Tag: 2. Februar 2012

Diät(en)

Diät ist, cum grano salis, gesunde Lebensführung und Diäten sind eigentlich Tagegelder für Parlamentarier, die ursprünglich in Deutschland, im neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, ehrenamtlich tätig waren und für ihr Mandat nicht entlohnt werden durften. Gesunde Lebensführung und Tagegelder oder Entlohnung für Parlamentarier stehen nicht schon an sich in Widerspruch zueinander. Wer wollte etwa den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten eine gesunde Lebensführung unmöglich machen, beispielsweise durch eine Kürzung der Tagegelder, der Diäten? Niemand. Heutzutage ist Abgeordneter vielfach ein Vollzeitberuf, der auch entsprechend entlohnt werden muß. Ein Vollzeitberuf, für den nicht selten die bisher ausgeübte Tätigkeit aufgegeben wird. Und wer Verantwortung für das Gemeinwesen übernimmt, sollte dies nicht nur tun können, weil seine Privatschatulle reichlich gefüllt ist. Ein im Wortsinn billiges Parlament ist für die Menschen im Land keineswegs die beste Lösung. Sachverstand, politische Leidenschaft, Unabhängigkeit oder die hohe zeitliche Belastung haben ihren Preis. Und den sollten wir Bürger gerne entrichten, denn desto besser werden wir auch regiert. Folgerichtig liegt auch eine angemessene Altersversorgung der Parlamentarier in unser aller Interesse. Aber: Müssen Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtages nach nur vier Jahren im Parlament eine Rente erzielen können, die dem drei- bis vierfachen der Rente eines Dachdeckers oder oder eines Automobilarbeiters entspricht? Nein. Vor allem nicht in einer gesellschaftlichen Lage, in der de facto die Rentenansprüche der Bürger gekürzt werden, über die Regelung einer längeren Lebensarbeit bis Siebenundseechzig. Zudem: Die Diätenregelungen sind erst vor wenigen Jahren im Landtag neu gefasst worden, samt der Bestimmungen zur Altersversorgung der Abgeordneten. Nun aber hat eine unheilige Koalition von SPD, CDU und Grünen beschlossen, den Abgeordneten zusätzlich € 500 im Monat für eine verbesserte Altersversorgung zu bewilligen. Die öffentlich Hand ist verschuldet, allenthalben mahnen Politiker aller Couleur die Bürger zu Sparanstrengungen, Kommunen hängn am Tropf von Banken, Bibliotheken, Badeanstalten werden geschlossen, Personal wird entlassen, Schulen, Kindergärten oder Universitäten könnnen nicht renoviert oder gar ausgebaut werden. Die Diätenerhöhung ist das falsche Signal. Sie wird den Verdruß der Bürger weiter fördern, Verdruß mit der Politik, Verdruß mit den Politikern, Verdruß mit den Parteien. Es wäre fatal, wenn die schwarz-grün-rote Koalition den Bürgern das Signal geliefert hätte, den eigentlich bereits erledigten Kleinstparteien Linke oder FDP zu einer neuen Renaissance verholfen zu haben. Wundern dürften sie sich nicht.