Geisterspiele

Wenn man bei einem entscheidenden Fußballrelegationsspiel nicht wirklich mit Herzblut beteiligt ist, mit der Vorliebe für eine der beiden Mannschaften, dann – und das dürfte den meisten Beobachtern so gehen – dann gelten die Sympathien meist dem unterklassigen Verein, dem Underdog, heute also dem FC Ingolstadt, dem Drittligisten, der sich mit dem Zweitligisten, dem FC Nürnberg, messen mußte. Insofern hat es durchaus einen bitteren Nachgeschmack, daß am Ende einer überlangen Nachspielzeit, die durch den Spielverlauf nicht gerechtfertigt war, Nürnberg noch das entscheidende Tor zum Verbleib in der Zweiten Liga gelang. Ein Geisterspiel. So nennt der Zeitgeist die Profifußballspiele ohne Zuschauer. Ein Geisterspiel aber auch, weil der Fußball in seiner gegenwärtigen Verfassung gegen die bösen Geister der Bedeutungslosigkeit anspielt. Gehypt, zum Fernsehsport Nummer Eins hochgeschrieben und in unzähligen Gesprächsrunden auch hochgequasselt, rettet sich der vermeintliche Volkssport mit Mühen und Geisterspielen aus der ökonomischen Krise. Fußball ist zum exakten Abbild einer überlebten Lebens- und Produktionsweise geworden. The winner takes it all. Alles für die Mächtigen. Wenige werden immer reicher und mächtiger, viele immer ärmer und bedeutungsloser. Und die hemmungslose Vermarktung entfremdet die einstigen Liebhaber dieses Sportspektakels von ihrer Leidenschaft. Der Ligaalltag wird auf vier Wochentage verteilt. Freitag, Samstag, Sonntag und Montag. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag folgen dann die Championsleague, die Europaleague oder die Pokalspiele. Jeden Tag Fernsehfußball. Prinzipiell. Das hält der beste Fan nicht aus. Ein Dauermeister, Dauerabonnenten für die Spiele in den europäischen Wettbewerben, Dauerfußball im Fernsehen. Obwohl doch nur noch die Abstiegsfrage für eine gewisse Spannung sorgt. Mitunter. Die Ware Fußball dürfte bei einem derartigen Angebotsüberhang nicht teurer, sie müßte billiger werden. Müßte. Aber die ökonomischen Regeln gelten ja nicht, wie uns die Coronakrise lehrt. Jene, die ansonsten am lautesten den vollkommen freien Markt propagieren, die absolute Enthemmung, schlüpfen in der Krise geschwind unter irgendeine Rettungsdecke. Die Bundesliga und ihre Geisterspiele. Wie lange noch?

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