Liberale Träume

Da hat das Landesverfassungsgericht der rot-grünen Landesregierung in einer Eilentscheidung aufgegeben, die Bücher über den Haushalt 2010 noch nicht zu schließen, solange keine endgültige Entscheidung des Gerichtshofes ergangen ist. Vordergründig ein Erfolg für die schwarz-gelbe Opposition in Düsseldorf. Zwar haben ihre Abgeordneten die Entscheidung des Parlaments für den Nachtragshaushalt durch nicht vollständiges Erscheinen erst möglich gemacht, doch nun bewerten sie die Entscheidung aus Münster als ihren Erfolg. Eigentlich, so schreibt die Süddeutsche Zeitung heute, “eigentlich müssten CDU und FDP jubeln, angesichts dieses Erfolgs. Eine richtige Opposition müsste sich hinstellen und selbstbewusst die Neuwahl fordern. Aber: CDU und FDP trauen sich nicht, sie haben ein Urteil erstritten, ohne darüber nachzudenken, was sie damit anstellen können. Angesichts schlechter und katastrophaler Umfragewerte haben sie so große Angst vor dem Urteil der Bürger, dass sie Neuwahlen fast um jeden Preis verhindern wollen. Das hätten sie sich vorher überlegen sollen. Das Publikum sieht einen zitternden Prozessgewinner, der nun Angst hat vor der eigenen Courage”. Gerhard Papke, eherner Fraktionschef der Liberalen im Düsseldorfer Landtag und noch im Sommer betonköpfiger Verhinderer einer Ampelkoalition im Land, gegen seinen Vorsitzenden Pinkwart zudem, dieser stählerne Vorkämpfer der Liberalen gegen Rot-Grün, hat die Umfrageergebnisse der letzten Monate wohl doch gelesen und windet und eiert und baggert sich nun nach und nach ran an die Fleischtöpfe der Macht, an die Seite der rot-grünen Koalitionäre. Klar doch, der Mann kann zumindest die drei von der vierzehn unterscheiden und weiß also, daß vor Neuwahlen sich vor allem die ehemals liberale Partei fürchten muß, gegebenenfalls noch die Linken. Also: Papke will die Vorlage aus Münster nicht für den entscheidenden Oppositionsvorstoß nutzen, für Neuwahlen. Wir lernen: Ein Schädel aus Beton ist kein Bollwerk gegen miese Umfragewerte. Steter Tropfen höhlt auch Beton. Der Steinerne, der Eiserne, der Stählerne kapituliert vor der Macht der Zahlen. Auch das ist Politik. Jedenfalls im Land. Hier, in unserer Stadt, sehen die lokalen FDP-Größen das anders. Hier will man untergehen. Der Ortsvorsitzende der FDP, Dr. Werner Güntermann, war laut Bergischer Morgenpost absolut verärgert: “Wir lassen wirklich kein Fettnäpfchen aus.” Er gehe, so heißt es weiter, äußerst kritisch mit den Landespolitikern um und werde “der Landespartei einen geharnischten Brief schreiben”. Denn schließlich müsse man vor Ort den Bürgern Rede und Antwort stehen. Güntermann plädiert für “liberalen Ungehorsam”. Klar. Es ist ja auch schwierig, jede Bundes- oder Landes-Volte der Partei in Ortsverband nachzuvollziehen, sich gehorsam und ohne Widerworte in die Herde hinter den Führern einzureihen. Aber so brav, wie man auch in Wermelskirchen der Degeneration der FDP von einer einst liberalen Partei in eine Ein-Thema-Partei gefolgt ist, so unkritisch die unerträgliche Klientelbedienung der Bundespartei im Ortsverband bejubelt wurde, so apologetisch selbst die krawalligsten Äußerungen des großen Vorsitzenden gefeiert wurden in den Untergliederungen der Partei, so wenig Hoffnung besteht nun auf Würde des eigenen Kopfes, auf produktiven Trotz, auf Mut zur eigenen Meinung, kurzum: auf liberalen Ungehorsam. Nein, nein, die Gleichschaltung der FDP hat schon funktioniert. Heute ist sie vielleicht einer maoistischen Sekte aus den siebziger Jahren ähnlicher als der FDP aus der gleichen Zeit. Der Spuk des liberalen Ungehorsams wird spätestens mit den ersten Landtagswahlergebnissen in diesem Jahr verfliegen, wenn man erfahren muß, daß der Partei der Wind des Wählervotums ins Gesicht weht. Dann wird man auch im Ortsverband Wermelskirchen froh sein, wenn das blau-gelbe Fähnchen in Düsseldorf neben den roten und grünen Flaggen gehißt werden darf. Alles, auch rot-grüne Koalitionsnachbarschaft, ist besser, als per Urnengang aus dem Parlament vertrieben zu werden. Herr Manderla, Herr Dr. Güntermann, wie ist es gut, daß es die harte Realität gibt. Ohne sie verlören Träume jegliche Faszination. Auch liberale Träume. Der Volksmund hat es so formuliert: Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss nehmen, was übrig bleibt ! Und Theodor Storm so:  “Vom Unglück zieh erst ab die Schuld; was übrig ist, trag’ in Geduld.”

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