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Wer sind die wahren Asozialen?

Sandra Maischberger hatte diese Woche mal wieder ins Fernsehen eingeladen. “Ihr da oben, Ihr da unten – Wer sind die wahren Asozialen?” Eigentlich bin ich dieses folgenlose Fernsehgelaber seit geraumer Zeit satt und nicht einmal Guido Westerwelle oder Martin Lindner können mich noch reizen, einer solchen TV-Einladung auch zu folgen. Und dennoch blieb ich, willensschwach, beim Ersten. Gottlob. Weder Martin Lindner von der FDP noch Dagmar Enkelmann von der Linken, weder Sandra Maischberger noch Unternehmer Thomas Kramer gebührt dieses Verdienst. Die eigentliche Entdeckung des Abends war mal wieder der konservative Textilunternehmer Wolfgang Grupp aus Burladingen. Trigema. Sie erinnern sich vielleicht an das Äffchen in der Werbung. Grupp ist Chef des Unternehmens mit 1200 Mitarbeitern. “Wer eine Milliardenpleite hinlegt und anschließend Milliardär bleibt, aber den Steuerzahler die Verluste tragen läßt, der ist kein Unternehmer. Das sind Ausbeuter und Hasardeure. Wir brauchen die Verantwortung zurück, die persönliche Verantwortung großer Entscheidungsträger. Die müssen auch dann in der Verantwortung stehen, wenn es schief geht, die Verantwortung für die Verluste übernehmen und nicht den Steuerzahler die Zeche zahlen lassen.” Ein konservativer Unternehmer, der mit Verve für die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmern plädiert, sich für Mindestlöhne einsetzt, eine ungewohnte Tonlage. “Wenn ein Unternehmer sagt, er müsse seine Arbeitsplätze in ein Billig-Lohnland umsiedeln, dann fragen Sie bitte, wo sie ihre Villa haben. Wenn die auch in Rumänien ist oder in Bangladesh, dann ist das ok. Wenn die Villa aber in einem Vorort einer deutschen Großstadt liegt und zugleich gesagt wird, der Standort Deutschland sei schlecht, dann sage ich, das sind Hasardeure.” Spiegelfechter schreibt in seinem Blog: “Grupp ist ein klassischer Patriarch wie aus dem Lehrbuch. Wenn man ihn so reden hört, könnte man denken, er sei einer Zeitmaschine entsprungen und wünscht sich mehr davon. (…) Wer ist eigentlich dieser seltsame Mann mit seinem maßgeschneiderten Dreireiher mit Einstecktüchlein und goldenen Manschettenknöpfen? Wolfgang Grupp ist Textilfabrikant, Besitzer des schwäbischen Trikotagenherstellers Trigema. Früher war die schwäbische Alb ein Mekka der Textilindustrie. Noch in den 70er Jahren gab es alleine im Dorf Burladingen 27 Textilfabrikanten – heute gibt es nur noch Trigema; nicht nur in Burladingen, auch nicht nur auf der Schwäbischen Alb, in ganz Deutschland gibt es nur noch einen einzigen größeren Textilfabrikanten, der im Lande produziert. Wolfgang Grupp ist schon früh gegen den Strom geschwommen. Trigema ist schuldenfrei und hat eine Eigenkapitalquote von 100%. Weder Banken noch Unternehmensberater kommen auch nur in die Nähe der Firmenzentrale. Von einer Produktionsverlagerung will Grupp genauso wenig wissen wie von fremdfinanziertem Wachstum oder innovativen Finanzgeschäften. Grupps Erfolg gibt ihm Recht. Sein Unternehmen macht Gewinn, während seine innovativen Konkurrenten mit all ihrem modernen McKinsey-Wissen längst von der Bildfläche verschwunden sind. Nur noch Namen erinnern an die Konkurrenz, die heimischen Arbeitsplätze sind für immer verloren. Grupp ist ein Patriarch alter Schule. Er kennt seine Mitarbeiter beim Namen, garantiert ihren Kindern einen Ausbildungsplatz mit Übernahmegarantie bei Trigema. Er ist zwar kein Mitglied des Tarifverbands, bezahlt seine Mitarbeiter aber nach Flächentarifvertrag. Grupp weiß, er kann nur dann erfolgreich in Deutschland produzieren, wenn er qualifizierte und motivierte Arbeitnehmer hat. Der Familienunternehmer ist im Betrieb des Großvaters aufgewachsen und hat eine Verbindung zur Basis – mehr noch, er weiß, dass er für sie verantwortlich ist. Ein Sozialist oder ein irgendwie ‘Linker’ ist Grupp allerdings keinesfalls – er besitzt Flugzeug und Hubschrauber und beschäftigt in seiner Villa vor Ort einen Butler, der ihm und seiner Familie jeden Morgen das Frühstück mit weißen Handschuhen serviert. Was bei jedem Bonusbanker den Zorn der Allgemeinheit provozieren würde, ist Grupp gestattet – wer mit seinem Namen und seinem Eigentum als Sicherheit wirtschaftet, seine Angestellten ‘väterlich’ behandelt und ordentlich bezahlt, darf auch die Früchte seines Wirtschaftens genießen. Grupp versteuert seine Gewinne schließlich auch ordnungsgemäß vor Ort, was heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist. (…) Grupp hat nichts gegen einen Spitzensteuersatz von 54% wie zu Kohls Zeiten – aber nur dann, wenn der Staat mit diesem Geld ordentliche Verhältnisse schafft. Nicht die Banken, sondern die Menschen seien es, die den Standort Deutschland zu dem machten, was er ist. Grupp glaubt an den Standort Deutschland und verachtet die Banken. Ebenso verachtet er die moderne Wirtschaftspraxis – angestellte Manager, die Milliarden versenken, auf den Sharehoder-Value schielen und sich dann wieder vom Acker machen und bei einem neuen Unternehmen anheuern, sind ihm ein Graus.” Der Auftritt dieses CDU-Stammwählers in Sandra Maischbergers lautstarkem TV-Talk macht deutlich: Es gibt neue Scheidelinien im Land. Konservativ versus progressiv, Arbeitgeber versus Arbeitnehmer. Das ist vermutlich noch lange nicht erledigt. Verantwortungsträger versus Verantwortungsverweigerer aber ist eine neue Trennlinie. Die Ideologen der “alten Welt”, so der Spiegelfechter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, appellieren an die Verantwortung, die sich aus Eigentum ergibt, an Anstand und Moral. Dagegen stehen die Marktfundamentalisten, in deren Ideologie das Recht des Stärkeren zählt und gesellschaftliche Verantwortung ein Anachronismus darstellt. Der politische Mainstream, die öffentliche Debatte und die Medien werden beherrscht von den neoliberalen Ideologen das radikalen Marktes. Die Mehrheit der Wirtschaft hingegen dürfte von Grupp und vielen unbekannten Grupps gestellt werden, von Familienunternehmern, die mit eigenem Geld agieren, Verantwortung spüren und übernehmen für ihre Firma und ihre Mitarbeiter, nachhaltig und langfristig am Erfolg ihres Unternehmens arbeiten und nicht auf Vierteljahresergebnisse schielen, um Shareholdern zu Willen zu sein. Die aber gestalten leider die ökonomische Debatte in diesem Land nicht. Sondern überlassen sie den Lindners und Westerwelles und Kauders und Brüderles. Schade.