigerung des blau-gelben Anteils von 10,9 auf 17,2 Prozent. Mit 10,25 Prozent aller Wahlberechtigten steht die FDP durchaus in einer Reihe mit den beiden einstigen Volksparteien, SPD und CDU. Gleichwohl: SPD, CDU, Grüne und FDP repräsentieren gemeinsam nur  etwa die Hälfte (!) aller wahlberechtigten Bürger der Stadt, nämlich 51 Prozent. Für die Linke votierten letzten Sonntag nur noch 337 Stimmberechtigte, das sind etwa zwei Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch 848 Wähler oder fünf Prozent. Die Linke hat also 511 Stimmen verloren, also 60, 3 Prozent ihrer Wähler nicht mehr an sich binden können. Die Linken sprechen nur noch für 1,22 Prozent aller hiesigen Wahlberechtigten. Keine Volkspartei, keine Protestpartei mehr, eine unbedeutende Partei unter den “Sonstigen”. Und schließlich die Piraten: 1207 Stimmen gegenüber 224 Stimmen zwei Jahre zuvor. Ein Zugewinn von 983 Kreuzchen, mehr also, als die FDP an Zugewinn hatte. Der eigentliche Wahlgewinner sind mithin die Augenklappenträger mit den Enterhaken, konnten sie ihren Anteil doch um knapp 439 Prozent steigern. Und jetzt noch das übliche Wasser in den guten Wein: Die Piraten vertreten auch nur 4,4 Prozent aller Bürger in der Stadt. Zusammen also vertreten diese sechs Parteien nur etwa zwei Drittel der Wermelskirchener. Wenig genug für ganze sechs Parteien. Das Landtagswahlergebnis bietet allen Parteien genügend Stoff für Demut und Nachdenklichkeit. Wenn sich 39,4 Prozent aller Wahlberechtigten von der Urne fernhalten, sollte dies eine Menetekel sein für alle Parteien, für alle Politiker am Ort, über die Gestaltung ihrer Politik, über die Ansprache an die Bürger gehörig nachzudenken.