Monat: September 2014

Suppenkasperin

Die “braune Suppe” schlägt Wellen. (Was für ein beschissenes Bild.) Die Generalsekretärin der SPD, Frau Fahimi, hatte in Auswertung der Landtagswahlen die erfolgreiche AfD mit den Worten “braune Suppe” beschrieben. Keine Ahnung, was eine irgendwie doch kultiviert scheinende sozialdemokratische Spitzenpolitikerin dazu bringen kann, sich derart im Bild zu vergreifen. Logorrhoe, kann ich da nur sagen, Sprechdurchfall. Nicht besser als das Bild. Wer so argumentiert, mit beschissenen Bildern, mit Mulm und nicht mit Argumenten, der hat den Shitstorm auch verdient. Auch so ein beschissenes Wort. Shitstorm. Frau Fahimi ist Generalsekretärin. Darf man fragen, wie lange noch? Wer in Thüringen nur etwa zwei Prozent mehr ergattert hat als die AfD, sollte etwas mehr Demut an den Tag legen. Aber das können die meisten Politiker, auch die “meiner” SPD nicht. So wird aus einer Generalsekretärin leider nur allzu leicht eine Suppenkasperin.

Wahlabend

Wahlabend, so wird die Veranstaltung seit Jahren genannt. Prognosen, Hochrechnungen, Interviews, Schaltungen in die Parteizentralen, Bonner Runde, Zahlen, Zahlen, Zahlen. Platitude reiht sich an Platitude. Da freut man sich über das gute Ergebnis für die eigene Partei, dankt den vielen uneigennützigen Helfern, den Wählern, natürlich, will in Ruhe erste Gespräche führen. Pflichtgemäß rüpelt der CSU-Generalsekretär gegen die SPD-Vertreterin. Der CDU-Generalsekretät weist jede Verantwortung für das Erstarken der AfD weit von sich und seiner Partei. Die SPD-Sekretärin verliert den Lautstärkewettbewerb. Die Linken müssen zunächst einmal analysieren, bevor sie etwas zum miserablen Ergebnis an der Urne sagen können. Alles wie immer. Rituale, Rituale, Rituale. Gestanzte Antworten, die der Zuschauer schon kennt, bevor noch eine Frage gestellt worden ist. Eines aber gibt es am Wahlabend nicht: Einsichten. Nachdenken, Fehler gestehen, Ratlosigkeit, Besorgnis übers Ergebnis, Fragen, Ungewissheit, alles nichts für den medialen Wahlabend. In beiden Bundesländern ging mal wieder nur jeder zweite Wähler ins Wahllokal. Die Legitimation der Demokratie läßt nach. Aber: Wer nicht wählt, wählt auch. Krawall statt Konstruktivität. Die Parteien schaffen es nicht, den Bürgern die parlamentarische Demokratie interessant zu machen, ihnen Stolz zu vermitteln auf das Gemeinwesen, sie zur Mitarbeit zu bewegen, zur Teilhabe. Alle Parteien. Sind die Landtagswahlen, die von Sachsen auch, ein Armutszeugnis? Für wen denn eigentlich? Sind die Wähler überwiegend blöde? Bequem? Sind es Anti-Demokraten? Politische Analphabeten? Die gibt es, natürlich, und es wird sie immer geben, blöde Wähler, bequeme, politische Analphabeten, Dummköpfe. Nur trifft das alles nicht auf die Mehrheit aller wahlberechtigten Bürger zu. Wenn nur einer von zwei Wählern seine Stimme am Wahltag abgibt, dann ist das in erster Linie ein Armutszeugnis für die Politik und für die politischen Parteien. Parteien haben den Menschen das Interesse an der Politik, die Lust auf politisches Handeln, den Spaß an der politischen Debatte über Jahre hinweg gründlich ausgetrieben. Eine verquere, technokratische Sprache, staubtrocken und unsinnlich. Politik als Angelegenheit von Fachleuten, Experten, nicht aber als Gelegenheit, Menschen für die Gestaltung des Gemeinwesens in den Bann zu nehmen. Ritualisierte Debatten, Kämpfe, die keine sind, Als-ob-Auseinandersetzungen. Die miserable Wahlbeteiligung nutzt nur der neuen Rechten, der AfD. Die Parteien nehmen es zu leicht und machen es sich zu leicht. Fünfundzwanzig Jahre nach demokratischem Aufbruch, nach Mauerfall, nach Montagsdemos bröselt die Demokratie im dumpfen Nörgelmulm von sich hin. Garniert von strahlenden Politikergesichtern. Und oben drauf die Wahnsinnsprogrammplanung der ARD. Ein Tatort nach der Wahl, eine, ja, wie soll man sagen, eine Groteske, in der arabische Idioten mit Diplomatenschutz so gut wie jedes deutsche Gesetz brechen können, Kamele das noble Viertel bevölkern, deutsche Bullen nichts ausrichten können gegen zugekiffte, bewaffnete, bekloppte Ausländer und ihre noch bescheuerteren teutonischen Helfershelfer. Um Koks geht es, natürlich, um Waffen, um korrupte Politiker. Um Teppichhändler, superreiche Emire, um den U-Bahnbau in der arabischen Wüste. Grotesk. Besser aber als eine weitere Berliner Runde allemal.

