Schlagwort: CDU

Schwarze Integration

Eine Erziehung, die auf Druck und auf Einschüchterung aufbaut, heißt “schwarze Pädagogik”. Diese schwarze Pädagogik setzt das erwünschte Verhalten von Kindern mit brachialen Mitteln durch. (…) In der Ausländer- und Flüchtlingspolitik (…) lebt diese schwarze Pädagogik nun leider wieder auf. Die CDU will auf ihrem Parteitag ein “Integrationspflichtgesetz” beschließen, das den Migranten Sanktionen androht, wenn sie sich in Deutschland nicht wunschgemäß integrieren. Flüchtlinge sollen künftig ein Bekenntnis unterschreiben – etwa zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zur Achtung von Homosexuellen und zum Existenzrecht Israels; widrigenfalls sollen die Sozialleistungen gekürzt und der Aufenthaltsstatus infrage gestellt werden. So richtig und wichtig diese Werte und Haltungen sind: Auf diese Weise fördert man sie nicht; das ist Rohrstock-Integration; sie fördert nicht die Grundwerte und Grundrechte, sondern allenfalls die Heuchelei.

Heribert Prantl, Integrationspflicht. Schwarze Pädagogik, in: Süddeutsche Zeitung vom ersten Dezember Zweitausendfünfzehn

