Monat: September 2011

Zu Tode sparen

Griechenland spart sich zu Tode. Wie die TAZ am 30. August schrieb, mußte “im Athener Zentrum bereits jedes vierte Geschäft schließen, weil die Leute wegen der Krise Einkommenseinschnitte hinnehmen müssen und kein Geld mehr zum Einkaufen haben.” Heute morgen konnte man in WDR 5 eine Reportage über die zunehmende Obdachlosigkeit in Griechenland hören. Finanzminister Evangelos Venizelos schätzt, daß das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr voraussichtlich um mehr als fünf Prozent einbrechen wird. Damit kann Athen die anvisierte Defizitquote von 7,4 Prozent kaum erreichen, Venizelos befürchtet offenbar einen Anstieg auf 8,8 Prozent. 2010 sind die Konsumausgaben schon stark zurückgegangen. Im ersten Quartal 2011 sanken die realen Konsumausgaben der privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahresquartal um 7,9 Prozent, im zweiten Quartal um 6,14 Prozent, wie man im Blog Querschuesse nachlesen kann. Und nun stellen wir uns vor, daß Griechenland aus der Eurozone aussteigt, wie es CSU und die neoliberale Boygroup der FDP immer mehr fordern. Die Griechen würden die Drachme wieder einführen, die sie dann sogleich drastisch abwerten müssten. Die Abwertung könnte den Export beleben, doch exportiert Griechenland nur etwa sieben Prozent seines Bruttoinlandsproduktes. Derweil wird die wertlose Drachme den griechischen Finanzsektor und etliche Unternehmen in den Bankrott treiben. Denn die Schulden sind in Euro ausgestellt und würden sich durch eine Abwertung der Drachme vervielfachen. Und: Athen bliebe vermutlich auf seinen neuen Staatsanleihen in Drachmen sitzen und könnte sich wohl kaum am Kapitalmarkt refinanzieren. Und nun kommen die deutschen Banken und Versicherungen ins Spiel. Deutsche Banken hielten Anfang des Jahres Griechenland-Anleihen in Höhe von 10,3 Mrd. Euro, wie am neunten Juni die Financial Times Deutschland schrieb. Das war schon dramatischer, denn die Banken haben entgegen ihrer Zusagen inzwischen in großem Maße verkauft. Die Versicherer sollen auf griechischen Papieren im Wert von 2,8 Mrd. Euro sitzen. Wenn der griechische Staat Insolvenz anmeldet, gehen auch die griechischen Banken pleite, die ein Fünftel der Athener Staatsanleihen in ihren Büchern stehen haben. Wenn die griechischen Banken kollabieren, verschwinden auch viele Unternehmen im Strudel. Und nun stellen wir uns vor, daß das Ganze in allen PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) gleichzeitig passiert. Da kommen Riesensummen zusammen. Anfang letztes Jahr besaßen die deutschen Banken PIIGS-Papiere im Wert von 522,4 Mrd. Euro. Und: 8,9 Prozent der Kapitalanlagen der deutschen Lebensversicherer sind Anleihen der PIIGS-Staaten. Die Europäische Zentralbank hat 2010 Griechenland-Anleihen in Höhe von 50 Milliarden Euro zurückgekauft und weitere Staatsanleihen im Wert von 60 bis 90 Milliarden Euro von griechischen Geschäftsbanken als Sicherheit bei der EZB und den europäischen Notenbanken für aufgenommene Kredite hinterlegt. So simpel scheint es mir mithin nicht zu sein, Griechenland aus der Eurozone zu entlassen, wie die Schlaumeier aus CSU, FDP und CDU glauben machen wollen. Wenn der Stammtisch und die Boulevardmedien die Hirne der Regierenden regieren, kann das Ergebnis nur verantwortungsloser Populismus sein.

Nine Eleven

Nine Eleven, der elfte September, ist, aller medialen Überversorgung zum Trotz, keineswegs nur der Tag, an dem sich der terroristische Überfall auf das World Trade Center und das Pentagon zum zehnten mal jährt. Der elfte September ist auch der Tag, an dem vor heute achtunddreißig Jahren, 1973, das chilenische Militär unter Führung des Generals Augusto Pinochet und mit tatkräftiger Hilfe amerikanischer Geheimdienste gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Präsident Salvatore Allende putschte. 30.000 Tote waren laut Amnesty International alleine im ersten Jahr Opfer der Militärdiktatur. Nicht feststellbar die Zahl der Gefolterten und der bis heute Verschwundenen.

Positives Potential

Der FDP-Vorsitzende, Dr. med P. Rösler, bescheinigt dem seit zwei Jahren amtierenden und von der FDP gestellten Bundesaußenminister, Dr. Guido Westerwelle,  “positives Potential”. Meine Güte. Selbstgefälliges Gerede statt politischer Semantik. Die liberale Partei hat uns wirklich nichts mehr zu sagen.

Anmaßung

“In außenpolitischen Fragen habe ich als Parteivorsitzender die Linie klar vorgegeben. Und der Bundesaußenminister ist dieser Linie genau so klar gefolgt.” Der Urheber dieses anmaßenden Satzes ist nicht die Inhaberin der Richtlinienkompetenz in der Bundesregierung, die Bundeskanzlerin. Nein. Der neue Vorsitzende der FDP, Phillip Rösler, versuchte, mit diesem Satz deutlich zu machen, daß er der Herr im blau-gelben Haus, Häuschen ist. Der Herr Rösler wollte “liefern”, wie er nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der ehemals bedeutsamen liberalen Partei öffentlich bekundet hat. Man nehme ihn beim Wort. Die Septemberwahlen hat die “neue” Führung der Partei zu vertreten, nicht mehr nur Guido Westerwelle. Tissy Bruns, die kluge Journalistin und Beobachterin der Vorgänge in Berlin, schrieb gestern im Berliner Tagesspiegel: “Westerwelle hat den Status des großen Schuldigen, der das innere Zittern und Beben der neuen FDP-Spitze übertönen kann. Dem Sensationserfolg der Bundestagswahl, unstrittig Guidos Werk, folgte ein beispielloser Abstieg. Analysiert, erklärt, begriffen ist dieser Abstieg in die Nähe der 5-Prozent-Hürde nicht. Aber gefühlsmäßig verdichtet ist die Schmach desto mehr, sie wird projeziert auf den Schreihals, den mit der spätrömischen Dekadenz. Unvermeidlich, dass die FDP sich davon frei machen muss. Aber unvermeidlich werden dann auch Antworten auf die Frage fällig, was anderes als Westerwelles Politik die neue FDP eigentlich liefern will.” Auf diese Antworten bin ich sehr gespannt.