Täuschungsversuch

Damals, in der Schule, hieß das Täuschungsversuch, wenn man von seinem Mitschüler abgeschrieben hatte, bei den Hausaufgaben oder einer Klassenarbeit, und man aufgeflogen war. Für einen Täuschungsversuch bekam man immer eine Sechs. Ich weiß bis heute nicht, ob das eine Vorschrift war oder die Lehrer sich nur auf eine solche Vorgehensweise geeinigt hatten. Heute kann man sich mit mit einem dreisten Täuschungsversuch ein Bundestagsmandat ergattern, wie beispielsweise Dr. Dieter Jasper, CDU, der sich seinen Titel “Doktor” an der wunderlichen Freien Universität Teufen Schweiz erkauft und damit sein Bundestagsmandat in Steinfurt errungen hatte. Von einem ähnlich dreisten Täuschungsversuch berichten heute fast alle Tageszeitungen. Zwar hat der Promovend in diesem Fall nicht bloß einen Titel erkauft, sondern wirklich eine Arbeit vorgelegt. Die Promotion, also die Verleihung des akademischen Titels Doktor, mit der der Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit erbracht wird, ist in Deutschland nämlich klar geregelt. Sie beruht auf einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit, der Dissertation, und einer mündlichen Prüfung, Rigorosum genannt, Disputation oder Kolloquium an einer Universität oder einer gleichgestellten Hochschule. Ob es sich aber im Falle unseres adligen Verteidigungsministers mit den vielen Vornamen wirklich um eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit gehandelt hat, ist, glaubt man den vielen Presseveröffentlichungen von heute, mehr als fraglich. Zu Guttenberg wird nämlich des Plagiats beschuldigt. Plagiat nennt man in einem solchen Fall der Zuerkennung des akademischen Titels, der “Doktorwürde”, was früher, in der Schule, eben Täuschungsversuch hieß. Ein Plagiat ist das bewusste Aneignen fremden Geistesguts. Ein Plagiator schmückt sich mit fremden Federn und macht dies nicht kenntlich. Vulgo: Er schreibt einfach bei anderen ab. Wie wir weiland auf dem Gymnasium. Seiten- bzw. passagenweise soll der Adlige fremde Quellen wörtlich für seine Dissertation geräubert haben, ohne dies kenntlich zu machen. In Copy and Paste-Zeiten einfacher als früher, als wir noch wirklich abschreiben mußten. Kopieren und Einfügen und Nicht-Kenntlichmachen. Nennen wir es Plagiat, nennen wir es Täuschungsversuch, einerlei. Ich wäre für eine Sechs, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, und eine Aberkennung des Titels. Wie sagt doch der Volksmund: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

2 Kommentare

  1. Michael Lichtenberg

    Das kann ich gar nicht glauben, dass ein intelligenter Mensch so etwas macht. Heute war die Einschätzung zu lesen, 20 nicht richtig kenntlich gemachte Textpassage seien bei 450 Seiten nich zu viel. Dass hieße aber, alle 23 Seiten spätesens schmückt sich der Schreiber mit fremden Federn. Das ginge doch gar nicht. 2-3 solcher Stellen könnten ja als Nachlässigkeit oder Versehen durchgehen, nicht aber 20.
    Da bin ich mit meinen Schülerinnen und Schülern strenger.

  2. Ach ja, die Volksseele kocht und ich frage mich: Zufall oder Rochade? Er wird es überleben, vielleicht nicht im Amt, aber in ein paar Jahren ist er wieder dabei, auch ohne Titel so wie Graf Lambsdorf, verurteilter Steuerbetrüger. Oder auch nicht, Politiker wandern nicht zuletzt in die wirtschaftlichen Gefilde, denn dort winken mehr Einkommen, Macht und mediale Stille. na und ? Mich regt das ganze Gezeter einfach nur auf. Haben wir sonst keine Probleme, überall wird geschummelt und gelogen, das sich die Balken biegen. Der moralische Impetus – ein Ablenkungsmanöver ! Wir leben im Zeitalter der Heuchelei. Intrigen bestimmen den Alltag. Bescheißen ist Volkssport. Der Ehrliche ist der Dumme. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht – alles Quatsch. Springer und Co. Werden es schon richten.

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