Zehn Tage

Zehn Tage sind sie erst her, die Bürgermeisterwahlen in Wermelskirchen. Zehn Tage. Zehn Tage Ruhe, zehn Tage keine Wahlveranstaltung, zehn Tage keine politischen Parolen, zehn Tage keine Facebookaufregungen, zehn Tage keine Schmähungen. Immerhin, zehn Tage Nachwahlfrieden. Und heute, am zehnten Tag, lese ich dann in der Morgenpost, daß die CDU – nach eigenem Bekunden – keine größeren Fehler im Wahlkampf gemacht habe, das Ergebnis auf ein paar örtliche Besonderheiten zurückzuführen sei, den “Alt-Jung-Gegensatz” der Kandidaten, und die CDU ein “Stichwahlmobilisierungsproblem” habe. Tja, das war’s dann mit dem Vorsatz, nichts mehr zu den Bürgermeisterwahlen zu schreiben. Denn ganz so einfach sollte es sich die hiesige CDU nicht machen. Die überraschende Wahl des Sozialdemokraten Rainer Bleek zum Bürgermeister im strukturkonservativen Wermelskirchen ist nämlich das größtmögliche Fiasko für die Union. Schon die zweimalige Wahl des Freidemokraten Eric Weik Zweitausendvier und Zweitausendneun war für die CDU kaum hinzunehmen. Leitet sie doch seit September Neunzehnhundertsechsundvierzig die Geschicke dieser Stadt, lediglich einmal unterbrochen von einer vierjährigen Amtszeit des Sozialdemokraten Arthur Mebus zwischen Neunzehnhundertsechsundfünfzig und Neunzehnhunderteinundsechzig. Wermelskirchen sollte nach der erfolgreichen Kommunalwahl im vergangenen Jahr endlich wieder von einem Christdemokraten geführt und repräsentiert werden. Doch dann nominierte die CDU den ehrenamtlichen Bürgermeisterstellvertreter, Stefan Leßenich. Wie man allenthalben hören konnte, zum Verdruß auch beachtlicher Kreise in der CDU selbst. Die Zweifel waren nicht zu überhören, daß es dem jungen Kandidaten an den erforderlichen Führungsqualitäten mangele. Zudem war die Kandidatur von Stefan Leßenich offenbar nicht mit den Partnern der CDU im Rat, den Grünen und dem Bürgerforum, einvernehmlich vereinbart worden. Und schließlich ging der christdemokratische Stadtverband noch eine vertragliche Vereinbarung mit der WNK unter ihrem Fraktionsvorsitzenden, Henning Rehse, zur Unterstützung des CDU-Kandidaten ein. Zur Bürgermeisterwahl hat die CDU also ein anderes Bündnis geschmiedet als nach der letzten Kommunalwahl vor einem Jahr. Man darf wohl vermuten, daß die nicht gründlich fundierte Einschätzung die wesentliche Rolle gespielt hatte, daß FDP und Bürgerforum wohl kaum einen sozialdemokratischen Kandidaten unterstützen würden und aus diesen Reihen vermutlich auch kein Kandidat den Hut in den Ring werfen könnte. Eine fatale Fehleinschätzung reiht sich an die nächste. Und dann kam Dieluweit. Marc Dieluweit aus Burg an der Wupper trat an, als Unabhängiger, mit Unterstützung von FDP und Bürgerforum. Ein Schachzug, mit dem die christdemokratischen Strategen mit einem mal ausgehebelt waren. Einen Wahlkampf zwischen einem Kandidaten der CDU und einem der SPD, so die Überzeugung, konnte die CDU nicht verlieren. Gleich, wer der Kandidat auch immer ist. Nun aber gab es einen ersten Wahlgang mit zwei bürgerlichen, einem sozialdemokratischen und einem linken Bürgermeisteranwärter. „Unerfahrenheit gepaart mit einem Schuss Naivität“ treffe auf „geschliffene Partner“, was nicht unbedingt zum Wohl der Stadt sei. So war das Bürgerforum zu vernehmen. „Was die CDU anstrebt, ist nicht gut für die Stadt und nicht gut für die Demokratie in unserem Stadtrat“. Geharnischte Kritik an den Strippenziehern in CDU und WNK, die einen unerfahrenen Kandidaten als Beute von politisch erfahrenen Obermuftis befürchtete. Eine Kritik eher an Henning Rehse als an Christian Klicki, dem jungen CDU-Stadtverbandsvorsitzenden. Und der WNK-Zampano betätigte sich in einer schäumenden Stellungnahme sogleich als Zensurenverteiler im vermeintlich bürgerlichen Lager und erinnerte das Bürgerforum mahnend daran, wie es „entstanden ist (Nämlich als Abspaltung von der CDU., W.H.) und wo Ihr Euren Standort im politischen Spektrum habt“. Mehr eine Warnung, eine Drohung. Rehse moniert, die aktuelle Position des Bürgerforums habe „mit Verlässlichkeit, Gradlinigkeit und Glaubwürdigkeit nichts zu tun“. Soweit die Tonlage im bürgerlich-zivilisierten Umgang. Henning Rehse hat heute noch nicht begriffen, daß seine Zeit als Oberzampano der Politik abgelaufen ist und sein Einfluß nach und nach schwindet. Das Bürgerforum jedenfalls, die FDP und Marc Dieluweit haben sich von den Drohgebärden nicht einschüchtern lassen. Ein Viertel der Stimmen hat Dieluweit im ersten Wahlgang aus dem Stand gewonnen. Als Newcomer, als jemand, den noch Wochen vor der Wahl in Wermelskirchen niemand kannte. Und deshalb erreichte die CDU im ersten Wahlgang auch nur etwa achtunddreißig Prozent. Ein Debakel. Und daß der Kandidat und das Bürgerforum für den zweiten Wahlgang empfahlen, Rainer Bleek die Stimme zu geben, macht vollends deutlich, daß von einem bürgerlichen Lager in dieser Stadt kaum mehr die Rede sein kann. Ich teile die Auffassung, daß es schon der verschwurbelten Taktik eines Christian Klicki bedurfte und der hemmungslos-rechtspopulistischen Polarisierung eines Henning Rehse, samt unzivilisierter Schmährhetorik in den sozialen Netzwerken, daß nach vierundfünfzig Jahren wieder ein Sozialdemokrat auf dem Bürgermeistersessel Platz nehmen wird. Insofern stimmt die Ausgangsüberlegung in der CDU, daß ein Wettstreit zwischen einem “schwarzen” und einem “roten” Kandidaten in Wermelskirchen tendenziell eher zugunsten des schwarzen Mannes entschieden wird. Wenn, ja wenn sich das “bürgerliche Lager” nicht selbst vom Spielfeld nimmt. Wegen Maßlosigkeit, wegen Überschreitung der Grenzen zu rechtspopulistischen Vereinigungen und Parteien, wegen selbstgefälliger Allmachtsphantasien, wegen eines rüpelhaft-unzivilisierten Schmähtones. Alles auch heute noch zu inspizieren bei einem Besuch in diversen Facebookgruppen, die von Henning Rehse administriert werden. Wenn sich die CDU am Ort mit einem Menschen zusammenschließt, der ganz unchristlich für die erneute strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen eintritt, mit einem Mann, der in “seiner” Facebookgruppe zuläßt, sogar fördert, daß ein AfD-Funktionär einen Bürgerkrieg herbeischwadroniert wegen des Zuzugs von Flüchtlingen, der Andersdenkende beleidigt und herabwürdigt, dann kann sie die Folgen, die bittere Wahlniederlage, nur aufs eigene Konto buchen und niemand anderen verantwortlich machen.

