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Streetview-Blüten

Die Rheinische Post von gestern, Lokalteil Düsseldorf: Bürger protestieren gegen Googles neuen Dienst Streetview und erklären, daß sie Widerspruch einlegen werden gegen die Veröffentlichung ihrer Häuser im Internet. Die Rheinische Post macht ein Photo und stellt den ganzen Artikel ins Netz. Samt Photo und vollen Namen der Internetbekämpfer und Datenschützer. Na super. Das kann nicht einmal Google.

Streetview

Ja doch, klar, Google ist eine Datenkrake. Aber die Sommerlochhysterie um den Googledienst Streetview geht mir mittlerweile doch gewaltig auf den Keks. Sogar die Stadtverwaltung Wermelskirchen wird aktiv und stellt den Bürgern “vorformulierte  Widerspruchsformulare” zur Verfügung. Gebäude und Fassaden sind und bleiben öffentlich. Davon beispielsweise lebt auch das deutsche Streetviewgegenstück “Sightwalk”, so ganz ohne jeden Protest. Wahrscheinlich, weil die Politiker, die sich derzeit so sehr echauffieren und die Bürgerangst schüren, von diesem Internetdienst noch nie etwas gehört haben. So wenig wie von Geomarketingunternehmen, die schon längst fast jedes Wohnhaus in Deutschland, nämlich neunzehn Millionen, fotografiert haben und diese Bilder, angereichert mit soziodemographischen Daten, verkaufen. Google eignet sich eben gut für den Hype. Bürger lassen ihre Hausfassaden bei Google schwärzen, die Kunden von Geomarketingdatenverkäufern wissen indes (fast) alles über sie. Beispiel gefällig? Das gelbgestrichene Miethaus “Am Kupfergraben 6” in Berlin, gegenüber dem Pergamonmuseum: “vor 1900 gebaut, sechs Haushalte, Bauweise befriedigend, kein Garten vorhanden, keine Ausländer, Affinität für Kundenkarten: mittel, Affinität für private Krankenversicherung: mittel, Bewohner: desinteressierter Finanztyp, klassische Festnetznutzer, kaum Internet-Poweruser, dominierendes Alter: 51 bis 60 Jahre, Diabetes und Arthrose überdurchschnittlich, Fitness unterdurchschnittlich, viel Audi, Mercedes und BMW, wenig Volkswagen”. Nachzulesen in der Zeit. Ach ja, es handelt sich um das Berliner Mietshaus, in dessen viertem Stock Angela Merkel mit ihrem Mann Joachim Sauer wohnt. Auf den Landkarten solcher Geomarketinganbieter können interessierte auf einen Blick erfassen, “in welchen Straßen die Leute BMW fahren, wo die jungen Familien wohnen, in welcher Straße eine Lidl-Filiale besser laufen würde als ein Edeka-Geschäft. Auch die Nettoeinkommen und das Konsumverhalten der Haushalte sind statistisch erfasst. Am Kupfergraben sollte man zum Beispiel kein Sportgeschäft eröffnen, denn für Sportbekleidung, das weiß die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg, geben Frau Merkel und ihre Nachbarn im Durchschnitt nur 10 Euro im Jahr aus, fast 40 Prozent weniger als im Bundesdurchschnitt. Pflanzen für Haus und Garten (132 Euro) sowie Baumarktartikel (474 Euro) finden im Merkel-Viertel ebenso unterdurchschnittlichen Absatz.” Es gibt kein Entrinnen. Geomarketing ist längst bundesdeutsche Wirklichkeit. Die Landesvermessungsämter beispielsweise verkaufen seit Jahren für jedes Haus in Deutschland die Koordinaten bis auf den Zentimeter genau.  Die GPS-Daten für alle Häuser in Deutschland auf zwei DVDs kosten 140 000 Euro. Google hin, Streetview her. Und ganz ohne Sommerlochskandalgeschrei von uninformierten Politikern oder Stadtverwaltern.