Leierkasten

Da macht man sich ja keinen Begriff von, wie laut die Orgelpfeifen in einer Drehorgel sein können, die mitten in der Stadt steht. Leierkasten hat der Volksmund dieses, äh, Instrument genannt. Nicht ganz zu Unrecht. Es leiert. Laut. In Frequenzbereichen, die meinen Hörgeräten und mithin meinen Ohren nicht wirklich gut tun. Und wenn dann noch Mendocino gespielt, nein: georgelt wird, imagedann sind wirklich alle Grenzen des guten Geschmacks, der musikalischen Kultur, der innerstädtischen Erbauung überschritten. Mendocino, Sie erinnern sich vielleicht an Michael Holms klebrige Liedzeile: Mendocino, Mendocino, ich fahre jeden Tag nach Mendocino, an jeder Tür klopfe ich an, doch keiner kennt mein Girl in Mendocino. Daran mag man einfach nicht erinnert werden, nicht einmal vom Drehorgelmann.

Blues, so oder so

Blues in der Kattwinkelschen Fabrik? Oder doch Stammtisch der AfD? Der Alternative für Deutschland und Wermelskirchen. Das waren die Möglichkeiten fürs gestrige Abendprogramm. Und wenn Stammtisch, habe ich nicht danach den Blues? Und wenn Blues, entgeht mir nicht doch etwas Neues der Wermelskirchener Stadtpolitik? Kurzerhand entschieden. Für Brauhaus, AfD, Stammtisch. Eine Begegnung der dritten Art. Womöglich sogar eine unheimliche Begegnung der dritten Art. Steven Spielbergs Film läßt sich ja verstehen als eine Möglichkeit, sich auf Unbekanntes einzulassen und miteinander zu kommunizieren. Auch, wenn man unterschiedlichen Welten entstammt. An Versöhnung, wie seinerzeit Spielberg, habe ich gestern Abend indes nicht gedacht. Mir ging es dann doch eher darum zu erleben, wie diese Menschen mit Politik und Kommunalem umgehen. Und vor allem darum zu erfahren, ob der Herr Stadtrat Müßener, wenn ich mich mit ihm in einem Raum befinde, mir gegenüber ähnlich ungehobelt auftritt und ähnlich verquast argumentiert, wie er das nun schon seit geraumer Zeit in allen möglichen Facebookgruppen und auch auf der Homepage der hiesigen AfD praktiziert. Dreizehn mehrheitlich ältere Männer und ich. Keine Frau. Wie man sich einen Stammtisch so vorstellt. Da mich nur der Stadtrat Andreas Müßener und sein schreibender Adlatus Manfred Schawohl kennen, nein: nicht kennen, sondern lesen, wurde ich dann aber auch flugs eingeordnet vom Stadtratsassistenten: als Gegner, als Feind. Unheimliche Begegnung der dritten Art. Nach meinen Absichten gefragt, habe ich meine Erfahrungen bei der Lektüre von Facebookpostings und meine Neugier dargelegt, ob sich Müßener und Co. eines anderen, eines niveauvolleren, irgendwie bürgerlichen Umgangstones befleißigen, wenn sie mir in die Augen sehen können. Andreas Müßener, mein Stadtrat, bekam zu dieser Erwartung nicht einen Ton über seine Lippen. Keine Begegnung der dritten Art. Kleinlaut. Der ansonsten so rauflustige Stadtrat. Etwas verschwurbelt, nicht ganz handfest erläuterte der Fraktionsvorsitzende, Karl Springer, daß man in der hiesigen AfD nicht zufrieden sei mit der Außendarstellung und deswegen an der Verbesserung des öffentlichen Auftretens der noch jungen Partei arbeite. Die Positionen von AfD-Mitgliedern würden demnächst eher “abgestimmt”, “vorbesprochen” veröffentlicht. Das war aber dann doch eine unheimliche Begegnung der dritten Art und etwas ganz Neues. Andreas Müßener an der Kette. Man hat ein Auge auf ihn. Politische Bildung. Auf der Homepage nicht angekündigt war eine Tagesordnung, die nach der Betriebsstörung durch mich dann auch noch abgearbeitet werden mußte. Da ging es um die Mitarbeit in den Ausschüssen, um die Bildung von Arbeitsgruppen, um die Formulierung von Parteiperspektiven, die Auswertung des Wahlergebnisses in Sachsen. Wie auf einem politischen Stammtisch. Und es ging mitunter hoch her. Debattenkultur und Versammlungsleitung sind noch weitgehend unerprobte Felder. Die spontane Meinungsäußerung hat Konjunktur. Der Zwischenruf kann länger dauern. Ein Stammtisch eben. Diese Partei hat ihren Ort noch nicht gefunden. Ein Beitrag reklamierte den konservativ-bürgerlichen Ort rechts neben der CDU. Anderen platzte ihre Angst vor “Überfremdung” und “mehrheitlich bewaffneten Ausländern“, denen man jede Art der Sozialhilfe zuteil werden lasse, ständig heraus. Dann gab es solche, die lediglich Kommunalpolitik machen wollten und die der Rest, die große Politik im Bund oder in Europa, nicht interessiert. Ein heterogener Haufen. Unsortiert, noch ohne effiziente Strukturen, weitgehend ohne profunde Erfahrungen. Zum professionellen Politikbetrieb scheint mir noch ein weiter Weg zu sein. Und dann müssen die politischen Gegner auch keine besonderen Sorgen haben. Die AfD muß sich erst finden. Ob sie sich dann dauerhaft rechts neben der CDU etablieren kann, und als was: als rechtspopulistische Partei, als Nationalkonservative, als Europafeinde, als marktradikale Neoliberale, als Partei mit einem Gesellschaftsbild von vorgestern, das alles steht noch nicht fest. Entzaubern wäre angebracht. Nicht verteufeln. Das nächste mal ist übrigens Blues angesagt.

