Schlagwort: ARD

Grundversorgung

Mich kann man, meine Freunde wissen das, für ein Fußballspiel wecken, nachts um drei. Auch für ein Spiel des 1. FC Köln. Immer noch. (Nur spielen die nicht nachts um drei Uhr, sondern demnächst montags um zwanzig Uhr fünfzehn.) Das ist meine dunkle Hälfte. Gleichwohl: Was für ein horribler Unsinn, daß sich ARD und ZDF daran beteiligt haben, daß Kickerhonorare in den kommenden Jahren noch einmal um ein unanständiges Maß gesteigert werden können. Zugleich werden Dokumentationen und Reportagen ausgedünnt. Programme, die der Orientierung der Bürger dienen, werden durch Talk an allen Tagen ersetzt. Musikantenstadl und anderes Seichtes setzen die Programmmarken. Grundversorgung? Bildungsauftrag? Ja, die Sportschau gehörte eigentlich zur Grundversorgung. Ich zweifle aber, daß die Öffentlich-Rechtlichen wirklich jeden Preis zahlen müssen. Hier sind die Grenzen bei weitem überschritten.

Verblödung und Unterforderung

“Selten wurden die zwei zentralen Prinzipien der deutschen Mediendemokratie – Verblödung und Unterforderung – so offenbar wie hier in der harmonischen Zusammenarbeit von Politiker und Moderator. Unversehens geronn die europäische Krise, die nicht zuletzt durch deutsches Zutun ihre Zuspitzung erfahren hat, zu einer kurzweiligen Lach- und Sachgeschichte. Hätte Jauch die Arbeit eines Journalisten gemacht, hätte er die Kanzlerin nach dem deutschen Beitrag zur europäischen Krise befragt, nach dem Zusammenhang zwischen dem phänomenalen deutschen Exportüberschuss und dem Defizit der EU-Partner. Und er hätte über den Lohnverzicht gesprochen, der den deutschen Arbeitnehmern aufgezwungen wurde und der ihre europäischen Kollegen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass Jauch der beliebteste Moderator des Landes ist, weil er diese Fragen nicht stellt.” (Jakob Augstein im Freitag vom 29. September 2011 unter dem Titel: “In der gläsernen Fabrik” zum einstündigen Gespräch zwischen Günther Jauch und Angela Merkel / www.freitag.de)

Die öffentlich-rechtliche Hochzeit

Wahrscheinlich gehört es zur Chronistenpflicht auch öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, über eine Hochzeit bei britischen Royals zu berichten. Vermutlich ist durch den öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag sogar die Stunden währende Übertragung gedeckt. Ob sich aber ARD und ZDF gestern einen Gefallen getan haben, als sie über viele Stunden hinweg parallel die gleichen Bilder ausgestrahlt und sich nur in der Kommentierung voneinander unterschieden haben, das wage ich dann doch zu bezweifeln. Mit Gebührengeldern (nahezu) identische Programme auszustrahlen, das haben die beiden Systeme bislang weitgehend vermieden. Beispielsweise wird bei Sportereignissen von Weltgeltung, etwa den Fußballweltmeisterschaften, sorgsam darauf geachtet, daß man im Wechsel berichtet, heute die ARD, morgen das Zweite. Private Sender sollen sich am öffentlichen Hype orientieren dürfen, für öffentlich-rechtliche Anstalten gelten andere Regeln. Gottlob. Wohltuend die Programmentscheidung bei Phönix. Dort gab es gestern den Themenschwerpunkt: Es lebe die Republik.

FDP in der Lindenstraße

Schade. Da habe ich doch offenbar glatt ein Fernsehhighlight verpaßt. Die Lindenstraße. In der Folge am vergangenen Sonntag hatte, wie Spiegel Online heute meldet, die Figur Jimi Stadler – Installateur und Familienvater – gesagt: “Die Politik hilft uns auch nicht. Unsere Super-FDP: Die steckt’s den Hoteliers und den Ärzten hinten und vorne rein. Aber wir vom Handwerk, wir sind die Dummen. Wahrscheinlich, weil wir nicht gespendet haben.” Die liberale Reaktion folgt prompt: “Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat überparteilich zu sein – gerade in Unterhaltungssendungen”, sagte der medienpolitische Sprecher der FDP, Burkhardt Müller-Sönksen, der “Bild”-Zeitung zufolge. Er wage zu bezweifeln, “ob sich die ARD mit einer solchen einseitigen Parteinahme einen Gefallen tut”. Burkhardt Müller-Sönksen. Haben wir den Namen schon einmal gehört? In irgendeiner Mediendebatte? Was will uns Burkhardt Müller-Sönksen mit seinem Satz denn sagen? Daß die ARD bloß vorsichtig sein solle? Burkhardt Müller-Sönksen ist Anwalt. Die grundgesetzlich garantierte Presse- und Medienfreiheit und die Unabhängigkeit von Kunst und Journalismus sollte ihm bekannt sein. Lindenstraße hin, Lindenstraße her, nur um diese Sendung kann es gar nicht gehen. Der FDP-Protest hat Geschmäckle, wie vieles, was die FDP derzeit unternimmt.

Für Dominik Brunner und alle, für die Zivilcourage nicht nur ein Wort ist; und in memoriam Anneliese Knoop-Graf

Gestern Abend, im Ersten, nach den Tagesthemen das Wort zum Sonntag. Ich gestehe, normalerweise nicht genau hinzusehen, wenn diese Sendung ausgestrahlt wird. Ein Fehler. Gestern hat mich, der ich nicht Mitglied einer Kirche bin,  Monsignore Stephan Wahl mit seinem Wort zum Sonntag in den Bann genommen. “Courage” – so die schlichte Überschrift seines Textes. Für dieses Blog habe ich seinen Schlußsatz als Überschrift übernommen. Hier das vollständige Wort zum Sonntag:

„Was würde Ihr Bruder heute tun?“ Wenn ihr diese Frage gestellt wurde, konnte sie heftig werden. „Eine unsinnige Frage…“ sagte sie dann. Anneliese Knoop-Graf war die jüngere Schwester von Willi Graf. 1943 wurde der 25jährige von den Nazis verurteilt und ermordet. Willi Graf gehörte zur studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“. Letzte Woche haben wir nun seine Schwester begraben. Leidenschaftlich erzählte sie immer wieder vom Mut Ihres Bruders und seiner Freunde. Realistisch, ohne zu beschönigen. Sie erzählte auch von dem Unverständnis, das ihr Bruder auslöste. Von der Ablehnung, von dem gut gemeinten Rat, doch den Mund zu halten. Die Zivilcourage ihres Bruders war sein eigener Mut. Ein einsamer Mut. In einer ganz besonderen Zeit, unter unvergleichbaren Umständen. Deshalb regte sich Frau Knoop immer auf über diese Frage: „Was würde Ihr Bruder heute tun?“. Keiner weiß das. Viel wichtiger war ihr die andere Frage: Was kann ich heute tun? Dann wenn es auf mich ankommt… Immer wieder hat sie in ihren Vorträgen Schülern diese Frage gestellt. Zivilcourage ist schön in Spielfilmen, in spannenden Romanen, macht sich so gut in Sonntagsreden. Weiterlesen