Monat: Juni 2011

Hauptstadt

Hauptstadt. Haupt, das ist, wenn auch veraltet, ein anderes Wort für Kopf. Und im übertragenen Sinn steht das Wort für einen Herausgehobenen, einen Führer, jemand Besonderen, ein Ober-Haupt, einen Gebieter, einen Häuptling, einen Leiter. Brauche ich, in diesem Sinne des Hervorgehobenen, des Besonderen, eine Hauptstadt? Nein. Steht Berlin über Hamburg oder München oder Frankfurt oder Bonn oder gar Köln? Oder vor Wermelskirchen? Nein. Berlin ist der Sitz des Parlaments, der Bundesregierung, der Ministerien, des Präsidenten, also der obersten Staatsgewalten. Und das ist auch gut so. Man braucht eine Regierungsstadt, sozusagen ein politisches Zentrum. Aber bildet die Hauptstadt auch das Zentrum des Landes? Ist Berlin, weil es Hauptstadt ist, das Herzstück der Nation? Nein. Berlin ist weder Mittelpunkt der Industrie, noch der Wissenschaft, der Kunst oder der Kultur. Berlin ist groß und bunt und laut und schnell und quirlig und pulsierend. Aber nachdenklich? Bedächtig? Höflich? Oder bescheiden? Eher nicht. Paris oder London sind Hauptstädte, die den Rest des Landes überstrahlen. Berlin  überstrahlt andere deutsche Städte keineswegs. Ich lobe mir die Schweiz. Dort gibt es keine Hauptstadt. Bern erfüllt nur de facto die Hauptstadfunktion. Ich brauche keine Hauptstadt.

Doctor, Doctor Give Me The News

Wie blöd darf man als Europa-Abgeordnete eigentlich sein? Und wie dreist? Da hat in der vergangenen Woche die Uni Heidelberg der europäischen Vorzeigefrau der FDP, Silvana Koch-Mehrin, den Doktortitel entzogen, weil ihre Doktorarbeit eine Ansammlung von Plagiaten ist, also Betrug und ein Vergehen an den Regeln wissenschaftlichen Arbeitens; aber anstatt demütig und beschämt zu schweigen, greift die FDP-Schönheit nun die Hochschule an. Die Schwächen ihrer Arbeit seien schließlich schon vor elf Jahren bekannt gewesen. Zwischen den Zeilen soll man wohl lesen, daß schon damals die Plagiate bekannt waren.  Oh Herrgott! Welches strategische Genie hat die FDP-Leichtmatrosin beraten? Lautstärke und Dreistigkeit statt Verstand, Demut und Moral. Solche “Leistungsträger” und Abgeordnete hat das Land weiß Gott nicht verdient. Passend, jedenfalls, was die erste Refrainzeile angeht, dazu Robert Palmer mit “Bad Case of Loving You”. Dort heißt es unter anderem: “No pill’s gonna cure my ill” oder “A pretty face don’t make no pretty heart”.

Freiwillig

Private Gläubiger, also Banken und Versicherungen, sollen  sich “auf freiwilliger Basis” am Hilfspaket für Griechenland beteiligen. Na toll! Ich möchte meine Steuern jetzt ebenfalls nur noch auf freiwilliger Basis zahlen.

Scheuklapprig

Den Hauptschulen mangelt es an neuen Schülern. Gesamtschulen sind dagegen besonders gefragt und können sich vor Neuanmeldungen kaum retten. Höchste Zeit also, die Schulstruktur anzupassen. Die rot-grüne Landesregierung will bekanntlich die Gemeinschaftsschule einführen, die schwarz-gelbe Opposition dagegen eine Bestandsgarantie für Gymnasien, Real- und Hauptschulen. CDU und FDP aber können ihre Position nicht mehr halten angesichts der Abstimmung der Eltern mit den Anmeldeformularen. Es wäre also hohe Zeit, ein parteiübergreifendes Gespräch über die künftige Schulstruktur in Nordrhein-Westfalen zu führen. Die Landesregierung hatte zu einem solchen Konsensgespräch für kommenden Freitag eingeladen. Ein Schulfrieden schien in Sichtweite zu sein. Bis heute morgen. Da hatte nämlich der neue CDU-Vorsitzende im Land, Norbert Röttgen, die Teilnahme der CDU abgesagt. Mit einer Begründung, die an Scheuklapprigkeit kaum zu überbieten ist. Solange an den Konsensgesprächen im Landtag auch die gewählten Vertreter der Linken teilnähmen, könne und wolle die CDU Gespräche über einen Schulfrieden mit SPD und Grünen nicht führen. Und selbst zu parallelen Gesprächen von SPD und Grünen mit Vertretern der CDU finden sich die Christdemokraten nicht bereit. Es geht der CDU nicht um die Zukunft der Schulen im Land, um neue Schulformen, um die Bildung der Kinder. Es geht ihr  um, ja, um was kann es der CDU gehen? Um Machtpositionen? Kann man mit einer solch verblendeten ideologischen Position wirklich Machtpositionen sichern? Wie lange will denn die CDU Gespräche mit Abgeordneten verweigern, die von den Wählern in einem demokratischen Akt gewählt worden sind? Man muß die Abgeordneten der Linken nicht mögen. Man kann sie bekämpfen. Aber man kann ihnen die demokratische Legitimität nicht absprechen. Solange sie als freigewählte Abgeordnete die Geschicke des Landes im Landtag mit zu bestimmen haben, wird man parteiübergreifende Konsensgespräche nicht ohne sie führen können, mehr noch: dürfen. Ein Kulturkampf auf dem Rücken von Schülern und Eltern wird der CDU auch nicht aus der Phase der Orientierungslosigkeit helfen. Mit den ideologischen Schlachten der Vergangenheit ist die Zukunft nicht zu gewinnen. An der Basis der CDU stößt die Position der christlichen Landesfürsten mehr und mehr auf  Unverständnis. Denn in den Kommunen muß die Lage der Schulen konkret geregelt werden. Was tun mit Hauptschulen, die immer weniger nachgefragt werden? Ideologische Enge ist im übrigen eine der Ursachen für den Vertrauens- und Bedeutungsverlust der Parteien. Wenn ideologische Scheuklapprigkeit noch gepaart wird mit einem Mangel an praktischen und konstruktiven Lösungsvorschlägen, kann dies nur als vollständige Politikunfähigkeit begriffen werden. Kein Wunder, daß sich die Bürger mit Grausen abwenden.

