Tag: 21. Februar 2011

Nach Gutsherrenart

“Ich habe mich am Wochenende nochmals mit meiner Doktorarbeit beschäftigt, und es war richtig, dass ich gesagt habe, dass ich den Doktortitel nicht mehr führen werde.” Mit diesen Worten zitiert der Tagesspiegel heute Karl Theodor zu Guttenberg. Gestern noch waren alle Vorwürfe gegen ihn “absurd”. Gestern bestand er noch darauf, daß er seinen Doktor nach Prüfung durch die Uni später wieder führen werde. Peinlich und armselig, der gegelte Adelssproß. Ein Rückzug auf Raten, in adligen Dosen. Wer gibt eigentlich diesem Dünkel das Recht, nach Gutsherrenart über seinen Doktortitel zu entscheiden, nach Gutsherrenart mit Gesetzen und Promotionsordnungen umzuspringen? Niemand. Das ist nur ein angemaßtes Recht. Die Universität entscheidet. Nur die Universität. Einfach zurückgeben kann man einen solchen akademischen Grad nicht. Auch der Freiherr nicht. “Ich habe diese Arbeit selbst geschrieben. Ich stehe dazu, aber ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe”, so zitiert der Tagesspiegel zu Guttenberg weiter. Blödsinn? Nein, nein, lieber Freiherr. Blödsinn, so eine Art Dummer-Junge-Fehler, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Das Ganze war ein schlichter Betrug. Ich will nicht von Leuten regiert werden, die glauben, sie stünden jenseits der Regeln, die für alle gelten, außerhalb der Gesetze. Ich will nicht von Leuten regiert werden, die die Ordnung nach Gutsherrenmanier außer Kraft setzen für den eigenen miesen Vorteil.

Die Lichtgestalt

Ehrlichkeit, Redlichkeit, Gesetzestreue – das sind doch wohl Postulate, die, nicht nur, aber auch, für Konservative Bedeutung haben, oder irre ich mich etwa? Dann aber kann ich nicht verstehen, wie öffentlich Partei ergriffen wird für den Bundesverteidigungsminister in seiner Plagiatsaffaire der letzten Tage. Wie man von einer Treibjagd auf zu Guttenberg sprechen kann. Wie man Betrug und geistigen Diebstahl als lässliche Sünde durchgehen lassen will, weil zu Guttenberg ansonsten ja eine Lichtgestalt sein soll. Zur Lichtgestalt schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gestern: “Bildung hat für den Adel nie die überragende Rolle gespielt, die sie für das Bürgertum hatte. Wichtiger als die Aneignung von Wissen waren immer Haltung, Einsatz, Auftreten, Manieren. An Guttenberg lässt sich das gut erkennen. (…) Dennoch will Guttenberg den Anforderungen der bürgerlichen Leistungsgesellschaft genügen, sogar besonders gut dastehen. Dafür bläst er sein Curriculum Vitae gern etwas auf. In seinem tabellarischen Lebenslauf auf seiner Website führt er ‘berufliche Stationen in Frankfurt und New York’ an. In Wirklichkeit handelte es sich um mehrwöchige Praktika, die er als Student machte.” Haltung, Auftreten, Manieren. Also öffentliche Erscheinung. Zu Guttenberg besticht, nein: bestach durch Auftreten und Manieren. Wohl wahr. Die blendende Fassade aber hat tiefe Risse bekommen. Seine Doktorarbeit ist ein einziges Plagiat. Dabei hat er oder haben seine Ghostwriter nicht einmal davor zurückgeschreckt, aus einer Erstsemesterhausarbeit abzuschreiben, die Arbeit des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages ungekennzeichnet zu übernehmen, einen Bericht der US-Botschaft einzuarbeiten oder aus Zeitungsartikeln abzukupfern. Auf 271 Seiten seiner Arbeit finden sich Übernahmen aus fremden Arbeiten, ohne daß dies kenntlich gemacht worden wäre. Kurzum: Die Guttenbergsche Doktorarbeit ist im Ganzen eine flagrante Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens. Zu Guttenberg ist beim Versuch erwischt worden, sich einen Doktortitel auf unredliche Weise zu erschleichen. Das hat mit Haltung, mit Manieren, mit Noblesse, also edlem Handeln, nichts zu tun. Mit bürgerlicher Redlichkeit, mit Gesetzestreue, mit konservativer Wahrhaftigkeit, mit Ehrlichkeit ebensowenig. In dieser Affaire entpuppt sich Karl Theodor zu Guttenberg als bloßer Blender. Haltung, Auftreten und Manieren in Schönwetterzeiten. Und falsche Schneidigkeit, wenn er in die Bredouille gerät. Karl Theodor zu Guttenberg ist adligen Geblüts. Eine Lichtgestalt ist er nicht. Ein Vorbild nicht mehr. Doktor kann er nicht mehr bleiben. Und Minister nur, wenn man sich nicht mehr daran erinnern will, daß andere Minister vor ihm geringerer Gründe wegen zurückgetreten sind.