Tag: 3. Juni 2015

Ketten im Kopf oder kannibalische Weltordnung

Im Videotext kann man noch Fundsachen aufspüren. Beispielsweise eine Philippika des Beraters des UN-Menschenrechtsrats, des einundachtzigjährigen Schweizers Jean Ziegler. Auf einem Planeten, der vor Reichtum überquillt, so wird Ziegler zitiert, sterbe alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger. Diese “kannibalische Weltordnung” sei ein Skandal. Angela Merkel, Francois Hollande oder Barack Obama seien nicht mehr fähig, frei zu denken, sondern hätten “Ketten im Kopf”. Ziegler ist Gastredner auf dem alternativen G7-Gipfel heute in München. 

Abspaltung

Kann ich Henning Rehse von Henning Rehse abspalten? Komische Frage, nicht wahr? Es geht darum, ob ich, wie von seinen Parteigängern vor allem empfohlen, den Henning Rehse, der sich nachgerade täglich auf Facebook zu allem und jedem äußert, als privaten Henning Rehse zur Kenntnis nehmen soll, den Henning Rehse, der sich, so oft es geht, öffentlich unter dem Label WNK zu Gehör bringt, als anderen, als öffentlichen, politischen Henning Rehse begreifen, Henning Rehse also von Henning Rehse abspalten soll. Wenn ich Henning Rehse, den privaten, von Henning Rehse, dem politischen, abziehe, dann bleibt nichts. Niemand. Keiner. Nicht einmal ein kleiner Rest. Henning Rehse ist immer Henning Rehse. Henning Rehse gibt es immer und unter allen Umständen nur vollständig. Das spricht im übrigen eher für ihn. Henning Rehse ist eine öffentliche Figur. Als CDU-Renegat, als Fraktionsvorsitzender der WNK, als Stadtrat, als Vereinsmeier, als Facebooker. Ob er im privaten Kämmerlein, bei Familienfesten, im Urlaub gänzlich anders ist, denkt, spricht, handelt, das weiß von jenen, die öffentlichen Umgang mit ihm pflegen und sich mit seinen Äußerungen, Pamphleten und Texten zu befassen haben, kaum jemand. Gut so. Henning Rehse ist also immer Henning Rehse. Ob er sich gegen das Willkommen für Flüchtlinge wendet, ob er eine Haushaltsrede im Stadtrat hält, ob er versucht, rechtspopulistische Nachwuchspolitiker unter seine Fittiche zu nehmen,  ob er die Verwaltung mit täglichen Anfragen und offenen Briefen quält, ob er sich für die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen ausspricht, ob er in seinem Wahlkreis Bürgerversammlungen abhält, ob er Politiker anderer Parteien, vorzugsweise der Linken und der Grünen, schmäht und beleidigt, ob er mal für und mal gegen Fahrradfahrer in der Innenstadt kämpft, ob er sich immer wieder als Lobbyist der Autofahrer gibt,  immer und überall handelt es sich um Henning Rehse. Immer um den einen und den gleichen Henning Rehse. Nein, liebe Freunde von der WNK, lieber Jan Paas, lieber Dirk Wartmann, das hätte Henning Rehse nicht verdient, daß man ihn privat schmäht und politisch lobt. Wer gegen Schwule mobilisiert, gegen Flüchtlinge Stimmung macht, Rechtspopulisten fördert, Andersdenkende beleidigt und schmäht, der hat es verdient, daß man ihn für voll nimmt. Und seine Position öffentlich macht und sie debattiert.

Kehrtwende

Kehrtwende. Nach Wikipedia ist das ein Fahrtrichtungswechsel. Also: Fuhr man bislang von A nach B, so fährt man nach einer Kehrtwende von B nach A. Eine Kehrtwende hat, wenn man der Süddeutschen Zeitung folgt, unsere Paternosterministerin im Arbeitsministerium hingelegt. Wollte sie gestern noch Paternoster, diese wunderbaren Zeugnisse der Industriegeschichte, Umlaufaufzüge, wie man sie technisch heißt, nur noch für jene zugänglich macIMG_0974.JPGhen, die sich zuvor einer Einweisung unterzogen hatten, siehe auch hier, so rückt sie nunmehr, nach Protesten allüberall, von ihrem Vorhaben ab und unternimmt eine Kehrtwende. Einen Fahrtrichtungswechsel. Jetzt geht es von B nach A. Die Länder sollen sich gefälligst die Finger verbrennen. “Darum habe ich mich entschlossen, dass zukünftig über die Sicherheit der einzelnen Paternoster konkret vor Ort entschieden werden soll. Ich habe mein Haus deshalb angewiesen, auf dem schnellstmöglichen Weg dafür zu sorgen, dass die Bundesländer ermächtigt werden, die Beschränkungen aufzuheben“, zitiert die Süddeutsche Zeitung die Ministerin. Zurück, Marsch, Marsch. Zugleich aber wartet die Zeitung mit einer Reihe von Vorschlägen auf, sozusagen als Kompensation, wie die Ministerin ihrem Regelungsbedürfnis nachkommen könne. Es sei noch längst nicht alles geregelt, was zu regeln wäre. Beispielsweise könne man ja eine Lizenz zum Grillen bedenken, ein Handyverbot für Fußgänger, ein Tempolimit für Radfahrer, einen Wanderschein oder ein Rolltreppenverbot.