Weintrinker

Neunzehnhundertdreiundsechzig schon hat der Jurist und Sänger und Oppositionelle und zeitlebens Unangepaßte, der Doktor der Rechte, Franz Josef Degenhardt, Sozialdemokrat zunächst, Kommunist hernach, Cousin von Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, dem Erzbischof von Paderborn, bekannt, daß er Weintrinker sein möchte und die Idylle seines Lebens beschrieben

Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich verstehn,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergehn.
Ich möchte Weintrinker sein.

Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streite, die am Tresen stehn.

Ich möchte Weintrinker sein,
bei’nem herben Roten oder leichten Weißen
um’ne Runde spielen, nach der keiner fragt,
ein paar Witze über den Verlierer reißen,
der ganz einfach nur darüber lacht.

Ich möchte Weintrinker sein,
nicht beim Schnaps um Zehntel Skat mit Hirschbock spielen,
wo man gierig Geld in seine Tasche wischt,
nicht dem Nachbarn heimlich in die Karten schielen,
ihn nicht schlagen, wenn er sich zwei Asse mischt.

Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen lachend ein paar Lieder singen,
die sich um Trinken, Mädchen und um Liebe drehn,
nebenbei ein bisschen reden von den Dingen,
die am tag in einer kleinen Stadt geschehn.

Ich möchte Weintrinker sein,
nicht ab Mitternacht “Frau-Wirtin-Verse” grölen,
kein Soldatenlied und nicht den “Tag des Herrn”,
und nicht vom “Mittelabschnitt” irgendwas erzählen
und nichts von Hungerpest in Hongkong hör’n.

Ich möchte Weintrinker sein,
auf dem Nachhauseweg wie Kinder darauf achten,
dass man beim Bürgersteig nicht auf die Ritzen tritt,
und im Bett dran denken, wie die Mädchen lachten,
und im Schlaf noch lachen über meinen Schritt.
Ich möchte Weintrinker sein.