Stadtspaziergang. Das klingt wenig aufregend. Nach gelassenem Schlendern, nach Flanieren, nach sonntäglicher Gemütlichkeit. Der Stadtspaziergang indes, den Armin Himmelrath von der Bergischen Zeitgeschichte am vergangenen Sonntag im Verein mit der Volkshochschule dreißig interessierten Wermelskirchenern offerierte, war eine Stadtwanderung ins Grauen. Ins Grauen des ersten großen Krieges, des Weltkrieges. Erster Weltkrieg? Wermelskirchen? Genau. Hier, in der Idylle des Bergischen fanden keine Kriegshandlungen statt. Und dennoch war der Krieg auch in Wermelskirchen zu spüren. Fast fünfhundert Männer fielen (?) im Felde (?) fürs Vaterland (?), den herrlichen Kaiser (?). Etwa dreihundert Männer kehrten verwundet heim, krank, geschunden, als Kriegsversehrte. Das alles bei einer Bevölkerungsgröße von nur etwa fünfzehntausend Einwohnern. Nach anfänglichem Jubelpatriotismus und der Idee, der Krieg werde nur wenige Wochen dauern, bis die Männer siegreich ins Bergische zurückkämen, war der Krieg auch hier zu spüren, wie Armin Himmelrath an verschiedenen Stationen des Spaziergangs erläuterte: an der Kriegsgräber-Gedenkstätte auf dem städtischen Friedhof, am Roten Kreuz-Haus an der Berliner Straße, am Marktplatz, am Parkplatz, auf dem sich ehemals das Rathaus der Stadt befunden hatte, am Kino Film-Eck, früher Reichshallen-Lichtspiele, sowie auf dem Loches-Platz. Die Versorgungslage der Menschen war nach wenigen Monaten schon schlecht bis miserabel: Lebensmittel waren kontingentiert und nur gegen Lebensmittelmarken zu erwerben. Die Brotqualität sank kontinuierlich, der Kartoffelmehlanteil stieg beständig. Fleisch war immer schwieriger und in immer kleineren Mengen zu haben. Vorräte wurden enteignet, die Menschen genötigt, Anleihen zu zeichnen, Winterklamotten wurden requiriert, Zugverbindungen gekappt, kurzum: der Krieg fand auch hier statt. Nicht in Schützengräben oder Bunkern, sondern in Wohnzimmern und Küchen, in Schulen und Geschäften. Geschichten des Alltags machen die große Geschichte erfahrbar, sinnlich, verständlich. Beispielsweise, wenn Himmelrath das Bild von etwa zehn Männern zeigt, die am Busbahnhof vor der Bahnhofskneipe darauf warten, eingezogen, an die Front gefahren zu werden. Stolz, im Sonntagsanzug mit Weste und Uhrenkette, einem Pappkarton mit den nötigsten Utensilien neben den Beinen. Und alle tragen Bart oder Schnäuzer. Und Wochen später, als Soldaten, haben alle keine Haare mehr im Gesicht. Nach Gründen befragt, gab es die Vermutung: Läuse. Nein. Gas! Gasmasken lassen sich mit Bart oder Schnäuzer nicht tragen. Gaskrieg. Das Verbrechen im ersten Weltkrieg. Ein Spaziergang in die Geschichte der Stadt. Mit Geschichten, Bildern, alten Fotos, Zeitungen und Zeitungsausschnitten. Und einem französischen Soldatenhelm. Ein Soldat war wohl in das Feuer eines deutschen Maschinengewehrs geraten. Der Helm übersät mit Einschusslöchern. Ein schreckliches Anschauungsstück. Schlendernd lernen. Eine sehr gute Veranstaltung, unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Danke.
Monat: September 2014
Fußgängerzonenkunst
Cerebralphimose
Scharia-Polente und Jehova-Bullen
Scharia-Polizei. Ein sensationeller Marketingcoup Wuppertaler Salafisten. Ein Haufen junger Antiaufklärer in rot-weißen Warnwesten mit der Aufschrift Scharia-Polizei dreht ein erbarmungswürdiges Minivideo, wie sie junge Menschen, die sich abends in der Stadt vergnügen wollen, tanzen, Party feiern, spielen, trinken, was auch immer, auf salafistisch-korrekte, freudlos-asketische Lebensführung hinweisen und das Viertel, in dem sie sich nächtens rumtreiben, großtuerisch als schariakontrolliertes Gebiet ausweisen. Und die Aufregung in den Medien nimmt stündlich zu. “«Scharia-Polizei» in Wuppertal sorgt weiter für Empörung”, heißt es beispielsweise in der Westdeutschen Zeitung. “Wo in Deutschland die ‘Scharia-Polizei’ marschiert”, titelt etwa Die Welt. Haltet doch bitte den Ball flach. Daß hierzulande tagtäglich Antiaufklärer unterwegs sind mit kruden Heilsbotschaften, mit paradiesischen Versprechungen, mit im Wortsinn höllischen Strafandrohungen bei Gott nicht genehmer Lebensführung, das kann doch weiß Gott (?!) niemand ignorieren. Nur die Marketingwucht ist bei den salafistischen Aufklärungsgegnern größer. Die haben halt Medienkompetenz und wissen, welchen teuflischen Zauber man veranstalten muß, um in die Schlagzeilen zu kommen oder in die Hauptnachrichtensendungen. Man stelle sich vor, die Antiaufklärer beispielsweise der Zeugen Jehovas nähmen sich das salafistische Herbstkarnevalstreiben zum Vorbild und wären fortan nicht mehr eher stumm und geduldig, wenn sie wortlos ihren Wachturm anpreisen, und ließen sich weder durch Ihre freundlich-desinteressierte Verneinung, noch durch aggressiv-lautstarke Körpersprache von Ihrer Haustüre vertreiben. Und zudem trügen sie rot-weiße Warnwesten mit der Aufschrift: Jehova-Polizei. Da würden Sie aber toben und flugs nach der Polizei rufen, der richtigen. Es kommt auf die Kostüme an. Mummenschanz ist aber beides. Die Warnwestenverkleidung wie das trügerische Biederzivil. Die einen haben aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Und die anderen verkaufen ihre Heilslehre eben stiekum. Gegenaufklärung ist sie allemal, die Religion.
