Schlagwort: Thorn Seidel

Lumpensammler. Ein Lehrstück in Sachen kommunaler Demokratie

Lumpensammler, ein Wörtchen, das kaum mehr im aktiven Sprachgebrauch der meisten Menschen zu Hause sein dürfte. Als Lumpensammler bezeichnete man, als ich noch jung war, mehr Kind als Jugendlicher, jemanden, der abgetragene oder zerschlissene Kleidungsstücke und Stoffreste sammelte oder aufkaufte, Lumpen also, und diese dann weiterverkaufte, beispielsweise an Papiermühlen. In ganz anderem Kontext wird als Lumpensammler ein Fahrzeug bezeichnet, ein Lieferwagen, ein kleiner Bus, der Teilnehmer eines sportlichen Wettbewerbs, etwa eines Marathonlaufs oder eines Radrennens, denen die Puste ausgegangen ist, einsammelt und, außerhalb der Wertung natürlich, an den Zielpunkt bringt. Lumpensammler. So oder so kein Sahnestück der Gesellschaft, keine Ikone, kein Vorbild, keine Gestalt zum Vorzeigen. Den Lumpensammler, den Menschen, der den Müll und die Reste anderer Menschen einsammelt und verwertet, den bekommt man nicht mehr zu Gesicht. Lumpen werden heutzutage in Containern gesammelt. Anonym. Und Lumpensammler, die die Fußkranken eines Wettbewerbs einsammeln, die Verlierer, Loser, die Beschädigten, diese Lumpensammler findet man nicht im Scheinwerferlicht der Medien und der Öffentlichkeit. Versager werden stiekum eingesammelt und ohne Getöse dahin gebracht, wo sie sich aus eigener Kraft davonmachen können, ohne auch noch Aufmerksamkeit zu erregen. Jedenfalls im Sport. Lumpen sind, waren, neuer Kontext, in der Umgangssprache auch: gemeine Menschen. Halunken, Schufte, Taugenichtse, Scheusale, auch Betrüger. Sie werden, nein: wurden vom Volksmund auch als Lumpen bezeichnet. Eine schöne Bezeichnung, wie ich finde. Ein Lump ist einer, der etwas auf dem Kerbholz hat. Jemand, der moralisch nicht einwandfrei ist. Für mich sind Lumpen beispielsweise Menschen, die bei einer Wahl den Bürgern etwas versprechen, die sich nach der Wahl aber, wenn es schwierig wird, wenn es Probleme gibt, davon machen, von ihren Versprechungen nichts mehr wissen wollen, die ihre ursprüngliche Partei verlassen, ihr Mandat aber, die Beauftragung durch den Wähler, nicht zurückgeben, sondern in den Schoß einer anderen, einer neuen Partei legen, die man zuvor noch bekämpft hatte. Für mich ist das Verrat am Wähler, Betrug des Bürgers. Jemand, der so handelt, ist ein Lump. Andreas Müßener ist solch ein Mandatsräuber. Am fünften Juni habe ich hier geschrieben, daß “der Herr Müßener (sein Mandat, W.H.) ja nicht bekommen (hat), weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend. Nein, das Mandat hat er bekommen, weil ihn seine Kumpane für die Wahl aufgestellt, weil sie ihn gewählt haben.” Andreas Müßener ist auf dem Ticket der AfD angetreten und hat jetzt die Partei verlassen. Das Mandat für die AfD, “sein” Mandat soll die Morgengabe für die neue Partei von Bernd Lucke sein, ALFA, so heißt der Laden. Nicht minder rechtspopulistisch als das alte Geschäft der AfD, vielleicht in Nuancen weniger nationalkonservativ, weniger ausländerfeindlich, ein wenig weniger anrüchig als die Pegidaumgebung, etwas weniger weit offen zur rechtsradikalen Flanke. Und der Wähler hier in Wermelskirchen? Wurde der befragt? Will der ALFA im Stadtrat haben? Gibt es einen Auftrag, daß Müßener die Partei wechseln soll? Nein, nein, nein. Noch einer aus dem aktuellen Stadtrat hat seine Partei verlassen und weigert sich, das Mandat zurückzugeben. Thorn Seidel. Angetreten und gewählt auf dem Ticket der Partei Die Linke. Am siebenundzwanzigsten März schon habe ich hier auch über den Mandatsklau von Thorn Seidel geschrieben, daß er sein Mandat ja nicht erhalten habe, “weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend.” Das Mandat hat man ihm erteilt, weil die Wähler zwei Menschen der Partei Die Linke im hiesigen Stadtrat sehen wollten. Was ficht das den überragenden Kommunalpolitiker Thorn Seidel an? Er hat jetzt die Seite komplett gewechselt. Zur WNK ist er gegangen, der Linke, dem die Sozialdemokraten viel zu weit rechts waren. Zu der Partei ist er gewechselt, deren Fraktionsvorsitzender sich, samt Adlatus, seit geraumer Zeit in öffentlichen Foren wie Facebook als radikaler Kommunisten- und Linkenfresser profiliert und keine Gelegenheit verstreichen läßt, örtliche Mitglieder der Partei Die Linke zu beleidigen und persönlich herabzusetzen. Für mich ist ein Mandatsräuber ein Lump. Einer, der den Wählerwillen ignoriert, ihn verfälscht, sich und sein Mandat wichtiger nimmt als die Regeln und den Kern der Demokratie. Und so gibt es, jedenfalls in der Wermelskirchener Kommunalpolitik, nunmehr auch den Lumpensammler. Eine Partei, die Lumpen einsammelt. Die die Fußkranken der Demokratie, die, denen die Puste ausgegangen ist, die Seitenwechsler einsammelt und zum Ziel bringt. Ans Ziel der WNK. Wer die Seiten wechseln will, der soll das tun. Wer eine neue politische Heimat braucht, muß sich umsehen und wechseln. Wer aber gewählt worden ist vom Bürger, der soll sein Mandat zurückgeben, um den Wählerwillen nicht zu verfälschen. Bürgerlicher Anstand? Demokratische Regeln? Fehlanzeige. Da kann sich die WNK noch so bürgerlich geben. Es geht ihr lediglich um Mehrheiten, um politische Macht. Bei der Wahl haben die Bürger dieser Stadt der WNK etwa ein Drittel der Stimmen entzogen. Die Mandate für diese verloren gegangenen Wähler holt sich die WNK jetzt nach und nach zurück.  Als Lumpensammler. Thorn Seidel ist nicht als Thorn Seidel interessant. Sein Mandat ist interessant. Andreas Müßener ist nicht als Andreas Müßener interessant. Sein Mandat ist interessant. Die WNK ist nicht mehr interessant. Sie ist ein Lumpensammler. Mehr nicht mehr.

