Alle Artikel vonWolfgang Horn

Auf dem rechten Auge klar

Es ist schwierig, mit einem neuen Auge, also einer neuen Linse im rechten Auge, der alten und diesig-verschleierten Linse im Linken und zwei verschiedenen Brillen, die nunmehr allenfalls das Bild des linken Auges ein wenig verbessern, von der neuen Linse im rechten aber so gar keine Ahnung haben. Einfach gucken, das geht gut. Lesen ist schwieriger, schreiben auch. Ich werde also, bis das zweite Auge ebenfalls mit einer künstlichen Linse ausgestattet sein wird, vermutlich viel weniger zu Papier oder zur Tastatur bringen. Gleichwohl: Ich bin froh, daß es jetzt alsbald wieder besser werden wird mit mir und den Buchstaben.

Konzerndeppendeutsch

Dass “gute Unternehmenskultur” wichtig sei und “Wertekodizes gelebt werden müssen”, sagt Wildermuth auch. Dieses Konzerndeppendeutsch weist auf ein weiteres Problem hin: Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss sich vieles ändern, auch die Sprache der Hierarchinnen und Hierarchen.

René Martens, Schon wieder eine medienhistorische Zäsur, in Altpapier

Rechtsnorm: Sprache nach Merz

“Weder einzelne Sprecher noch Kommentatoren und Moderatorinnen haben das Recht, von den allgemein anerkannten Regeln des Gebrauchs der deutschen Sprache abzuweichen.”

Markige, aber das Mark des Journalismus exakt verfehlende Rechtsnorm á la Friedrich Merz. Der christdemokratische Spitzenmann träumt doch nicht wirklich davon, Journalistinnen und Journalisten das “Recht” absprechen zu können, so zu formulieren, wie sie das wollen und für angemessen halten, oder?

Wir brauchen

“Wir brauchen solidarisch finanzierten Journalismus, der sich am Gemeinwohl orientiert, der Bürgerinnen und Bürger eben nicht primär als Konsumenten adressiert, sondern als Bürgerinnen und Bürger. In Zeiten von sozialen Medien, Desinformation, Polarisierung und Kommerzialisierung brauchen Bürgerinnen und Bürger Orte der Information und Selbstverständigung. Wenn es die heute nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Aber dann würde man sie eben auch ganz anders bauen, inklusive der Gremien.”

Leonard Novy, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik im Interview mit der Tageszeitung taz (Johannes Drosdowski), gefragt nach der Berechtigung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, zitiert nach Altpapier

Geiz ist geil

Wenn die Zahlung von neun Euro für ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr schon „Gratismentalität“ ist, als was kann man dann die kirchliche Hochzeit eines Brautpaares bezeichnen, das bereits längst aus der Kirche ausgetreten ist, keinerlei Kirchensteuer zahlt, nun aber die Kirche und die Trauung durch einen Priester für einen pompösen Akt öffentlicher Zurschaustellung und medialen Interesses nutzt?

Im Netz

Hach ist das nett, internet sozusagen, wenn der angekündigte Techniker der Telekom im Handumdrehen das Internet wieder herstellt. Gestern hatte ich es telefonisch mit sage und schreibe drei magentafarbenen Beratern zu tun. Alle mit anderen Diagnosen. Alle mit unterschiedlichen Lösungsansätzen. Alle erfolglos. Und heute: Zack-Zack, Leitung geprüft. Fehler des Telekom-Bautrupps festgestellt und korrigiert, Router neu in Betrieb genommen: Internet funktioniert. Gottlob. Telefon auch, Fernsehen, Heimnetz, Speicher. Mit ist besser als ohne. Ich bin kein Verächter. Vielen Dank, Telekom.

Eine Frage habe ich noch

Wenn erst öffentliche Proteste von Merz-Gegnern und -Mitstreitern bewirken, daß der CDU-Vorsitzende und Anführer der Bundestagsfraktion sein Vorhaben aufgibt, gemeinsam mit einem Trump-Anhänger, einem US-Waffenlobbyisten, einem rechten Publizisten sowie einem Anwalt, der früher die AfD vertrat, die Rednerliste einer Veranstaltung der stramm-konservativen Kampagnenagentur “The Republic” am einunddreißigsten August zu zieren, dann ist wirklich etwas faul in dieser Partei: der rechte Rand nämlich. Wie wenig Geschmackssicherheit, wie wenig Gespür für den Einflussbereich rechter Kräfte, wie wenig zeitgemäßes, wie wenig demokratiestärkendes Denken und Handeln darf sich ein CDU-Parteivorsitzender heute denn noch leisten, wenn er als Vordenker und intellektueller Kopf der Partei bereits ein Totalausfall ist?

Gockel und Gewalttäter

Aber mit dem Regiestil eines Künstlers wie Wedel und mit seinem Gehabe als Gockel und womöglich sogar als Gewalttäter sollte man nicht auch sein Werk verwerfen. Er mag ein Gernegroß und Sittenstrolch gewesen sein, aber die filmischen Sittengemälde, die er hinterlassen hat, besitzen durchaus die Größe, nach der er sich immer gereckt hat. (…) Ein künstlerisches Werk besitzt ein eigenes, von seinem Autor oder seiner Schöpferin unabhängiges Leben. Nur deshalb ist es ein Kunstwerk. Die alte Streitfrage, ob ein Nazi, ein Bösewicht oder ein Vergewaltiger großartige Kunst schaffen könne, sollte unter aufgeklärten Zeitgenossen ein für alle Mal mit Ja beantwortet worden sein. Dahinter gibt es kein Zurück, auch nicht durch #Metoo. (…) Dieter Wedels Mehrteiler faszinierten einst ihr Publikum und lockten trotz Kunstanspruchs die Massen vor die Fernseher. Man darf ihm dieses Verdienst nicht absprechen, weil er wegen Vergewaltigung angeklagt worden ist und sollte zum Beispiel seinen Vierteiler „Der große Bellheim“ von 1993 zu seinen künstlerischen Ehren noch einmal zeigen

Barbara Sichtermann, Im Höhenrausch. Zum Tod des Regisseurs Dieter Wedel, in: epd medien Dreißig/Zweiundzwanzig vom neunundzwanzigsten Juli Zweitausendzweiundzwanzig

Danke

Sie haben gewonnen, die deutschen Fußballspielerinnen. Nicht das Finale. Europameisterinnen sind die englischen Kickerinnen. Irgendwie verdient. Zudem in einem Turnier im eigenen Land, in London, in Wembley. Die deutschen Damen um „Poppie“ und Merle, Lena, Lene und Martina, um Svenja oder Sarah haben erreicht, daß deutscher Fußball auf der Höhe der Zeit, auf der Höhe der Möglichkeiten gespielt wird. Technisch und athletisch anspruchsvoll, leidenschaftlich, strategisch klug, vor allem als Team, als Ganzes, als Einheit. Im Finale hat nichts, im Wortsinn wirklich nichts gefehlt, um die deutschen Frauen statt der englischen mit dem Pokal zu versehen. Eine Laune des Fußballgotts. Gleichsam eine Art ungeplanten Stolperns. Dieser schöne Sport und jene, die ihn geboten haben, müssen gefeiert werden, gewürdigt, anerkannt. Und, Kanzler und DFB, diese Frauen haben „equal pay“ auf die Agenda gesetzt. Jetzt muß man das auch umsetzen. Danke für diese grandiose Europameisterschaft.