Schlagwort: Claus Schenk Graf von Stauffenberg

Putsch, Streich, Coup

Von einem Militärputsch ist meist nicht die Rede, wenn der Verschwörung zum militärischen Widerstand und des Umsturzversuches des zwanzigsten Juli gedacht wird. Jenes gescheiterten Attentats von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und anderen Militärs sowie einigen wenigen Zivilpersonen auf den gewählten Kanzler Hitler, heute vor zweiundsiebzig Jahren. Und doch war es eben dies, ein Militärputsch, ein Staatsstreich, ein Coup d’État. Das machen auch die Worte von Stauffenberg deutlich: „Es ist Zeit, daß jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muß sich bewußt sein, daß er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterläßt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem Gewissen.“ Die Verschwörer, überwiegend Berufssoldaten, meist aristokratischer Herkunft und konservativer Gesinnung, zahlten mit ihrem Leben, Familien und Verwandte wurden geächtet, verfolgt, inhaftiert. Erst nach und nach machten Argwohn und Distanz den Attentätern gegenüber im sich entwickelnden Nachkriegsdeutschland Platz für Respekt und Bewunderung für die Widerständler, für den Mut, für ihre Überzeugungen ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ein gescheiterter Militärputsch spielt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland also eine erhebliche Rolle für die Identifikation der Bürger mit dem Land und seiner Geschichte. Der Widerstand, der Kampf gegen die Tyrannei, gleich ob von Sozialdemokraten und Kommunisten, von Christen oder Berufssoldaten, von Juden oder Studenten getragen, von Einzelgängern oder Kriegsgefangenen, von Kaufleuten oder Künstlern, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der Mut Einzelner und der von Gruppen, aktiv gegen das faschistische Regime zu kämpfen, trug die Kraft der Versöhnung mit der Geschichte in sich. Heute sind sich die Beobachter einig: Der versuchte Militärputsch in der Türkei war ein Akt gegen eine gewählte Regierung. Und mithin undemokratisch. Aber auf den Militärputsch folgte der Staatsstreich. Durch die gewählte Regierung. Wenn Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Beamte, Lehrer, Professoren oder Journalisten ohne ein Gesetz, ohne einen Richterspruch inhaftiert und kujoniert werden, entlassen, wenn Journalisten, Verlage, Zeitungen und Rundfunkanstalten an wahrheitsgetreuer Information gehindert, Sendelizenzen aufgehoben, Redaktionsräume zugesperrt werden, das alles ohne Gesetz und Gerichtsverfahren, dann ist das nicht weniger und mehr als ein Staatsstreich nach dem und unter dem Vorwand des Militärputsch(es).  Mitunter wird ein feinsinniger Unterschied darin gesehen, daß bei einem Putsch, vor allem einem Militärputsch der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht wird, während an einem Staatsstreich einige oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. Im konkreten Fall ein Präsident und ein Ministerpräsident. Ein feinsinniger Unterschied.