Gesichtslos

Heute wirkt jeder Versuch, ein konservatives Profil der Partei zu schärfen, seltsam aus der Zeit gefallen. (…) Nein, diese CDU gibt es nicht mehr. Und das deutsche Bürgertum, das sie einst getragen hat, auch nicht. Die Furchtsamen und Zornigen unter den deutschen Bürgern finden sich bei der AfD wieder oder sie gehen gar nicht mehr wählen. Fröhliche Bürger aber wählen die Grünen. Es gibt eine neue bürgerliche Normalverteilung im Land, und darin spielt die CDU eine andere Rolle als früher. Angela Merkel hat vermutlich noch das Beste daraus gemacht, als sie sich an Heiner Geißler hielt, den einflussreichsten Denker der Union. Er warnte vor Jahren: „Wer nach rechts rückt, wird links regiert.“ Der Preis: Unter Merkel wurde die Union zur gesichtslosen Partei der Mitte.

Jakob Augstein, Mission Merkel erfüllt! CDU: Was die SPD bereits hinter sich hat, steht der Union noch bevor: der Abstieg aus der Liga der Volksparteien, in: Der Freitag, Vierundzwanzig aus Zweitausendfünfzehn

Demontiert

Neujahrsempfang der CDU im Rathaus. Heute vormittag. Eine rundum gelungene Präsentation der örtlichen CDU. Der Ratssaal ist voll, rappelvoll. Mehr als hundert Menschen haben sich eingefunden. Christdemokraten, Mitglieder anderer Parteien, Ratsvertreter, Interessierte. Flskitcheißige Helfer der Jungen Union schaffen noch zusätzliche Stuhle heran für den unerwarteten Andrang. Soweit, so gut. Ein voller Saal. Die Wand aber ist leer. Die Wand, die eigentlich 1796953_815332655149848_129317311_ovoll ist. Voller Bilder nämlich. Bilder, Fotografien der Bürgermeister. Demontiert. Die Ahnenreihe der Bürgermeister, abgehängt von der CDU. Warum nur? Wollte man den deutlichen Bilderzeig nicht, daß die CDU schon viele, viele Jahre den Bürgermeister nicht mehr stellt? Der letzte, buchstäblich, in der Reihe, der Bildergalerie, ist der gewesene Bürgermeister Heckmann. Christdemokrat. Der Letzte. Aber: Wer kann sich noch erinnern? Im Kommunalwahlkampf noch hat man auch im Rathaussaal getagt. Vor nicht einem Jahr. Unter den Portraits der Bürgermeister. Klaglos.

P.S. Christian Klicki liest mich. Der junge und erfolgreiche Vorsitzende der hiesigen CDU. Und soeben weist er mich darauf hin, daß nicht die CDU die Bürgermeisterportraits hat abhängen lassen. Bürgermeister Weik habe einen prominenteren Platz im großen Ratssaal gefunden. Meine Spekulation ist also kaum mehr als eine ungedeckte Spitzfindigkeit. Eine Frage bleibt: Werden wir im September ein Portrait von Eric Weik im großen Ratssaal bewundern können? Oder bleibt es bei der imposanten Reihe ehemaliger Stadtchefs?