Durch die Wüste
Ich komm aus der Wüste aus Stahl und Glas.
Ich komm aus der Wüste aus Angst und Haß,
wo die Menschen verdursten auf der Suche nach Liebe,
krank vor Verzweiflung und vom Warten müde. 
Ich komm aus dem Land der vergifteten Straßen,
wo man den Tag verkaufen muß, um sorglos zu schlafen.
Wo das Leben schneller ist als ein Herz schlagen kann
und tausend Lügner sprechen bevor einer die Wahrheit sagen kann. 
Ich komm vom Planeten der verzweifelten Götter.
Ich komm vom Planeten der reichen Bettler,
wo die Liebe verkauft wird und der Haß verschenkt,
wo die Mörder belohnt werden und die Heiligen gehenkt. 
Hilf mir!
Hilf mir!
Zeig mir den Weg hier raus!
Laß mich nicht hängen,
gib mir ‘ne Antwort,
zeig mir den Weg hier raus.
Hilf mir!
Rio Reiser und Silly 1992 beim Konzert “Gewalt ohne mich“
Delivery Man
Delivery Man
Whatever you want
I got it by the dozen
I got it by the pound
Gimme a call
I’ll bring it round
It don’t look so good
In black and white
Don’t believe in what you see
It don’t matter what you do
Don’t matter you say
It’s all in the delivery
Yeah, yeah
I’m the delivery man
I do what I can
Yeah, yeah
I’m the delivery man
I deliver
Well, I can bring it to your door
In the middle of the night
You can have it all
I will get it right
Get it right
A S A P
C O D
A direct
Delivery
A B C D
4 I P
AC/DC, baby
geliefert von The Cruel Sea
Vaterland
Aktueller denn je: der musikalische Kommentar von Silly
Vaterland Mein Vaterland ist fit und fleißig und macht was herUnd seine Wertarbeit ist bis heut’ legendär
Wie lieb ich so ‘n Land
mit Herz oder Verstand
Blind oder mit Blick über den Rand
Mein Vaterland macht mit Maschinen viel gutes Geld
Maschinen für das Töten für fast jeden Krieg der Welt
Wie lieb ich so ‘n Land
mit Herz oder Verstand
Blind oder mit Blick über den Rand
Der Tod besteht auf Qualität die verkauft sich gut
Das Geld verwandelt sich am Horizont in fremdes Blut
Wie lieb ich so ‘n Land
mit Herz oder Verstand
Blind oder mit Blick über den Rand
Wir bringen für Geld
den Tod über die Welt
Wie lieb ich so ‘n Land
mit Herz oder Verstand
Blind oder mit Blick über den Rand
Wiederbelebungsbeauftragter
Wiederbelebungsbeauftragter. So treffend beschrieb Bettina Altenkamp heute im WDR-Landtagsblog die Funktion des Bundesvorsitzenden der FDP, Christian Lindner, nach den gestrigen Landtagswahlen in Sachsen.
Luftnot
Es nimmt einem doch die Luft, daß heute, auf den Tag genau fünfundsiebzig Jahre nach den ersten Schüssen des Zeiten Weltkrieges, nach dem Überfall Deutschlands auf Polen, am Anti-Kriegs-Tag, im deutschen Parlament über Waffenlieferungen nach Kurdistan, in den Irak debattiert wird, werden muß. Es nimmt einem ebenso die Luft, in den Nachrichten anhören zu müssen, daß auch heute im Osten der Ukraine Separatisten Arm in Arm mit russischen Soldaten auf Urlaub gegen den ukrainischen Staat kämpfen. Krieg im Donbass. Mit Panzern, schweren Waffen, Raketen, Munition, die die urlaubenden russischen Soldaten mit an ihren Urlaubsort nehmen durften. Wie geschichtsvergessen die russische Regierung versucht, den russisch-ukrainischen Grenzverlauf nach Westen zu verschieben und dabei die Weltöffentlichkeit hinters Licht führt und belügt, das kann einem nur den Atem nehmen.
