Berlusconisierung. Das meint die Einnahme, Indienstnahme, Übernahme einst unabhängiger Medien, voran des Fernsehens, für politische Interessen – nach dem Muster, das der italienische Ministerpräsident vorgegeben hat. Ganz aktuell zu studieren am gelungenen Versuch des hessischen CDU-Ministerpräsidenten, Roland Koch, die Personalpolitik des ZDF aus Mainz ins Konrad-Adenauer-Haus zu verlegen. Die vielgepriesene Staatsferne und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist erkennbar perdu. Für die meisten Beobachter ist mit diesem Coup eine Grenze überschritten. Die Bundestagsfraktion der Grünen will eine Normenkontrollklage einreichen, die Linke macht mit – und die SPD? Die SPD eiert rum, mal wieder. Lautstark kritisieren Sozialdemokraten die “unerträglichen” Eingriffe in die Rundfunkfreiheit, die “dreiste Machtdemonstration”. Aber: Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, lehnt eine Klage in Karlsruhe ab. Das nennt man Lavieren. Ausweichen. Eiern. Das Maul voll, die Hose aber auch. Ich nenne das feige. Hoffentlich kommen die Sozialdemokraten in Berlin bald mal wieder zur Besinnung.
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Brutalstmöglich
Er war der brutalstmögliche Aufklärer. Er ist der brutalstmögliche Durchsetzer der parteipolitischen Kontrolle des Zweiten Deutschen Fernsehens. Roland Koch. Hessischer Ministerpräsident, CDU. Der oberste Journalist des ZDF, Chefredakteur Nikolaus Brender, kann im März seinen Schreibtisch in Mainz räumen, obwohl sein Chef und Dienstherr, Intendant Markus Schächter, seinen Vertrag um weitere fünf Jahre verlängern wollte. Ein um seine Unabhängigkeit bemühter Journalist muß gehen, weil der CDU-Freundeskreis im ZDF-Verwaltungsrat Kochs Machtanspruch durchgesetzt hat. Ein Paradebeispiel, wie öffentlich-rechtliche Medien nicht organisiert, nicht verfaßt sein sollen. Öffentliche Kontrolle: Ja! Kontrolle durch Zirkel nicht demokratisch zustande gekommener Freundeskreise: Nein! Öffentlich-rechtliche Medien, in Deutschland das ZDF und die Landesrundfunkanstalten der ARD sowie die Bundesrundfunkanstalten Deutsche Welle und Deutschlandfunk, sind eben keine Regierungssender. Bei der Konstituierung des Rundfunks in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, im wesentlichen durch Hugh Carlton Green von der BBC vollzogen, sollte wegen der Erfahrungen aus der Nazizeit mit einem die Sender durchregierenden Propagandaminsterium und gleichgeschalteten Medien eine öffentliche Kontrolle, eine Kontrolle durch gesellschaftliche Gruppen verankert, zugleich aber eine Regierungsferne garantiert werden. Auch ein Zugriff der Parteien auf die öffentlich-rechtlichen Medien war nicht vorgesehen. Koch und seine Gefolgsleute haben aber nunmehr nur auf die Spitze getrieben, gegen jeden guten Rat, was ohnehin gang und gäbe ist, mal so rum, mal anders rum. Die Parteien nehmen die Medien in den Griff, diesmal in den Würgegriff. Es wird Zeit, daß die Parteien sich entweder selbst aus den Gremien der öffentlich-rechtlichen Medien verabschieden, womit indes kaum zu rechnen sein dürfte. Oder sie werden eben entfernt. Von der Gerichten. Mit Hilfe der öffentlichen Meinung vielleicht. Muß eigentlich Kurt Beck im ZDF-Verwaltungsrat sitzen? Nein, er hat dort ebensowenig zu suchen wie Roland Koch und sein Freundeskreis. Also. Das wäre mal ein Rücktritt, der Ehre einlegte.
