Monat: April 2012

Manipulation

Wochenpost, die freundliche Verbraucherzeitung. So nennt sich ein Gratisblatt, das uns allwöchentlich unverlangt die Briefkästen verstopft. Ein Anzeigenfriedhof, in der Regel gepaart mit ein paar Belanglosigkeiten, die in fadenscheinigen journalistischen Kleidchen daherkommen. Ich will mich aber nicht wirklich über die journalistische Qualität dieses Blättchens oder einzelner Artikel auslassen. Obwohl das sicher auch mal reizvoll wäre. Nein. Es geht um die Landtagswahl. “NRW wählt – Vier Landtagskandidaten antworten in der WOCHENPOST.” So zu lesen auf der Titelseite der gedruckten wie der Onlineausgabe. Die vier Landtagskandidaten sind nicht die örtlichen Kandidaten, nein, es ist das Spitzenpersonal der politischen Parteien in Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft, Sylvia Löhrmann, Norbert Röttgen und Christian Lindner. Vier Kandidaten? Für vier Parteien, SPD, Grüne, CDU und FDP. Aber: Sind/waren da nicht fünf Parteien im Düsseldorfer Landtag? Richtig. Die freundliche Verbraucherzeitung unterschlägt ihren Lesern mal eben die Partei “Die Linke”. Warum wohl? Will die Redaktion des Verbraucherblattes verhindern, daß sich die Leser ihr eigenes Urteil über die Linken machen? So eine Art Vorzensur, das braucht Ihr wirklich nicht zu lesen? Die Redaktion mag ja mit dem politischen Kurs der Linken nicht einverstanden sein, das kann vorkommen. Aber rechtfertigt das eine derartige Auswahl? Natürlich nicht. Gut. Wir haben also vier von fünf Kandidaten, die die Morgenpost zur Lektüre freigibt. Aber: War da nicht noch etwas? Ist da nicht noch eine Partei? Eine, der seit Wochen alle Auguren, alle Umfragen attestieren, daß sie in den Landtag einziehen werde?  Richtig. Die Piraten. Die scheinen dem unfreundlichen Verbraucherblatt ebenfalls nicht in den Kram zu passen. Vier Kandidaten, das heißt vier Parteien werden vorgestellt. Zwei werden verschwiegen. Das nenne ich dreiste Manipulation. Welche Kriterien hat die Redaktion angelegt? Die letzte Wahl? Nein. Die Redaktion ignoriert den Wählerwillen. Denn die Wähler haben die Linke ja ins Parlament entsendet. Das Kriterium der Aussichten bei der diesjährigen Wahl? Nein. Dann hätten die Piraten auf jeden Fall vorgestellt werden müssen. Und womöglich die FDP nicht. Redaktion, Kriterien, journalistische Auswahl – ich fürchte, alle drei Begriffe lassen sich nicht heranziehen. Es gibt keine Redaktion. Es gibt keine Kriterien für die Auswahl. Es gibt keine journalistische Auswahl. Es ist und bleibt: Manipulation. “Uns passen zwei von sechs Parteien nicht. Und deshalb stellen wir sie auch nicht vor.” Den Mut zur Wahrheit hat das Verbraucherblatt nicht. Das Verbraucherblatt ist nur ein Blatt. Eines, das seine Leser nicht ernst nimmt, sie für dumm verkauft. Ein Anzeigenblatt. Ein Blatt nicht für Leser. Eher für die  blaue Tonne.

Merkollande

Hierzulande würde man eine Wahl mit einem Spitzenkandidaten namens Holland wohl kaum gewinnen können. In Frankreich aber schon. Das wird spannend werden in Europa, wenn nach der Wahl in Frankreich Wachstum in Europa wieder eine Rolle spielen soll und nicht nur Sparen. Wachstum von Arbeitsplätzen, Wachstum von Bildung. Und Beteiligung der Krisengewinnler an den Wachstumsprogrammen. Merkollande statt Merkozy.

Doppelstrategie

Wolfgang Kubicki, Spitzenmann der FDP in Schleswig-Holstein, gestern auf dem FDP-Parteitag in Karlsruhe: “Wir wollen einen starken Staat.” Phillip Rösler, Vorsitzender der FDP, auf dem gleichen Parteitag, nur ein paar Minuten später: “Wir wollen keinen starken Staat.” Doppelstrategie, aus Angst geboren: Für jeden etwas.

Blau, Ring, Vertrauen – FDP weit vorne

“Mit das Beste, was von der FDP in Sachen Plakatgestaltung in letzter Zeit produziert wurde.” Zu diesem Fazit kommt Achim Schaffrinna im Designtagebuch nach seiner Analyse der ganz auf den Hoffnungsträger Christian Lindner ausgerichteten Wahlplakate zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. “Nie waren FDP-Plakate weniger gelb! Zwar verfügt Gelb aus farbpsychologischer Sicht über zumeist positive Attribute, so steht es grundsätzlich für Kreativität, Wärme und Lebendigkeit, das FDP-Gelb entspricht jedoch eher einem Zitronengelb und wirkt vor allem großflächig zum Teil sehr schrill.” Schrille Töne, so Schaffrina weiter, seien aber nicht das, was Lindner und die FDP nun brauchen. Gemeint sind die Plakatfarben, nicht die Tonfarben der Reden. “Gezielt kommen in der Gestaltung Blautöne zum Einsatz, wo wir erneut beim Thema Vertrauen sind, denn wir alle wissen, dass blaue Farben vertrauensstiftend sind. Himmelblau und Türkis verleihen den Fotos zusätzlich eine gewisse Frische.” Interessant auch, wie selbst kleinste Details für die Popularisierung eingesetzt werden. “Bedeutungsvoll und ausdrucksstark gestikuliert Lindner dabei mit den Händen. (…) Immer wieder auch schön bei derlei Fingerübungen zu sehen, wie der Ehering, als Symbol der Verbundenheit, der Treue und des Vertrauens, ins rechte Licht gerückt wird. Kein Jahr am Finger und schon der erste große Auftritt.” Der blau-gelbe Magier, eher der blaue Magier mit Ring und Fingerübungen hat der FDP jedenfalls den ersten Sieg Im Landtagswahlkampf beschert, den Sieg im Desingwettbewerb. Design oder nicht sein, das bleibt indes die Frage.

Kompetenz

Auf die Tagesschaufrage: Wer wählt die FDP eigentlich noch? antwortet der Wahlforscher Richard Hilmer von Infratest: “Das ist nicht mehr so ganz ohne Weiteres festzustellen, wenn eine Partei bei drei Prozent liegt. Die FDP ist nicht mal mehr bei den Selbstständigen zweistellig, weil ihr die wirtschaftspolitische und steuerpolitische Kompetenz abgesprochen wird. Wenn die FDP diese Gruppen nicht mehr erreicht, hat sie woanders kaum Chancen.”