Tag: 9. November 2015

Geschichte in Geschichten

Geschichte lebt. Sie ist geronnene Vergangenheit. Aber sie kann zum Leben erweckt werden, wenn sie spannend erzählt, wenn sie in Geschichten vermittelt wird. Wenn sie sinnlich ist, wenn man sich die Menschen in der Zeit vorstellen kann, sie anschauen, wenn man ihre Orte aufsuchen kann, ihre Häuser, Schulen oder Straßen, wenn sie buchstäblich begreifbar und begehbar gemacht wird. Ein Stadtspaziergang unter der Leitung des Journalisten und Wermelskirchenkenners, Armin Himmelrath, am vergangenen Sonntag aus Anlaß des neunten Novembers war eine solche nachgerade lustvolle Geschichtsentdeckung. Trotz des schwierigen Themas. Wermelskirchen unterm Hakenkreuz, hieß das Ganze. Ein Stadtspaziergang rund um die Kattwinkelsche Fabrik mit einem besonderem Schwerpunkt auf dem Alltag und dem Leben von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus. Anderthalb Stunden feiner Geschichtsunterricht. Ein Spaziergang, während dessen man dem Leben von Gertrud, Ingeborg oder Christine näherkam. IMG_3114Eine Ortsbegehung, während der man etwas über die Reichsjugendflagge erfahren konnte und warum sie vor der Dörpfeldschule hing. Und auf den sadistischen Lehrer Scheier traf. Und auf ukrainische Mädchen, die hier als Zwangsarbeiterinnen schuften mußten. Und um ihre Jugend betrogen wurden. Eine Stadtwanderung, auf der man Stolpersteine besichtigen konnte, das alte Rathaus, das längst nicht mehr besteht und Parkplätzen weichen mußte, und das Gefängnis der Kleinstadt. Kinder spazierten mit und Jugendliche, Erwachsene ohnehin. Armin Himmelrath ist ein wahrer Quell spannender und anrührender Geschichten, die soviel über unsere Heimatstadt und ihre Geschichte erzählen. IMG_3110Mit Hilfe historischer Fotos oder anderer Dokumente, Zeugnisse, Freischwimmerausweise, Presseartikel tauchte man ein in den Alltag vor sechzig,  siebzig Jahren. Ein gelungenes Unternehmen, für das der Volkshochschule Bergisch Land sowie dem Stadtführer höchstes Lob gebührt. Eine Unternehmung, die laut nach Fortsetzung ruft.

