Monat: Juli 2010

Wortbruch

Wildsau und Gurkentruppe haben sich geeinigt: Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen werden von Versicherten und Patienten gezahlt. Die schwarz-gelbe Koalition greift den Versicherten tief in die Taschen. Von wegen Strukturreform im Gesundheitswesen. Weniger Netto vom Brutto. Das bleibt. Der Wortbruch. Die Gewerkschaften, die Sozialverbände, die Oppositionsparteien, selbst die Arbeitgeber, sie alle laufen Sturm gegen diese, tja, wie soll man sagen, Sozialpolitik?, gegen diese Art der “Gesundheitsreform”. Künftig können die Krankenkassen Zusatzbeitrage in jeder beliebigen Höhe festsetzen. Reform? Der Steuerzahler springt dann zusätzlich ein, wenn der Zusatzbeitrag zwei Prozent des Lohneinkommens übersteigen sollte. Reform? Dabei haben die Krankenkassen kaum die Möglichkeit, auf die galoppierenden Kostensteigerungen bei Ärzten, der Pharmaindustrie und den Krankenhäusern dämpfend einzuwirken. Und die Politik ist fein raus. Zahlen werden die Versicherten und die Steuerzahler. Und die Gesundheit wird zum Markt-Produkt. Am siebten November habe ich hier schon unter dem Titel: Gesundheit als Ware geschrieben: “Gesundheit ist kein Produkt, keine Ware, schonmal gar kein Luxusgut. Im Gründungsvertrag der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen von 1946 heißt es: “Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Der Besitz des bestmöglichen Gesundheitszustandes bildet eines der Grundrechte jedes menschlichen Wesens, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Anschauung und der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung. Die Gesundheit aller Völker ist eine Grundbedingung für den Weltfrieden und die Sicherheit; sie hängt von der engsten Zusammenarbeit der Einzelnen und der Staaten ab.” Gesundheit ist also keine Produkt des Gesundheitsmarktes, auf dem sich Wohlhabende mehr leisten können müssen als die Mehrheit der armen Schlucker. Gesundheit hat den Status eines Menschenrechts. Das vergessen die schneidigen Einschneider ins soziale Netz geflissentlich. Und eine solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens, in die sich alle nach ihren Kräften und Vermögen einbringen, ist wesentliche Voraussetzung fürs Gelingen eines solchen Systems, nicht aber die Position der Gleichmacher, der Kopfpauschalisten.” Dabei bleibe ich.

Nachtrag: Ich freue mich ja immer wieder mal darauf, Michael Spreng, den konservativen Publizisten und Politikberater,  zu zitieren. Voilà:

“Die schwarz-gelbe Koalition hat wieder Tritt gefasst – beim Tritt ins Fettnäpfchen. Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit schafft es Schwarz-Gelb immer wieder, die eigene Politik zu diskreditieren. Beim sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz war es die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers, bei der Gesundheitsreform ist es die Schonung der Apotheker. Im ersten Fall ging die Klientelpolitik von FDP und CSU aus, im zweiten, so die FAZ, von Kanzleramtschef Ronald Pofalla. Beide Fälle verstossen gegen das Gemeinwohlgebot der Politik. Im Wachstumsbeschleunigungsgesetz waren wenigstens auch einige Verbesserungen für die Allgemeinheit enthalten (Kindergelderhöhung), bei der Gesundheitsreform ist die Klientelpolitik noch verwerflicher. Denn sie enthält für alle nur Belastungen – nur nicht für die Apotheken. Arbeitnehmer und Unternehmen werden massiv durch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge belastet. Ein Sparbeitrag der Apotheker wäre nur gerecht gewesen. (…) Diese Koalition will offenbar austesten, wie belastbar der Unmut der Bürger ist und wie tief sie in den Umfragen noch sinken kann. Viel Erfolg!”

“Und die Tränen von gestern wird die Sonne trocknen…”

Land in Sicht, singt der Wind in mein Herz.
Die lange Reise ist vorbei.
Morgenlicht weckt meine Seele auf.
Ich lebe wieder und bin frei.

Und die Tränen von gestern wird die Sonne trocknen,
die Spuren der Verzweiflung wird der Wind verwehn.
Die durstigen Lippen wird der Regen trösten
und die längst verlorn Geglaubten
werden von den Toten auferstehn.

Ich seh die Wälder meiner Sehnsucht,
den weiten sonnengelben Strand.
Der Himmel leuchtet wie Unendlichkeit,
die bösen Träume sind verbannt.”

Hat jemals jemand besser, ergreifender gesungen als Rio Reiser? (Land in Sicht, live 1983 in Offenbach)


5. Juli: Schwarz-Rot-Gold verboten

Heute vor 178 Jahren, 1832, wurde in Deutschland, im Deutschen Bund, der Gebrauch politischer Abzeichen verboten. Gemeint war vor allem Schwarz-Rot-Gold als Zeichen für den Wunsch nach nationaler Einheit unter demokratischen Vorzeichen. Daß heute sogar die Außenspiegel von Autos mit schwarz-rot-goldenen Parisern verziert werden, hätte man seinerzeit nicht zu träumen gewagt. Noch auf dem Hambacher Fest, Ende Mai 1832, sollten die Schwarz-Rot-Goldenen Trikoloren vom Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und deutscher Einheit künden. Heute vor allem vom Wunsch nach dem vierten Weltmeisterschaftstitel der deutschen Fußballer. Tja…

Versorgungsmentalität

Jürgen Rüttgers knickt dann doch noch ein: Dienstwagen, Büro und Personal nicht mehr für fünf Jahre nach seiner Abwahl, sondern “nur” noch für ein Jahr. Der Arbeiterführer mit den Ministerpräsidenteninsignien und ohne Peinlichkeitsgrenze. Da kann man nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Und Boris Berger, der, der den Krawallwahlkampf gegen Hannelore Kraft zu verantworten hat (“Das geschieht der Alten recht, immer auf die Omme”), wird jetzt unbefristet als Abteilungsleiter in der Landesregierung beschäftigt. Bis kurz vor dem Ende des Zugriffs der CDU auf die Landesverwaltung wird gedealt. Zum Schaden der Bürger. Die CDU scheint von jeder Schamgrenze befreit zu sein. Kopf schütteln reicht da nicht mehr. Kein Wunder, daß die Bürger zusehends mehr Politik für ein Drecksgeschäft halten. Das Ganze ist obszön.