Das goldene Kalb

Unter dieser Überschrift hat Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung von heute seine Meinung zum neusten Vorschlag der CDU im Umgang mit Freihandelsabkommensverhandlungen kundgetan:

Der Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag hat die SPD allen Ernstes aufgefordert, ihre ohnehin nur sehr verhaltene Kritik an den geplanten Abkommen zwischen der EU und den USA (genannt TTIP) und der EU und Kanada (genannt Ceta) aufzugeben. Die Abkommen sollen, so stellt es sich die Union vor, kritikfrei gestellt werden. Massive Eingriffe in die Rechtsstaatlichkeit durch private Schiedsgerichte sollen, so wünscht sich das die Union, dankbar und mit “Euphorie” begrüßt werden. (…) Man kann nicht erst, wie geschehen, geheim verhandeln und die Öffentlichkeit damit vertrösten, dass man später noch über alles reden könne – und dann später sagen, dass jetzt alles wunderbar geregelt und Kritik nun wirklich nicht mehr am Platze, ja massiv schädlich sei. So kann man mit dem Souverän, dem Volk, und so kann man mit den Parlamenten nicht umgehen. Freihandelsabkommen dürfen nicht zu Entdemokratisierungs-Abkommen und nicht zu Entrechtstaatlichungs-Abkommen werden. Der Tanz ums goldene Kalb gehört ins Alte Testament, nicht in eine demokratische Gesellschaft.

Verantwortung

Die rot-grüne Landesregierung ist im Fall der gedemütigten und mißhandelten Flüchtlinge in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften ihrer grundgesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, die unantastbare Würde des Menschen zu schützen. Bedauern, Betroffenheit und Bestürzung ersetzen nicht die politische Verantwortung der Landesregierung oder des Innenministers. Und es sind in der Tat schon Innenminister zurückgetreten, anderswo, die  kritisierte Vorgänge nicht direkt zu verantworten gehabt hatten. Armin Laschet, dem Landesvorsitzenden der CDU, ist insoweit vollkommen zuzustimmen.

Verstörend

Seit einem Jahrzehnt wird im Bundestag über Karenzzeiten (von in die Wirtschaft wechselnden Ministern und Regierungsmitgliedern, W.H.) beraten, geschehen ist aber nichts. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag zwar versprochen, eine „angemessene Regelung“ einzuführen. Vorgelegt haben sie bisher aber noch nicht einmal einen Entwurf. Stattdessen streicht die Koalition die Karenzzeiten-Anträge der Opposition ein ums andere Mal von der Tagesordnung.
Von der Union ist man derlei gewöhnt, sie lehnt die Wartezeiten für Minister eigentlich ab. Das Verhalten der SPD ist verstörender. Es ist noch keine zwei Jahre her, dass die Sozialdemokraten selbst einen Antrag für Karenzzeiten eingebracht haben. Er sah eine Wartezeit von 18 Monaten vor, innerhalb derer Regierungsmitglieder nur mit Billigung einer Ethik-Kommission einen neuen Job annehmen dürfen. (Robert Rossmann, Seitenwechsel. Mit Gschmäckle, in Süddeutsche Zeitung von heute)

Marx gegen Kapitalismus

Marx ruft zum Kampf gegen den Kapitalismus auf. Da mag man meinen, Spiegel-Online sei aus der Zeit gefallen. Wenn das Wörtchen Kardinal nicht wäre. Nicht Karl ist gemeint, Karl Marx, von dem man das ja weiß und wußte, daß er den Kampf gegen den Kapitalismus führte. Nein, der Kardinal mit dem schönen deutschen Vornamen Reinhard, Kardinal Reinhard Marx, ist ab sofort an der Seite des Doktors aus Trier zu finden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Kein Nobody, kein minoritärer Kirchenfürst.

1024px-Kardinal_Reinhard_Marx

Es gibt schon sonderbare Koalitionen. Karl und Reinhard vereint im Kampf für die Überwindung des herrschen Wirtschaftssystems. “Wir müssen über die Neubestimmung der Gesellschaft und des Staates auf globaler Ebene diskutieren, über den Kapitalismus hinausdenken, denn Kapitalismus ist nicht das Ziel, sondern wir müssen ihn überwinden.” Da hat der neue Chef der Katholiken, Papst Franz, schon einiges angerichtet. War er es doch, der öffentlich bekundete, daß die kapitalistische Wirtschaft töte.

711px-Marx7

Ich bin gespannt, ob die Christliche Union jetzt ihr weitsichtiges Ahlener Programm wiederbeleben wird. Dort heißt es unter anderem: “Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr als das kapitalitische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. ” 

(Foto R. Marx: Wolfgang Roucka)