Ausfall

Wermelskirchen am vergangenen Freitag. Die AfD rief. Und einige kamen. Sozialdemokraten, Linke, Grüne, Flüchtlingshelfer. In der Mehrzahl aber Unorganisierte. Lediglich daran interessiert zu erfahren, ob sich die hiesige AfD von den unsäglichen Äußerungen des Landesvorsitzenden distanziert, von rechtsradikalen Aussagen anderer Führer dieser Partei oder von den flüchtlingsfeindlichen und islamophoben Statements ihres Kreispressesprechers. Die AfD hatte zwar gerufen, aber die eigenen Leute hatten es vorgezogen, in ihren warmen Wohnstuben zu bleiben oder an irgendeiner Theke ein Bierchen zu genießen. Nur zwei Hände voll unentwegter Alternativer sahen sich also sich einer großen Mehrzahl interessierter Bürger gegenüber, die die wenigen Funktionäre des rechtslastigen Lagers mit ihren Fragen bedrängten. Das alles ist bekannt. So bekannt mittlerweile wie der ungeplante Verlauf dieser Veranstaltung oder das traurige Ende, daß nämlich nach geraumer Zeit die AfD-Befrager die Bürgerhäuser geschlossen verließen und den traurigen Haufen sich selbst überließen. Das Signal war deutlich: Die AfD wird hier in Wermelskirchen keine Gelegenheit haben, ungestört flüchtlingsfeindliche und menschenverachtende Parolen abzusondern. Der Nationalchauvinismus dieser Partei, gepaart mit vollkommener kommunalpolitischer Ahnungslosigkeit wird auf Dauer keinen guten Platz in unserer Stadt haben. Diese Veranstaltung war der Ausfall der AfD. Warum wärme ich hier auf, was doch den meisten in der Stadt bereits bekannt sein dürfte? Weil es einen nachträglichen Ausfall gibt. Ausfäller ist, mal wieder, Henning Rehse, der rechtspopulistische Fraktionsobermeister der WNK. In einem Facebookthread zum Thema Parkplatzsituation in der Stadt weist Rehse völlig unpassend und außerhalb jeden Kontextes auf ein Video von Wermelskirchen TV zum traurigen Auftreten der AfD hin und würzt diesen Hinweis mit der Beobachtung, daß in der Gruppe derer, die der AfD ihre Fragen präsentierte, auch jene zwölf Menschen seien, vor denen Rehse seit geraumer Zeit warnt. Weil sie Kritik an Rehses rechtspopulistischen Ausfällen üben. Und an seiner (un)heimlichen Unterstützung von, wenn nicht gar Zusammenarbeit mit dem genannten örtlichen AfD-Funktionär. Zwölf Menschen hat sich Rehse als persönliche Feinde ausgesucht. Ich bin stolz darauf, zu ihnen zu gehören. Der Dialog dieser Zwölf mit Henning Rehse ist leider nicht möglich, denn er hat sie aus dem betreffenden Forum ausgeschlossen. Andererseits nutzt Rehse hemmungslos jede andere passende oder unpassende Gelegenheit zur Diffamierung dieser Zwölf wie auch anderer Menschen mit ihm nicht gefallender “Gesinnung”. Das scheint Henning Rehse jedoch nicht mehr zu reichen. Im genannten Kommentar zum Thema Parkplatzsituation weist Rehse, wie gesagt, darauf hin daß in der Gruppe der AfD-Besucher auch jene Zwölf zu finden seien, was natürlich, wen wundert es bei einem Statement von Herrn Rehse, nicht zutreffend ist. Und er fährt fort, daß man diese Menschen “ignorieren, observieren, detektieren und wo geboten mit rechtsstaatlichen Mitteln sanktionieren” müsse. Wie bitte? Hier feiert der Blockwart fröhliche Urständ. Rehse fordert die Bespitzelung von Menschen, die nicht seiner politischen Auffassung sind. Fangen wir zur Klarstellung mal weiter hinten an. Detektieren. Was so belesen klingt, heißt schlicht aufspüren. Observieren. Das neutral klingende Fremdword bedeutet ausspionieren. Und mit sanktionieren meint der Verfasser dieses unsäglichen Statements anzeigen. Henning Rehse möchte seine politischen Gegner verfolgen, unter Druck setzen und mundtot machen. Und: Henning Rehse ist der deutschen Sprache durchaus mächtig. Er weiß, was er schreibt und ist keineswegs ahnungslos. Schon seit geraumer Zeit fragen sich viele Zeitgenossen in der Stadt, was Rehse eigentlich umtreibt und warum er sich immer häufiger auf solche Weise äußert. Hat denn niemand in der ganzen WNK die Traute, Henning Rehse an die bürgerlichen Formen politischer Auseinandersetzung zu erinnern? Traut sich wirklich niemand, Henning Rehse entgegenzutreten und ihn zu mahnen, daß die Bespitzelung und Verfolgung politisch Andersdenkender ein Kennzeichen der unseligen deutschen Vergangenheit war? Ich weiß, es ist gewagt. Aber ich werde dieses eine Mal Andreas Müßener als Kronzeugen bemühen, um die Fama zu entkräfte, die von der AfD gestreut wird und von Rehse, daß es den Gegnern der AfD um Krawall gegangen sei. Dieser junge Mann, seit der Kommunalwahl Stadtverordneter, ist seinerzeit auf dem AfD-Ticket in der Stadtrat gelangt, später aber aus der AfD ausgetreten.An dem Abend wurden verschiedene Zitate von AfD-Politikern genannt in Verbindung mit der Bitte, dass man sich (…) distanzieren sollte. Auch bezogen auf Wermelskirchen wurde der Dauerhetzer Manfred Schawohl genannt. Er warnte hier in Facebook sogar vor einem Geburten-Dschihad durch muslimische Mitbürger. Es gab nicht eine Distanzierung. Demnach ist es logisch, dass sich Kritiker nicht beruhigen konnten und auch keine sachliche Grundlage für eine Folgediskussion geschaffen werden konnte. (…) Außer internen Streitigkeiten hatte die AfD in Wermelskirchen kommunalpolitisch nicht viel zu bieten.” Andreas Müßener hat sich mit eigenen Augen angesehen, was seine ehemaligen Parteifreunde am vergangenen Freitag angerichtet hatten. Wenn er schon eine solche Aussage macht, würde mich sehr interessieren, wie denn Henning Rehse seine Blockwartbemühungen begründen mag. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der AfD, Hans-Olaf Henkel, mit dem Satz zitiert wird, die AfD sei zwischenzeitlich in eine “NPD light” mutiert. Und aus einer AfD-Veranstaltung in Euskirchen wird die Bemerkung kolportiert: „Man muss sich nur an den zweiten Weltkrieg erinnern, an unsere eigene Geschichte. Was haben wir denn da mit den Juden gemacht? Da gab es doch auch Möglichkeiten. Was anderes wird bald gar nicht mehr möglich sein. Die Flüchtlinge gehen ja nicht freiwillig.” Das sollte reichen, daß sich auch Henning Rehse aus der Unterstützung und Duldung örtlicher Funktionäre dieses Ladens zurückzieht. Sollte. Eigentlich.

Postscriptum: Es ist kein Zufall, daß ein solcher Artikel am neunten November geschrieben werden muß.