Mandatsklau

Da wird jemand gewählt bei der letzten Kommunalwahl. In den Stadtrat. Für die Partei “Die Linke“. Am Tag nach der Wahl habe ich hier geschrieben, daß mir nur schwer erklärbar ist, warum diese Partei ihre Stimmenzahl hatte verdoppeln können, war doch “kaum etwas zu hören oder lesen (…) von ihrem Stadtverordneten. Fünf Jahre lang.” Einerlei. Seit nicht einmal einem Jahr sitzen nun zwei Linke im Rat der Stadt. Saßen. Denn nun ist Thorn Seidel ausgetreten. Der Neu-Linke. Aus der Fraktion. Wegen “unüberbrückbarer Differenzen” mit dem anderen, dem Noch-Linken, Rainer Schneider. Hübsche Formulierung. Unüberbrückbare Differenzen. Aus dem Satzbaukasten der bürokratisch gestanzten Rede. Eine sprachliche Nebelkerze. Nichtssagend. Bla-Bla. Das alles aber ist nicht wirklich mein Bier. Sollen sie doch streiten. Überbrücken, wenn’s geht, es lassen mit dem Brücken bauen, wenn nichts mehr geht. Alles nicht wirklich wichtig. Viel wichtiger ist, daß es sich bei einem Stadtverordneten der Linken um einen Stadtverordneten aller Bürger in dieser Stadt handelt. Thorn Seidel hat sich bislang jedoch mit nichts hervorgetan. Nichts, was in der Öffentlichkeit bemerkt worden wäre, nichts, was den Zeitungen eine Meldung wert gewesen wäre, nichts, was die Aufmerksamkeit von Bürgern hätte finden können. Was bleibt? Thorn Seidel hat die Fraktion der Linken zerdeppert. Im Wortsinn. Das haben die Wähler der Linken nicht verdient. Sie haben eine Fraktion aus zwei Menschen gewollt und auch bekommen. Bis gestern. Bis Thorn Seidel von “unüberbrückbaren Differenzen” salbaderte. Und, ganz politischer Schlaumeier, in der Tradition bürgerlicher Mandatsräuber feststellte: “Ich werde weiterhin im Stadtrat bleiben, das steht fest.” Ich habe keine Ahnung, was diesen Menschen befähigt, im Stadtparlament für das Gemeinwohl zu arbeiten. Ich war an seiner Aufstellung nicht beteiligt. Bislang aber habe ich auch keine Kenntnis von auch nur einer bemerkenswerten Einschätzung, Handlung, Initiative. Nach den Regeln der Bürokratie mag feststehen, daß Thorn Seidel sein Mandat behalten kann. Nach den Regeln des politischen Anstands wäre allerdings das Gegenteil fällig, nämlich der Rücktritt vom Mandat. Das hat der Herr Seidel ja nicht bekommen, weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend. Nein, das Mandat hat der Genosse Seidel bekommen, weil ihn seine Genossen für die Wahl aufgestellt, weil sie ihn gewählt haben. Jetzt will er nicht mehr, jetzt spürt er “unüberbrückbare Differenzen”, jetzt gibt es Krach. Also soll er auch gehen. Der Mandatsklau ist schon bei bürgerlichen Parteien nicht wirklich akzeptabel. Bei Linken ist er, finde ich, sogar unappetitlich. Er zeugt von grandioser Selbstüberschätzung. Solange Thorn Seidel nicht über Wasser gehen kann, solange er also noch zu den ganz normalen Menschen zu rechnen ist, solange sollten auch die Maßstäbe des Anstands und der Demokratie für ihn gelten. Ein schwieriges Geschäft, diese Demokratie.