Neustart

Nach dem personellen Neustart der FDP – das Führungspersonal blieb komplett und tauschte nur die Sessel – folgt nun der programmatische Neustart der mitfühlenden Liberalen: “Wir müssen in der Regierungskoalition zügig eine Steuerentlastung verabreden, die noch in dieser Legislaturperiode bei den Bürgern ankommt”, so FDP-Chef Philipp Rösler in einem Interview mit dem Spiegel. Diese Partei ist wahrlich nicht ohne Humor.

Bambi stichelt

Ende März war es, als der radikale Atomgegner Christian Lindner forderte, die vorübergehend vom Netz genommenen Atommeiler endgültig stillzulegen. Jetzt stichelt der wieder auf den Kurs der Atomwirtschaft zurückkritisierte Generalsekretär der FDP gegen den Atom-Beschluß der eigenen schwarz-gelben Bundesregierung. Die ganze vermeintliche Erneuerung der Bundesspitze der ehemals liberalen Partei hat offenbar nichts geändert. Die FDP hat kein Ziel und ohne Ziel ist jede Richtung falsch. Bleibt nur, sich der philosophischen Einsicht des Altmeisters zu beugen: “Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal.” (Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow)

Quacksalber

Halleluja! Katholische Ärzte rücken der Homosexualität jetzt mit Homöopathie auf den Leib. Der Bund der katholischen Ärzte empfiehlt Globuli mit dem Inhaltsstoff Platinum, neben Psychotherapie und geistlicher Seelsorge. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Dann doch lieber den Herrn Apotheker. Der liebe Gott aber liebt alle Liebenden: “Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.” (1. Johannes 4,16)

I wer’ narrisch

„Und jetzt kann Sara sich noch einen aussichtslos scheinenden Ball einholen, Pass nach links herüber, es gibt Beifall für ihn, da kommt Krankl, vorbei diesmal an seinem (…) Bewacher, ist im Strafraum – Schuss … Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer’ narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich!“ Das war 1978, der legendäre Moderator Edi Finger. Aber: Damit ist heute weiß Gott nicht zu rechnen. Deshalb ein anderer Fernsehtip für heute Abend:

Echt NRW! Familien von hier und anderswo

Dokumentarische Reihe in WDR 3

„Migrationshintergrund“  – eine blutleere Vokabel für den ungeheuren Reichtum unseres  Landes NRW. Ungefähr jeder vierte Bürger unseres Landes bereichert unsere Geschichte, unsere Kultur, unseren Alltag mit seiner „fremden“ Kultur, seiner „fremden“ Geschichte, seinem „fremden“ Alltag. Und wir gewinnen alle: Das Land wird bunter durch die vielen Menschen mit anderen Erfahrungen und Hintergründen, deutsche Menschen und jene, die von anderswo kommen, erleben Neues, lernen dazu.

Echt NRW! Familie Zeoli-Dünnebier

Ein Film von Traute Bonnichsen

Freitag, 3. Juni 2011, 20:15 Uhr, WDR Fernsehen

In der ersten Folge steht der italienisch-deutsche Alltag von Antonietta Zeoli und Guido Dünnebier mit ihren Kindern Emilia und Romano in Düsseldorf im Mittelpunkt. Die Tochter einer Gastarbeiterfamilie, die bei der Ankunft in Deutschland kein Wort Deutsch sprach, und ihr Mann, Sohn aus gutbürgerlichem Hause, haben sich an der Universität kennengelernt – und es geschafft, über kleinere kulturelle Zusammenstöße und anfänglich größere familiäre Widerstände hinweg bis heute als glückliches deutsch-italienisches Paar zusammenzuleben. „Typisch italienisch“ und „typisch deutsch“ finden sie vieles bei sich selbst und beim anderen – und die Kinder sind ganz selbstverständlich mit beidem vertraut.