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Ausgebremst

Ausgebremst. Und wie. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ralf Stegner, nahm die gestern veröffentlichten Panama-Papiere flugs zum Anlaß für eine flotte populistische Wortmeldung: „Wenn eine Bank solche Geschäfte duldet oder gar fördert, muss ihr die Lizenz entzogen werden können.“ So hatte sich Stegner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber eingelassen. Der Staat müsse sich um den Finanzsektor, „der in Teilen mafiöse Strukturen hat“, intensiver kümmern, wobei das Bankgeheimnis im Zweifel “zweitrangig“ sei. Stegner forderte ein generelles Verbot von Briefkastenfirmen. „Für dubiose Heimlichkeiten gibt es keinerlei Rechtfertigung, völlig schnurz, ob jemand Geld vor der Ehefrau versteckt, Waffendeals finanziert oder Steuern hinterzieht.“ Wolfgang Kubicki, FDP-Vize im Bund und Liberalen-Chef in Schleswig-Holstein, konterte trocken auf Facebook: “Wenn Herr Dr. Stegner nun fordert, dass denjenigen Banken, die an Briefkastenfirmen und Offshore-Geschäften beteiligt sind, die Lizenz entzogen werden müsse, ist das gleichzeitig eine Rücktrittsankündigung. Denn unter seiner Verantwortung als Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein und Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank hat die HSH Nordbank tausende solcher Geschäfte getätigt. Gleichzeitig müsste der Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein Monika Heinold die Lizenz entzogen werden, weiterhin auf Kosten der Steuerzahler die nach Meinung des Kollegen Stegner unseriösen Geschäftspraktiken zu unterstützen.” Si tacuisses …

Corbyn statt Gabriel

Wie eingemauert verharrt die SPD im 25-Prozent-Keller. Das ist auch das „Verdienst“ Gabriels: Er verkörpert das Elend der deutschen Sozialdemokratie. Es mangelt ihm an Substanz, an sozialdemokratischer Grundierung. Er ist ein Machtpolitiker ohne inneren politischen Kompass. Er kann nicht überzeugen, weil es ihm an Überzeugungen fehlt. Von der Verschärfung des Asylrechts über TTIP und Vorratsdatenspeicherung bis zur Rüstungsexportpolitik: Unter Gabriels Führung gibt die SPD den perfekter Juniorpartner der Union. Deswegen ist seine Kanzlerkandidatur auch kein Aufbruchsignal. Sie zementiert vielmehr die politischen Verhältnisse. Das Glück für Gabriel ist das Dilemma all jener, die die Hoffnung auf eine gerechtere und sozialere Gesellschaft noch nicht aufgegeben haben: Die SPD hat zurzeit nichts Besseres im Angebot. Ihr fehlt ein Jeremy Corbyn.

Pascal Becker, Ein Sigmar ist kein Jeremy, in: Tageszeitung vom dreißigsten Oktober Zweitausendundfünfzehn

 

Mehr Corbyn wagen

Wenn die Sozialdemokratie es nicht mehr wagt, die Verteilungsfrage zu stellen, dann muss sie gar nicht erst zur Wahl antreten. Mit dem Versprechen, es irgendwie ein bisschen anders und insgesamt etwas besser machen zu wollen als Angela Merkel, wird sie jedenfalls ein weiteres Mal scheitern. Die SPD muss also, Stand heute, noch ein Stück nach links. Aber wie weit?

Christoph Hickmann, Sozialdemokratie. Mehr Corbyn wagen, in: Süddeutsche Zeitung vom fünfzehnten September Zweitausendundfünfzehn

Verstörend

Seit einem Jahrzehnt wird im Bundestag über Karenzzeiten (von in die Wirtschaft wechselnden Ministern und Regierungsmitgliedern, W.H.) beraten, geschehen ist aber nichts. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag zwar versprochen, eine „angemessene Regelung“ einzuführen. Vorgelegt haben sie bisher aber noch nicht einmal einen Entwurf. Stattdessen streicht die Koalition die Karenzzeiten-Anträge der Opposition ein ums andere Mal von der Tagesordnung.
Von der Union ist man derlei gewöhnt, sie lehnt die Wartezeiten für Minister eigentlich ab. Das Verhalten der SPD ist verstörender. Es ist noch keine zwei Jahre her, dass die Sozialdemokraten selbst einen Antrag für Karenzzeiten eingebracht haben. Er sah eine Wartezeit von 18 Monaten vor, innerhalb derer Regierungsmitglieder nur mit Billigung einer Ethik-Kommission einen neuen Job annehmen dürfen. (Robert Rossmann, Seitenwechsel. Mit Gschmäckle, in Süddeutsche Zeitung von heute)

Mehrheit

In der Minderheit war bislang mein Platz. Anecken meine Paradedisziplin. Und nun? Nix da, Minderheit. Ich bin im Mainstream angekommen, in der entsetzlich langweiligen Mehrheit. Bolschewiki. Siebenundsiebzig Prozent der Deutschen wollen Andrea Nahles nicht als Kanzlerkandidatin. Bei den SPD-Mitgliedern sind es immerhin sechsundsiebzig Prozent, die die ehemalige Jusochefin und Generalsekretärin als Kanzlerinnenkandidatin ablehnen. Und ich mittendrin in beiden Mehrheitsgruppierungen. Ich werde an mir arbeiten müssen.

Suppenkasperin

Die “braune Suppe” schlägt Wellen. (Was für ein beschissenes Bild.) Die Generalsekretärin der SPD, Frau Fahimi, hatte in Auswertung der Landtagswahlen die erfolgreiche AfD mit den Worten “braune Suppe” beschrieben. Keine Ahnung, was eine irgendwie doch kultiviert scheinende sozialdemokratische Spitzenpolitikerin dazu bringen kann, sich derart im Bild zu vergreifen. Logorrhoe, kann ich da nur sagen, Sprechdurchfall. Nicht besser als das Bild. Wer so argumentiert, mit beschissenen Bildern, mit Mulm und nicht mit Argumenten, der hat den Shitstorm auch verdient. Auch so ein beschissenes Wort. Shitstorm. Frau Fahimi ist Generalsekretärin. Darf man fragen, wie lange noch? Wer in Thüringen nur etwa zwei Prozent mehr ergattert hat als die AfD, sollte etwas mehr Demut an den Tag legen. Aber das können die meisten Politiker, auch die “meiner” SPD nicht. So wird aus einer Generalsekretärin leider nur allzu leicht eine Suppenkasperin.